Tralala – der Abend war fantastisch

Kolumne. Der Musiker und Autor Anton Brüschweiler hat sich nach einem Konzert nicht gewehrt, als man ihm Wein und sogar Grappa anbot. Am nächsten Morgen auf dem Weg zum Zahnarzt erschien ihm ein Engel.

Letzten Donnerstag war ich mit meinem Gitarrenduo am Geburtstagsfest von Wernu engagiert. Wir spielten zwei Stunden lang fetzigen Zigeunerjazz. Die Stimmung war bombastisch. Nach dem Gig konnte es der Jubilar nicht lassen, uns noch Wein aus seinem kleinen Weingut am Genfersee aufzutischen. Der Wein war gut, vielleicht etwas zu gut. Gegen zwei Uhr morgens überraschte er uns dann noch mit seinem hausgemachten Grappa, welcher uns auch mit jedem Gläschen ein bisschen besser mundete. Ich war jedenfalls äusserst froh, dass ich bei Wernu übernachten durfte.

Dummerweise hatte ich schon vor Monaten am Freitag um acht Uhr morgens einen Zahnarzttermin vereinbart. Als mich der Wecker um sieben Uhr morgens aus dem Schlaf riss, hätte ich mich tausendmal ohrfeigen können, dass ich diesen verdammten Zahnarzttermin nicht abgesagt hatte! Vollkommen übermüdet, und total verkatert machte ich mich auf den Weg zum Zahnarzt. An der Busstation hatte ich mehrmals Angst davor, mich übergeben zu müssen.

Ich stieg in den Bus ein. Mir gegenüber sass, eine wunderschöne zirka dreissigjährige Frau. Sie hatte engelshafte, lange blonde Haare, liebliche Gesichtszüge, genau der Frauentyp, auf den ich stehe. Ich hatte richtig Mühe, meinen Blick von ihr abzuwenden. Als sich unsere Blicke das nächste Mal trafen, traute ich meinen Augen nicht: Sie lächelte mich an! Völlig verdutzt und total verlegen wendete ich mich blitzschnell ab und schaute aus dem Fenster. Doch schon wenige Sekunden später musste ich sie wieder anschauen. Schon wieder lächelte sie, diesmal noch viel deutlicher als vorher. Wie in aller Welt konnte es sein, fragte ich mich, dass eine viel jüngere Frau, mich in diesem desolaten Zustand attraktiv findet? Du unterschätzt deine Attraktivität, dachte ich mir. Schlagartig ging es mir viel besser. Wieder wendete ich mich ihr zu, und lächelte sie im Unterschied zu vorher viel selbstbewusster, ja sogar mit etwas Stolz an. Erneut wurde mein Lächeln zuckersüss erwidert. Ich fühlte mich wie im Paradies.

Als der Bus den Hauptbahnhof erreicht hatte, mussten wir beide aussteigen. Wir liefen kurz nebeneinander, und da sprach sie mich an: «Darf ich dich kurz was fragen?», begann sie mit einer Engelsstimme. «Selbstverständlich», antwortete ich erwartungsvoll. « Geht es dir nicht gut?», hauchte sie. «Möchtest du mal am Mittwochabend in unserer christlichen Gemeinschaft vorbei schauen? Du bist herzlich willkommen, komm einfach vorbei!» Sie drückte mir eine Taschenbibel und einen Flyer ihrer Gemeinschaft in die Hand, der mit «Die Barmherzigkeit Gottes» überschrieben war und ehe ich mich versah, war sie weg.

 

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