«Die Existenzgrundlage meiner Familie ist bedroht»
Menschen, die auffallen, weil sie anders leben, unbekannte Dinge tun, gegen den Strom schwimmen oder sich für ihre Meinung oder ein Projekt einsetzen. «Menschen aus dem Leben» werden wir neu bei Zeitpunkt.ch donnerstags porträtieren. Heute steht Roland Beek mit seiner schweizweiten Flyeraktion im Zentrum.
Sein deutscher Grossvater verbrachte als Kriegsgefangener fünf Jahre in einem russischen Bergwerk. Als er endlich wieder zu Hause ankam, war seine Frau bereits mit einem anderen Mann verheiratet. Sie hatte gedacht, er sei tot. Und seine Grossmutter entkam wie durch ein Wunder dem Brandbombenhagel in Dresden. Kurzum: Seine Familie erlebte den Zweiten Weltkrieg.
«Diese Erfahrungen totalitärer Zustände schlummern in meinen Genen», sagt Roland Beek. Der kräftige und grossgewachsene Mann mit ruhiger Stimme ist 47 Jahre alt, Familienvater und Seilbahnfachmann. Er lebt in Biel. «Die Wurzeln des Nationalsozialismus waren damals ein Reinheitszwang, der mit fadenscheinigen und pseudowissenschaftlichen Argumenten auf eine Rasse projiziert wurden», fährt er fort. Diesen Reinheitszwang, findet er, stelle er heute als Massenpsychose wieder fest. Was ihn erschrecke, sei «der geschlossene Gleichschritt des Kollektivs».
Er verteilte 400´000 Flyer in die Briefkästen Schweizer Haushalte.
Der gebürtige Deutsche wanderte 2011 in die Schweiz aus und gründete hier eine Familie: «Wegen der direkten Demokratie und der wirtschaftlichen Freiheit.» Beides habe er durch die Corona-Massnahmen bedroht gesehen. Auf dem Bielersee sei er oft mit seinem alten Segelboot auf die St. Peterinsel übergesetzt, wo die Büste von Jean-Jacques Rousseau stehe, einem Vorbereiter der französischen Revolution. «Ich verstand nie, wie sich jemand gegen das Kollektiv stellen konnte, Frau und Kinder verliess und sein Leben für eine Idee riskierte – heute verstehe ich wieso. Je mehr sich das eigene Empfinden vom Kollektiv unterscheidet, desto weniger ist das Leben lebenswert», sagt Beek bestimmt. Und so habe bei ihm selbst die Bereitschaft zugenommen, sich offen hinzustellen und etwas zu unternehmen.
Er startete im August die wohl grösste ehrenamtliche Flyer-Verteilaktion der Schweiz. Auf Social Media-Kanälen konnte er mit einem Entwurf des Flyers viele Interessierte in der Deutschschweiz gewinnen. Später dann auch in der Westschweiz und im Tessin. Die Kosten der Aktion deckte Beek durch eigene Beiträge und mit Spenden. Auf diese Weise wurden schweizweit 400´000 Flyer in drei Landessprachen mit dem Titel «Verschreckt der Bundesrat und das SRF die Bevölkerung?» verteilt. Sie landeten in zehn Prozent aller schweizerischen Briefkästen. Beek: «Die Rückmeldungen auf den Flyer waren fast ausschliesslich positiv. Offenbar hat die Aktion sehr viele Leute mobilisiert und erheblich dazu beigetragen, die Unterschriften des laufenden Notrechtreferendums mehr als zu verdoppeln.» Unterstützung erhielt er durch viele unabhängige Helferinnen und Helfer ohne politische Ausrichtung und aus verschiedenen Netzwerken.
Beek ist der Meinung, dass die direkte Demokratie weg ist. Weiter besorgt ihn: «Wegen des Lockdowns rollt eine Insolvenzwelle auf uns zu, und der Staat hat sich extrem verschuldet.» Die Existenzgrundlage seiner Familie sei bedroht. Er hoffe, dass er mit seinen Flyern etwas zur Aufklärung beitragen konnte. «Es muss endlich eine Grundsatzdiskussion in der Politik stattfinden, damit ich nicht nochmal eine solche Flyer-Aktion starten muss», sagt der Mann, dessen Worte auch Taten sind.
Pressemitteilung Flyeraktion: https://bit.ly/2ZjsLNy
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