In Dänemark sorgt ein neues Gesetz für Aufsehen: Seit dem 1. Oktober 2025 müssen alle Milchbauern ihren Kühen das Futtermittelzusatzprodukt Bovaer verabreichen. Der von der Biotech-Firma DSM-Firmenich mit Sitz in Kaiseraugst/AG entwickelte Enzymhemmer soll die Methanproduktion im Verdauungssystem der Tiere verringern und damit zur Reduktion von Treibhausgasen beitragen.
Das Mittel ist in über 65 Ländern – darunter die EU, die USA und Japan – zugelassen und gilt laut dem Hersteller als «sicher und wirksam». 150 Studien würden dies bestätigen. (wir hatten keine Zeit, die Finanzierung der Studien zu überprüfen, in der Regel ein entscheidendes Kriterium für die Ergebnisse. die Red.)
Erste Berichte aus der breiten Anwendung zeichnen jedoch ein anderes Bild. In Dänemark, das als erstes Land weltweit den Einsatz von Bovaer obligatorisch erklärt hat, melden zahlreiche Landwirte gesundheitliche Probleme bei ihren Tieren: Kühe würden weniger Milch geben, einige seien zusammengebrochen oder müssten eingeschläfert werden. Der Vorsitzende des dänischen Milchproduzentenverbands, Kjartan Poulsen, berichtet von «vielen besorgten Anrufen» und einer spürbaren Beeinträchtigung der Herden.
Dänische Landwirte, die Bovaer nicht verfüttern, können mit 1000 bis 10’000 dänischen Kronen (120 bis 1200 Franken) pro Kuh und Jahr gebüsst werden. In grösseren Betrieben mit hunderten von Kühen kann dies dramatische Konsequenzen haben.
Während Behörden und Hersteller betonen, dass Bovaer umfassend getestet und ungefährlich sei, zweifeln Bauern an der Sicherheit des Zusatzes. Kritiker sehen in der Pflichtverabreichung einen gefährlichen Eingriff in natürliche Stoffwechselprozesse und warnen vor zentraler Kontrolle der Nahrungsmittelproduktion im Namen des Klimaschutzes.
Die Regierung prüft inzwischen die gemeldeten Vorfälle – der Streit um Bovaer wird damit zum Symbol für den Konflikt zwischen Klimapolitik, Wissenschaft und bäuerlicher Praxis.
Dänemark unterstützt die Verfütterung von Bovaer mit umgerechnet 65,6 Mio. Franken jährlich und will damit den Methanausstoss seineer 550‘000 Kühe bis 2030 um 30 Prozent reduzieren. Bei einem durchschnittlichen Methanausstoss von 110 kg pro Kuh und Jahr ergibt dies eine Reduktion des CO2 umgerechnet in Äquivalente von rund 500‘000 Tonnen.
Nach Konzernangaben hat das Mittel bis heute 520’000 Tonnen CO2 verhindert. Das sind 0,00014 Prozent des gesamten mensch-gemachten CO2-Ausstosses von 3 Milliarden Tonnen.
Die Probleme mit Bovaer kommen allerdings nicht unerwartet: In ihrer Bewertung von Bovaer weist die britische Food Standards Agency (FSA) auf eine Reihe besorgniserregender Nebenwirkungen hin, darunter:
- Verminderte Futter- und Wasseraufnahme, kleinere Eierstöcke und geringeres Herzgewicht bei Kühen.
- Studien an Ratten haben bei höheren Dosen als den für den allgemeinen Gebrauch empfohlenen Warnsignale in Bezug auf Fruchtbarkeit, Karzinogenität und Genotoxizität ergeben.
- Der Umgang mit dem Zusatzstoff könnte auch Risiken für Landwirte bergen, einschliesslich Hautreizungen, schwerer Augenschäden und möglicher Fruchtbarkeitsprobleme.
- In einer Studie wurde ein Metabolit von Bovaer in der Milch von 3 von 4 Tieren nachgewiesen, allerdings wurde dies aufgrund der geringen Stichprobengrösse als nicht aussagekräftig betrachtet. Dies steht im Widerspruch zur Behauptung von DSM-Firmenich, dass Reste des Mittels nicht in der Milch auftauchen.
Bovaer ist in der Schweiz als Futtermittelzusatz für Milchkühe zugelassen, wird aber nur von sehr wenigen Betrieben eingesetzt. Der Zusatz wurde 2023 im Projekt «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden» vom Forschungsinstitut Agridea getestet.
In diesen Pilotbetrieben wurde festgestellt, dass zusätzliche Kosten von ca. 60‑90 CHF pro Kuh und Jahr entstehen, und dass es keine automatische Vergütung für die Mehrkosten gibt. Der Einsatz des Mittels rechnet sich nur, wenn der Betrieb über ein Klimaschutzprogramm entschädigt wird.
Ob Agridea in ihrer Studie die Gesundheit der Kühe und die Milchleistung erhoben hat, ist Gegenstand einer noch nicht beantworteten Anfrage.
Quellen:
Nyheder: Køer kollapser, siger landmænd og mistænker lovpligtigt foderstof. 1.11.2025
DSM Firmenich: A proven solution for methane reduction
Schweizer Bauer: GR: Mit Futtermittelzusatz den Methanausstoss bei Kühen senken. 21.11.2023
Schweizer Bauer: Methan senkender Futtermittelzusatz tut sich schwer. 10.12.2024
AGRIDEA: Einzelbetriebliche Klimabilanzierung und Handlungsmöglichkeiten zur Verringerung der landwirtschaftlichen Emissionen. April 2024
Aarhus University: Effect of Bovaer inclusion in rations with high proportion of corn silage harvested with different stubble height on production performance and gas emission in dairy cows
Alliance for Natural Health: Bovaer Anti-Belch Feed for Cattle: Why It’s a Disaster for Cattle and Humans. 12.12.2024
Food Standards Agency: Outcome of assessment of 3-Nitrooxypropanol »3-NOP» - Assessment. 31.3.2023
Kommentare
Gesundheit beginnt im Boden
Es ginge auch einfacher, nachhaltiger und gesünder: 0 Kraftfutter, Extensive Rassen und Haltung, häufige Weidewechsel (Mobgrazing). Nur verdient daran halt kein Grosskonzern. Wird Zeit, dass wir uns mehr für unsere Lebensgrundlagen interessieren. Sehr lesenswert: https://www.oekom.de/buch/gesundheit-beginnt-im-boden-9783987261602