Wie halten Sie's mit der Neutralität? (6)
«Gerade heute wäre Neutralität wichtiger denn je.» Wir haben zum Thema Neutralität eine Leserumfrage erstellt. Sechster Teil der Antworten.
Was bedeutet es für Sie heute, neutral zu sein? Was wünschen Sie – oder fordern Sie von der Politik? Dürfen wir uns heraushalten aus Kriegen? Welche politische Haltung finden Sie angebracht – für die Schweiz oder für Deutschland – auch angesichts der ökonomischen Verflechtungen und Bündnisse? Welche Einflussnahme hat ein neutraler Staat heute?
Danke für die vielen, auch kontroversen Antworten, von denen wir auch heute einige veröffentlichen...
Das Neutralitätspostulat
Das Neutralitätspostulat ist seit 175 Jahren staatsrechtlich in der Bundesverfassung kodifiziert. Allein, alle Schweizer Bürger können dank der Meinungsäusserungsfreiheit parteiisch sich äussern und im Rahmen des Strafgesetzes handeln.
Der Staat und seine Organe (Legislative, Exekutive, Bundesverwaltung) dürfen dies nicht.
Wenn ein auf die Bundesverfassung vereidigter Bundesrat für eine kriegführende Nation Partei ergreift, dann verstösst er gegen die BV. Kein Bundesrat ergriff im Ersten und Zweiten Weltkrieg Partei für einen Staat. Diese neutrale Haltung ersparte uns die Verwicklung in jene beiden Kriege. Neutrales Verhalten rettete Menschenleben.
Ich weiss, es ist gegenwärtig wohlfeil und «politisch korrekt», diese Verfassungsnorm in Frage zu stellen. Die Aufforderung von ausländischen Staatsorganen, die Schweiz soll nach deren Wünschen Partei ergreifen, ist ungefähr so opportun, wie unsere Landesgrenzen in Frage zu stellen.
Eidgenössisch grüsst Sie
Richard Scholl
Auf den Punkt gebracht
Eugen Drewermann hat dieses Thema in seiner Neujahrsansprache auf den Punkt gebracht und mir aus der Seele geredet...
Heidi K. Suter
Strikte Neutralität ist die beste Lösung
Als Privatperson kann sich jede auf die Seite stellen, die sie mehr überzeugt, je nach Oberflächlichkeit oder Vertiefung ihrer Information und Geschichtskenntnis. Für unseren Kleinstaat aber ist die strikte Neutralität nach wie vor die beste Haltung. Als Neutrale konnte die Schweiz während Jahrzehnten in internationalen Konflikten vermitteln und so zum Frieden oder wenigstens Waffenstillstand beitragen. Auch dank ihrer Unparteilichkeit wurde die Schweiz Sitz von wichtigen internationalen Organisationen und Austragungsort von Gipfelkonferenzen. Unsere Diplomatie wurde geschätzt und respektiert.
Leider haben Bundesrat und Parlament durch die Übernahme der US- und EU-Sanktionen gegen Russland der Neutralität und damit dem Ruf unseres Landes schweren Schaden zugefügt. Länder wie die Türkei sind jetzt die Vermittler. Die Politiker können lange behaupten, Sanktionen und Panzerverkauf zwecks Ringtausch seien mit der Neutralität vereinbar. Im Ausland sieht man das anders.
Gerade in der heutigen Zeit, in der die Machtverhältnisse sich ändern, der «Westen» möglicherweise seine Dominanz verliert und neue Kooperationen entstehen, wäre die Neutralität wichtiger denn je. Am Rockzipfel der USA und EU hängend, könnten wir leicht auf der Verliererseite stehen. Alle Grossmächte verfolgen nur ihre Interessen, sie wollen ihre Macht und ihren Einfluss behalten. Wieso soll die Schweiz da Partei ergreifen?
Danke, Zeitpunkt, dass ihr dieses Thema aufgenommen habt!
Elisabeth Vonarburg
Bitte schicken Sie uns Ihre Antworten gerne an [email protected] – wir möchten sie auf unserem Infoportal und einige auch im Magazin veröffentlichen.
Wie halten Sie's mit der Neutralität, Folge 5
Wie halten Sie's mit der Neutralität, Folge 4
Wie halten Sie's mit der Neutralität, Folge 3
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