«Dem Wahnsinn entkommen, dem Irrsinn begegnen»
Wie gehen Kunstschaffende mit der Krise um? Der Zeitpunkt will den Puls von Künstlern und Kulturveranstaltern spüren und sie sichtbar machen. Heute erzählt der Jungschauspieler Elias Wenger, was mit ihm die Coronakrise gemacht hat und wieso er erst auf der Bühne alles gibt.
Voller Ideen und Elan, sprudelnd, sehr komisch, im Sinne von lustig, mal als seltsamer Professor unterwegs, der die deutsche Sprache vor versauten Wörtern retten will, mal als Jugendlicher, der gerade mit diesen versauten Worten um sich schlägt. Am Ende, wenn man Elias Wenger zuschaut, ahnt man nicht, wer jetzt eigentlich der richtige Elias ist und woher er kommt. Denn zu gut ahmt er auch den Walliser oder Ostschweizer Dialekt nach und zu überzeugend schlüpft er in verschiedene Charektere.
Er kommt aus Bern, ist Improvisationsschauspieler und wurde vor einem Jahr in seinem Elan – als Corona kam – erst mal so richtig abgebremst. «Da fiel ich irgendwie in ein Tief, weil bis dahin mein ganzes Leben auf Theater aufgebaut war.» Es sei aber nicht nur der Lockdown der Grund gewesen, kurz davor habe er zudem eine Theatergruppe verlassen, weil er es Aufwand-technisch mit seiner Ausbildung als Fachmann Betreuung Kind nicht mehr geschafft habe. «Aber ja, als dann der Lockdown kam, war von einem Tag auf den anderen alles, was mit Theater und Auftreten zu tun hat, weg.»
Bis ihm – eigentlich seinem Vater – die Idee kam, dass er einen Theaterkurs online besuchen könnte, damit dem 21-Jährigen die Decke nicht auf den Kopf fällt. Und das war der Anfang von einer Reihe von anderen Anfängen, die sich seither im Leben von Elias ergeben haben. Denn dieser Kurs animierte ihn weitere Online-Kurse zu belegen, schliesslich fing er an, als Online-Schauspieler zu arbeiten, gründete ausserdem eine Improvisations-Theatergruppe in Bern und schon bald wird sein eigenes interaktive Theaterstück online gehen. Wie gesagt, wenn er kann, sprudelt er.
«Meine Rollen wurden früher abgeschwächt oder herausgestrichen»
Seine Leidenschaft begann in der Schulzeit, wo er bereits für seine Schauspielkünste gelobt wurde. «Ich war nie ein guter Schüler, aber immer wenn es ums Theaterspielen ging, da war ich an vorderster Front, und die Menschen um mich herum sagten stets, ich müsse auf die Bühne», erinnert sich Elias. Was ihn allerdings lange verfolgte, war, dass ihm die Lehrer die Rollen immer abschwächten oder seine Ideen aus dem Stück strichen, weil er den Lehrern zufolge die Rollen zu sehr auf die Spitze trieb. Dasselbe erlebte er später als 13-jähriger Schauspieler an der «Jungen Bühne Bern», da wies man ihn darauf hin, «dass meine Einlagen nicht jugendfrei seien», sagt er und lacht. Diese Interventionen von Dritten führten dazu, dass er in den Proben nicht mehr alles von seinen Rollen preisgab, sondern erst beim Auftritt. «Wenn ich dann mal auf der Bühne stand, das Stück vor Publikum im vollen Gange war, da konnten sie ja meine Slapsticks nicht mehr verhindern.» Und so entwickelte sich Elias mehr und mehr zu einem Improvisationsschauspieler, der erst im Moment des grossen Auftritts alles gibt.
Bei Elias geht es durch und durch um Humor. «Ich will die Menschen zum Lachen bringen, sie sollen einen guten Moment erleben, gerade jetzt während der Coronazeit umso mehr.» Seine grosse Inspirationsquelle war immer der Komiker Marco Rima. Und so verwundert es nicht, dass er seit vielen Jahren Charakteren entwickelt, die sonderbar anmuten, allerlei schräge Dinge sagen und die Menschen zum Lachen bringen. Und wenn man Elias nach seinem Lebensmotto fragt, zitiert er einen Satz aus der deutschen Comedyserie Stromberg: «Man soll den Arsch nicht höher hängen, als man scheissen kann.»
Jetzt gerade ist er in den letzten Vorbereitungen für «Geht´s noch dümmer?», ein interaktives Theaterstück, das online durchgeführt und im März Premiere haben wird. Entstanden ist es aus der Improvisations-Theatergruppe plötzli.ch. Diese ist im letzten Spätherbst in Bern ins Leben gerufen worden. Unter anderem weil Elias in dieser eingeschränkten Corona-Zeit, wo er auch viel Zeit zum Nachdenken hatte, feststellte, dass «es schon immer ein lang ersehnter Wunsch von mir war, eine eigene Impro-Gruppe zu haben». Am Ende wurde sie gegründet, «um dem Wahnsinn zu entkommen und dem Irrsinn zu begegnen».
Nun: Geht´s noch dümmer? Was darf man erwarten? Elias: «Es ist ein gesellschaftskritisches Stück, in dem wir den Perfektionismus und den Optimierungszwang in der heutigen Gesellschaft in Frage stellen.» Irgendwo müsse ja die Kreativität, die Spontanität und der Humor auf der Strecke liegen bleiben, wenn alles zu perfekt ist. Oder? Auf jeden Fall habe das Schweizer Unternehmen im Stück «Geht´s noch dümmer?» genau dieses Problem und suche jetzt nach neuen Mitarbeitern. «Das Publikum darf sich die Bewerber und Bewerberinnen – die natürlich Schauspieler sind – anschauen, sie unter die Lupe nehmen und dann auswerten, wer von ihnen am geeignetesten für die ausgeschriebene Stelle ist.» Und es verstehe sich, so Elias: «Das Unternehmen sucht möglichst unangepasste Menschen. Man darf also erwarten, dass sich da so manche eigentümliche Person vorstellt.»
Elias hat also mit dem Online-Theater für sich einen Ausweg aus der Coronakrise gefunden. Nichtsdestotrotz: «Ich hoffe, dass ich dieses Jahr irgendwann mal auch wieder physisch auf einer Bühne stehen kann.» Aber bis dahin werde er bestimmt intensiv online auftreten, zumal es ihm sehr viel Spass bereite. Wenn es um Corona und die Zukunft geht, fügt seine Figur des Rudolf Steiner Schule-Pädagogen ganz bedacht und verständnisvoll hinzu: «Erst mal Ruhe bewahren.»
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