Chapeau! – fürs Luzerner Tauschnetz

Eins der ältesten Tauschnetzwerke der Schweiz befindet sich in Luzern. Es stellt eine Ergänzung zum klassischen Wirtschaftssystem mit seiner Kauf- und Verkauf-Logik dar. Hier heisst die Währung Zeit statt Geld.

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Wie viele Stunden hast du auf dem Konto? – In Zeit statt in Geld bezahlen, das ist das Konzept des Luzerner Tauschnetzes. Seit mehr als 20 Jahren gibt es das Projekt schon, und es weitet sich immer mehr aus. Die rund 100 Mitglieder stammen aus Luzern und Umgebung und bieten eine Vielzahl von «Kopf- oder Handarbeiten» an: Hilfe im Garten oder beim Putzen, Kinderhüten, Reparaturarbeiten, Buchhaltung und Steuererklärung, Socken flicken oder jemanden am Flughafen abholen … Jeder und jede bietet an, was er oder sie am besten kann oder am liebsten macht. Und nimmt dafür Angebote in Anspruch, bei denen er Unterstützung braucht. Viele der Mitglieder sind Pensionierte ­– sie haben mehr Zeit zur Verfügung, aber nicht mehr Geld als während des Berufslebens.

Funktionieren tut das Ganze über die Online-Plattform tauschnetz.ch. Der jährliche Mitgliederbeitrag beträgt 30 Franken, und für jede getane Arbeit wird einem die aufgewendete Zeit gutgeschrieben – die man dann im Tauschnetzgeschäft wieder «ausgeben» kann. Damit wird eine Alternative zum bestehenden Wirtschaftssystem aufgebaut. Die Währung heisst Zeit. Wie beim antiken Tauschhandel in vorkapitalistischer Zeit, der ohne Anlagen und Zinsen funktioniert.

Das Zahlungsmittel Geld kommt nur dann zum Einsatz, wenn zum Beispiel Material eingekauft werden muss, um ein Tauschnetzgeschäft zu tätigen. Der Preis für dieses Material wird mit Franken verrechnet, kann aber auch nach gegenseitiger Vereinbarung in Stunden umgerechnet werden. «Das Tauschnetz ist ein lokales Nischenangebot, welches das klassische Wirtschaftssystem ergänzen, nicht ersetzen soll», betont Gründungsmitglied Urs Häner. Das Tauschnetz darf auch nicht mit Freiwilligenarbeit verwechselt werden, da es um den Tausch gleichwertiger Dinge geht: Jede Stunde ist gleich viel Wert, egal was man macht.

Die Kontakte zwischen den tauschwilligen Mitgliedern kommen entweder über die Plattform zu Stande oder an den monatlichen Treffen im Luzerner Sentitreff sowie am Bourbaki Stammtisch, wo sich oft spontan Tauschgeschäfte ergeben.

Wir ziehen den Hut vor dem Luzerner Tauschnetz, das nicht nur zum Reflektieren über den Konsumismus des aktuellen Wirtschaftssystems anregt, sondern auch soziale Beziehungen fördert: Beim Tausch von Zeit und Hilfeleistungen kommt auch der zwischenmenschliche Aspekt nicht zu kurz.

www.tauschnetz.ch

 

Tauschtreff im Sentitreff Luzern (für Mitglieder und Interessierte): Jeden ersten Dienstag im Monat von 17 bis 19 Uhr.

Am Donnerstag, 17. August findet für Mitglieder und Interessierte ein Feier-Feuer-Abend mit Bräteln statt. Ab 18 Uhr im Innenhof des Sentitreffs Luzern, Baselstrasse 21.

 

Über

Nicole Maron

Submitted by christoph on Mo, 04/19/2021 - 17:25

Nicole Maron (*1980) aus Zürich ist Journalistin und Buchautorin. Seit 2017 lebt und arbeitet sie in Bolivien und Peru. Ihre Schwerpunkte sind umwelt- und sozialpolitische Themen wie Flucht und Migration, globale Gerechtigkeit, Konzernverantwortung und Menschenrechte. 

Von Nicole Maron ist zuletzt erschienen: «Das Blut des Flusses» – Der in Espinar/Südperu gedrehte Dokumentarfilm zeigt auf, welche gravierenden Schäden das Schweizer Bergbauunternehmen Glencore vor Ort anrichtet.
https://www.youtube.com/watch?v=9Rj7lJc1GWY