3 Fragen an Manuela Burgermeister

Am kommenden Sonntag wird über die «Ehe für alle» abgestimmt. In anderen Ländern Europas, etwa in Spanien, Schweden oder in den Niederlanden, können gleichgeschlechtliche Paare bereits heiraten. In der Schweiz ist es ihnen bislang nur erlaubt, ihre Verbindung als «Eingetragene Partnerschaft» anzumelden. Die Betriebsökonomin Manuela Burgermeister aus Luzern lebt in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung. Sie ist Mutter einer 1,5 Jahre alten Tochter und hat die Einschränkungen, die die «Eingetragene Partnerschaft» mit sich bringen kann, selbst erlebt. Sie wünscht sich, sagt die 42-Jährige, dass die Gegner sich erst die Zeit nehmen, Regenbogen-Familien kennenzulernen, bevor sie über deren Zukunft entscheiden.

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Wie fühlt es sich an, wenn die Schweizer Bevölkerung abstimmt, ob Sie die Person, die sie lieben, heiraten dürfen oder nicht?

Ich versuche solche Fragen zu umgehen – weil sie mich traurig und wütend machen. Natürlich ist es frustrierend, wenn man bei der Schweizer Bevölkerung darum «betteln» muss, dass man die gleichen Rechte bekommt wie alle anderen. Es ärgert mich, dass Menschen über mich und mein Leben bestimmen können und darüber urteilen, ohne dass sie mich kennen und ohne dass es ihr Leben in irgendeiner Weise beeinflusst. Damit ich aber möglichst viele meiner Mitmenschen im Abstimmungskampf überzeugen kann, darf ich diesen Frust nicht zulassen und versuche einfach, die Menschen mit meiner Geschichte und meiner Art zur Abstimmung zu bewegen.

Es gibt bedeutende Unterschiede zwischen der «Eingetragenen Partnerschaft», die uns gleichgeschlechtlichen Paaren erlaubt ist, und der Ehe, die bislang nur heterosexuelle Paare eingehen dürfen. Mir wurde das erst richtig deutlich, als meine Partnerin und ich ein Kind wünschten. Uns war klar, dass wir keinen Zugang zur Samenbank haben werden, wussten aber, dass es einige andere Möglichkeiten gibt, ein Kind zu bekommen. Was wir nicht wussten, war: dass wir sogar zu ganz vielen gynäkologischen Behandlungen und Medikamenten keinen Zugang haben. Wenn wir beim Arzt im Wartezimmer sassen, schaute ich mir immer die anderen Frauen an, die anderen Patientinnen, und dachte: Wow, sie alle bekommen einfach selbstverständlich jede Behandlung, die sie brauchen, und wissen nicht, dass es in diesem Wartezimmer gerade eine Zweiklassengesellschaft gibt. Auf dem Weg ein Kind zu kriegen waren es mehrheitlich nicht die Menschen, die uns anders behandelten, sondern die Gesetze, die die Menschen dazu zwangen, uns anders zu behandeln. Unserem Gynäkologen zum Beispiel tat das richtig leid, dass er uns den Zugang zu den Behandlungen verweigern musste.

Gerade das Kinderkriegen oder Adoptieren wollen die Gegner der «Ehe für alle» den gleichgeschlechtlichen Paaren nicht zusprechen. Eines ihrer Argumente ist: Samenspende fördert vaterlose Gesellschaft. Was denken Sie darüber?

Oje, dass wir als kleine Minderheit jetzt gleich für den Zerfall der Gesellschaft herhalten sollen, ist etwas absurd. Die Realität da draussen ist so vielseitig: Alleinerziehende, Patchwork-Familien, Mehrgenerationen-Familien, Regenbogenfamilie, Mann-Frau-Kind-Familien und noch viele Varianten mehr. Wir Regenbogen-Familien sind eine ganz kleine Gruppe, und auch mit dem neuen Gesetz werden wir nicht die Schweiz mit unseren Kindern überschwemmen. Von rund 80'000 Kindern, die jährlich in der Schweiz auf die Welt kommen, kommen zirka 500 aus einer Regenbogenfamilie.

Ich glaube, man muss auch unterscheiden zwischen «biologischem Vater» und «Vaterfigur». Biologisch hat jeder einen Vater, der übernimmt aber nicht immer die Vaterrolle. Auch nicht in heterosexuellen Beziehungen. Eine interessante Studie, die ich gelesen habe, spricht von Vaterrolle und Mutterrolle und dass der Elternteil, der mehrheitlich zu Hause bleibt, die Mutterrolle übernimmt. Das kann also auch der Vater sein. Und die Mutter, die arbeiten geht, kann die Vaterrolle übernehmen. Leider passen solche ungewohnte Rollenbilder noch nicht ganz in unser Denkmuster und darum lehnen einige diese Rollenbilder ab. Bei Unsicherheit greifen wir gerne zum Altbewährten und reden das «Neue» oder das «Andere» schlecht.

Für mich braucht ein Kind Liebe, Geborgenheit, Stabilität und vor allem viel Freiheit, um sich zu entfalten und zu entwickeln. Zu einer Kindheit gehören meiner Meinung nach auch mehr als nur zwei Elternteile: Freunde, Grosseltern, Onkel, Tanten, Nichten, Neffen, Nachbarn und noch viele mehr.

Wenn Sie noch ein paar Unentschlossene überzeugen müssten, damit sie Ja stimmen, was würden Sie ihnen sagen?

Menschen zu überzeugen, die entschieden dagegen sind, ist schwierig. Aber nun gut, ich würde ihnen sagen: Lernt mal unsere Familie kennen. Ich wünschte mir, dass die Gegner sich erst die Zeit nehmen würden, solche Familien kennenzulernen und zu begegnen – bevor sie über deren Zukunft entscheiden und darüber urteilen, ob sie fähig sind ein Kind grosszuziehen. Ich höre oft, dass wir nun mal biologisch nicht in der Lage sind, Kinder zu kriegen, somit können wir auch keine Eltern werden. Wenn man dies Logik aber umdreht, wären alle Menschen, die biologisch in der Lage sind Kinder zu zeugen, automatisch in der Lage diese grosszuziehen. Ich denke aber, dass es ebenso den Gegner klar ist, dass es da draussen einige Menschen gibt, die keine Kinder haben sollten, auch wenn sie biologisch oder aufgrund ihrer sexuellen Orientierung dazu in der Lage wären.
 

Mehr Infos: www.regenbogenmum.ch