Anti Aging
Leute, ich habe einfach genug. Genug vom tatenlosen Zusehen, wie ich immer älter werde. Ob Sie es glauben oder nicht: Ich war auch mal jung! Aber das ist lange her. Mittlerweile bin ich total ergraut, voller Runzeln, und meine Fitness … also, lassen wir das.
Jedenfalls spitzte ich meine Ohren mehr als gründlich, als mein Freund Manuel mir von Hohgant-Pole, dem geheimen Anti-Aging-Guru der Voralpen-Region, erzählte. Dieser verkaufe eine Substanz, welche einen binnen Wochen um bis zu dreissig Jahre verjünge. Menschen aus der Schweiz und mittlerweile sogar aus der halben Welt reisten zu ihm, um die hochpotente Substanz zu ergattern. Es handelt sich um bei Vollmond gewonnenes und über drei Dekaden getrocknetes Rattensperma, das mit einem Sud aus Maigold-Randen-Brenesselblättern aufgekocht und anschliessend mit Agar-Agar verdickt wird, so dass es sich als Brotaufstrich eignet. Kurz vor Weihnachten reiste ich mit Manuel zu Hohgant-Pole.
Er wohnt am Fusse des Hohgants in einem alten Militärbunker. Kaum hatte ich den begehrten Brotaufstrich erstanden, begann ich ihn auch zu verspeisen. Ich glaube, ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so viele Schnittli gegessen wie in den letzten drei Monaten. Die Anfangsphase war sehr enttäuschend, es geschah rein gar nichts. Doch nach exakt sieben Wochen, sieben Tagen und sieben Stunden spürte ich ein unangenehmes ziehen im Fingerbeeri meines linken Zeigefingers. Zuerst dachte ich, ich hätte einfach zu viel Gitarre gespielt.
Doch dann, am nächsten Tag, öffnete sich die Haut, und ein kleines Auge kam zum Vorschein. Zuerst konnte ich nicht glauben, was ich sah, doch es war wirklich ein kleines Auge, zuvorderst an meinem Zeigefinger. Und das Verrückteste dabei war, dass ich damit sehen konnte. Ich legte eine Zeitung im Abstand eines Meters vor mir auf den Tisch und fuhr mit dem Zeigefinger über den Text und konnte so tipptopp lesen.
Als nächstes untersuchte ich meinen Hinterkopf und konnte die sich ausbreitende Glatze begutachten. Danach zog ich mich aus und ... ich wollte das eigentlich hier nicht schreiben: Ich untersuchte mit dem sehenden Finger meine ganze Rückseite und zum ersten Mal sah ich meinen «Füdispalt» mit einem eigenen Auge. Fazit: Dass der Hohgant-Pole seinen Brotaufstrich als Anti-Aging-Substanz verkauft, macht ihn zum Scharlatan. Aber für das zusätzliche Auge werde ich ihm ewig dankbar sein.
von:
Über
Anton Brüschweiler
Anton Brüschweiler ist Musiker, Veranstalter von Anlässen mit Geheimtipp-Potenzial in der Chäsi Gysenstein und Autor des Buches «Das AntWort – die Wahrheit des Absurden», eine Sammlung von lebensrettenden Weisheiten in einer verrückten Welt.
Kommentare
Eine der wirksamsten (wenn…
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