Auf der Anklagebank: ein Umweltschützer, ein Buchautor und ein Verleger.

«Südtirol sucht saubere Luft» lautete der Titel der Münchner Kampagne ©Umweltinstitut München

Eine Landwirtschaft ganz ohne chemisch-synthetischen Pestizideinsatz? Dies hat sich die Gemeinde Mals in Südtirol zum Ziel gesetzt – auch wenn sie sich damit den Interessen der Südtiroler Landesregierung, des Bauernbundes und der Agrarindustrie entgegenstellt.

Alexander Schiebel hat über diesen Kampf ein Buch geschrieben, Das Wunder von Mals. Darin erzählt er die Geschichte der Vorkämpfer, die sich für eine zukunftsfähige Landwirtschaft einsetzen, obwohl ihnen fortwährend Steine in den Weg gelegt werden.

Der Vorwurf lautet:

Üble Nachrede zum Schaden der Südtiroler Landwirtschaft und der Provinz.

Ein neuer Höhepunkt der Angriffe auf die Ökolandwirtschaft und ihre Unterstützer sind die jetzt anstehenden Gerichtsprozesse in Bozen. Bereits im September 2017 hatte Arnold Schuler (SVP), stellvertretender Südtiroler Landeshauptmann und Landesrat für Landwirtschaft, Anzeige gegen den Buchautor erstattet. Zusätzlich zeigte er Jacob Radloff an, der das Buch im Oekom Verlag publiziert, sowie einen Mitarbeiter des Umweltinstitutes München.

1601 Personen, hauptsächlich Landwirte aus Südtirol, schlossen sich der Anzeige an. Der Vorwurf lautet: Üble Nachrede zum Schaden der Südtiroler Landwirtschaft und der Provinz. Die Anzeige bezieht sich auf Textpassagen in dem Buch, in denen Schiebel den Pestizideinsatz in Südtirol und das Verhalten von Bauernlobby und Landesregierung kritisiert.

Karl Bär, Referent für Agrar- und Handelspolitik beim Umweltinstitut München, ist der vorerst dritte Angeklagte. Gemeinsam mit dem Institut setzt er sich für eine ökologische Landwirtschaft ein und kritisiert seit Jahren den hohen Pestizideinsatz in Südtirol.

Vor drei Jahren hatte eine Aktion des Umweltinstituts am Münchner Stachus den Stein ins Rollen gebracht und die Anzeigenflut ausgelöst. Mit einem Plakat im U-Bahnhof am Karlsplatz wollten die Umweltschützer auf den hohen Einsatz von Pestiziden in Südtirol aufmerksam machen. Auf 18’000 Hektar werden dort Äpfel angebaut, jeder zehnte in Europa verkaufte Apfel stammt aus Südtirol. Teilweise wird in den Apfelplantagen mehr als zwanzigmal im Jahr gespritzt. Unter den Giften leiden Artenvielfalt und Menschen.

Verhandelt wird derzeit in Bozen. Nach Ansicht von Verteidiger Nicola Canestrini und seiner Kollegin Francesca Cancellaro, die auch die Fälle von Kapitänin Carola Rackete und der Crew des Seenotretter-Schiffs Juventa vertreten, geht es in den Mals-Prozessen um die Ausübung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit. Die Frage ist, wie das italienische Gericht das bewertet. Im Falle einer Verurteilung würden die Beschuldigten enorme Schadensersatzzahlungen leisten müssen.

 

Als nächste Verhandlungstermine sind geplant:

22.10.2020: Verhandlung zur Archivierung des Falls Jacob Radloff sowie der Fälle der Vorstandsmitglieder des Umweltinstituts München

27.11.2020: Ende der Frist, um alle Anzeigen offiziell zurückzunehmen

14.01.2021: Erster Verhandlungstag Alexander Schiebel

 

Zeitpunkt wird den Fortgang des Verfahrens beobachten und berichten.