Wie halten Sie's mit der Neutralität? (5)
«Solange nicht alle Staaten neutral sind, muss die Neutralität eine bewaffnete sein.» Wir haben zum Thema Neutralität eine Leserumfrage erstellt. Fünfter Teil der Antworten.
Was bedeutet es für Sie heute, neutral zu sein? Was wünschen Sie – oder fordern Sie von der Politik? Dürfen wir uns heraushalten aus Kriegen? Welche politische Haltung finden Sie angebracht – für die Schweiz oder für Deutschland – auch angesichts der ökonomischen Verflechtungen und Bündnisse? Welche Einflussnahme hat ein neutraler Staat heute?
Danke für die vielen, auch kontroversen Antworten, von denen wir auch heute einige veröffentlichen...
Ein Nichts im Sein
«Neutral» ist per Definition ein Zustand, der sich dadurch definiert, dass es sich in keinem Zustand befindet und – indem er undefiniert bleibt – das ist, was er ist: neutral. Ein Nichts im Sein. Ein eventuell interessanter Zustand in einer polarisierten Welt. (...)
Frage: Haben wir aus der Geschichte irgendetwas gelernt? Die so einfach wie erfrischende Antwort: Nein.
Um präzise zu sein: Wie soll man sich positionieren oder verhalten oder eben nicht verhalten, wenn man sich bereits in Überschallgeschwindigkeit inmitten einer global orchestrierten Abwärtsspirale dem Abrunde zu befindet, einem Abgrund, dessen unermessliche Tiefe wir noch nicht einmal erahnen können? Sollen wir uns neutral verhalten, um den Aufprall vielleicht etwas sanfter zu gestalten? (...)
Ist es der Mühe wert, über Neutralität gerade in der Schweiz und überhaupt noch nachzudenken? Die Schweiz, die so stolz auf ihren Sonderstatus ist, den sie im März 2020 endgültig auf die Müllhalde der Geschichte geschmissen hat. Zitat Sommaruga: «Die Schweiz wird nach dieser tralala nicht mehr dieselbe sein, wie wir sie kannten.» Erinnern Sie sich noch? Wahrscheinlich nicht. Aber da hat die damalige Bundespräsidentin ausnahmsweise mal recht gehabt.
Oliver Hepp
Parteinahme im Privaten
Die aktuelle Kontroverse in der Schweiz bezieht sich auf Neutralität und Parteinahme des Staates Schweiz, nicht der privaten Individuen in der Schweiz.
Im Privaten muss Parteinahme immer gelebt werden, auch wenn der Staat neutral handelt. Allerdings ist es auch schon im Privaten angezeigt, z.B. bei Beziehungsproblemen von Freunden, eine gewisse Neutralität zu wahren, wo mangelnde Information keine Parteinahme zulässt. Eintreten für die Neutralität des Staates bedeutet nicht, dass die Einzelnen auf tätige Parteinahme verzichten müssen. Staatliche Neutralität ist kein Maulkorb, der den Medien verbietet, parteilich über Geschehnisse zu berichten.
Der einzige Zweck der Neutralität des Staates ist der Frieden. (…)
Den Frieden mit Neutralität verteidigen heisst auch, den Nachteil auf sich zu nehmen, von beiden Konfliktparteien als Feind behandelt zu werden, Sanktionen über sich ergehen zu lassen etc. Neutralität ist kein Schutz vor kriegerischen Angriffen. Anschluss an ein grosses Verteidigungsbündnis könnte da allenfalls mehr Sicherheit bieten.
Solange nicht alle Staaten neutral sind, muss die Neutralität eine bewaffnete sein, die bereit ist, sich gegen alle äussere Aggressoren zu verteidigen. Das kann nur mit Hilfe einer eigenen Armee und einer einheimischen Rüstungsindustrie erfolgreich sein. Eine solche ist aber darauf angewiesen, ihre Waffen auch im Ausland verkaufen zu können. Es macht keinen Sinn, Produkte herzustellen, die gemäss Gesetz nicht für den Zweck eingesetzt werden dürfen, für den sie produziert wurden. Mindestens an andere Staaten, die sich wie bewaffnet neutrale Staaten auf die Verteidigung ihres eigenen Territoriums beschränken, müssen Schweizer Waffen geliefert werden dürfen. An dritte explizit neutrale Staaten sowieso. Denn deren Stärkung dient der Stärkung des Friedens.
Bündnisse zur Stärkung der Verteidigung der Schweiz dürfen geschlossen werden, solange der Grundsatz der Neutralität nicht verletzt wird.
Im Sinne der Neutralität wäre es gewesen, die Sanktionen parteinehmender Staaten nicht mitzutragen, sondern nur deren Umgehung via Schweiz zu verhindern.
Hartwig Thomas, Rüti
Beigeschmack von Gleichgültigkeit
Neutralität hat für mich den Beigeschmack von Gleichgültigkeit und Feigheit. Wer Rückgrat hat, steht zu seiner Geisteshaltung. Menschsein beinhaltet verantwortungsbewusstes Handeln. Politisch betrachtet, gelten unsere Grundrechte als Richtschnur.
Demnach bekennen wir uns jederzeit zur Würde des Menschen, zur Achtung der gesamten Schöpfung, zu Wahrheit und Wahrhaftigkeit, zu einem respektvollen und friedlichen Miteinander.
Sich für diese Werte einzustehen, ist Pflicht, deren Erfüllung sich niemand entziehen kann; auch ein Staat nicht.
Aluis Friberg, Richterswil
Bitte schicken Sie uns Ihre Antworten gerne an [email protected] – wir möchten sie auf unserem Infoportal und einige auch im Magazin veröffentlichen.
Wie halten Sie's mit der Neutralität, Folge 4
Wie halten Sie's mit der Neutralität, Folge 3
von:
- Anmelden oder Registieren um Kommentare verfassen zu können