Wiedergutmachung für Gastarbeiterkinder
Um die Geschichte der Gastarbeiterkinder aufzuarbeiten und von der Schweiz eine Wiedergutmachung zu fordern, will die Historikerin Paola De Martin – selbst einst als Kind von italienischen Gastarbeitern in die Schweiz gekommen – einen Verein gründen.
Nach dem zweiten Weltkrieg begann die Schweiz, so genannte Gastarbeiter in die Schweiz zu holen, um auf Baustellen oder in Fabriken zu schuften. Ihre Aufenthaltsgenehmigungen gewährten ihnen jedoch nur wenige Rechte. Wie der Beobachter vom 12. Februar berichtet, war der Familiennachzug nicht erwünscht, und wenn ein Baby in der Schweiz auf die Welt kam, wurde es abgeschoben. So kam es, dass viele Gastarbeiter ihre Kinder heimlich in die Schweiz holten und sie hier jahrelang verstecken mussten, da ihr Aufenthalt als illegal galt.
Paola De Martin erfuhr erst mit 19, dass sie wie viele andere als Kind über die Grenze geschmuggelt worden war. In einem offenen Brief an Bundesrätin Simonetta Sommaruga beschreibt sie, wie ihre Mutter mit ihr und anderen Kindern zu Hause am Küchentisch gelernt hatte, weil sie nicht zur Schule gehen konnten. «Die Kinder kamen und gingen, man wusste nie wann und weshalb. Sie durften kein Aufsehen erregen, das war mir klar, und wir hatten uns ganz bestimmt nicht aufgeregt, dass sie in diesem Wohnblock versteckt gehalten wurden.» Simonetta Sommaruga antwortete, der Brief habe sie betroffen gemacht und sie habe Verständnis für die Forderung nach einer Aufarbeitung dieses Themas, dies sei aber zurzeit nicht geplant.
Was Paola De Martin darin bestärkt zu insistieren, ist unter anderem der Gedanke, dass die Situation von Migrantinnen und Migranten auch heute nicht viel besser aussieht: «Wie viele Eltern verstecken heute ihre Kinder, weil sie illegalisiert werden? Kurzaufenthalter, Flüchtlinge, Sans Papiers – und wenn es nach dem neuen Verfassungsartikel geht, bald auch wieder neue Saisonniers, auch wenn man sie heute vielleicht anders nennen wird», schreibt sie. Und das ist ein Thema, das nicht nur die so genannten Opfer betreffen sollte. «Mein Thema? Nicht interessant aus der Sicht der Schweizer Mehrheit? Ich bin nicht einverstanden. Wenn die Schweizer Mehrheit denkt, dass Menschenrechtsverletzungen an Ausländern in der Schweiz kein Schweizer Thema sind, dann muss sich das ändern.»
Da von Seiten der Politik keine Unterstützung zu erwarten ist, will Paola De Martin nun einen Verein gründen, der drei politische Ziele verfolgt: Die Aufarbeitung des Themas in der Öffentlichkeit, eine finanzielle Wiedergutmachung für die Betroffenen, die durch das Erlebte traumatisiert wurden, und eine öffentliche Entschuldigung der Schweiz für die Verletzung der Menschenrechte. «Es ist nicht damit getan, den damaligen Fremdarbeitern für ihre Arbeit am Aufbau der Schweiz Danke zu sagen», schreibt Paola De Martin in ihrem Brief an Sommaruga.
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