Die Schiffchen und Kettfäden auf dem Webstuhl der Welt
Jedes Zeitalter hat seine prägenden, kulturgeschichtlichen Impulse. Wie und wodurch entstehen sie? Warum gerade an jenem Ort und zu jener Zeit? Wer die Vergangenheit missdeutet, versteht die Gegenwart nicht und ist unfähig, die Zukunft zu gestalten – der Kreislauf des Lebens wird unterbrochen, kulturelle Involution ist die Folge. Aus der Serie: «Kulturgeschichtliche Impulse im Weltgeschehen» von Andreas Beers. Teil 1: Einführung.
Von Nord nach Süd, von Ost nach West und zurück. So oszillieren die weltgeschichtlichen Impulse der Völker um die Erde. Ort, Zeit, Religion, Kultur, ja sogar geographische Lage und Temperatur gehören zu den Ingredienzien, die nötig sind, um Impulse von historischer Tragweite zur Wirksamkeit zu bringen. In nicht wenigen Fällen waren es einzelne herausragende Persönlichkeiten, die diese in die Welt trugen. Es kann wenige Sekunden oder hunderte von Jahren dauern, um einen historisch entscheidenden Wandel im Weltgeschehen auszulösen. Wie in einem kunstvoll gewobenen Teppich greifen die Fäden von Menschenschicksal und Weltenschicksal ineinander – das Schiffchen schwingt hin und her und verbindet Zeit, Raum, Materie und Geist.
Alle Völker der Erde bilden die Menschheit. Wenn wir die gesamte Menschheit als einen grossen Organismus betrachten, liegt es auf der Hand, dass die Schädigung eines Teils dieses grossen Organismus den Gesamtorganismus schädigen muss. Bleiben wir also um die Gesundheit dieses Organismus Menschheit bemüht! Mit diesen Worten beendet Victor K. Wendt sein 1984 erschienenes Buch «Das Geheimnis der Hyperboreer». Eine wahrhaft edle innere Haltung für einen Historiker. Sie bildet die Anschauungsgrundlage für eine auf Frieden ausgerichtete Gesinnung der Menschen aller Völker, Ethnien und Religionen.
Jeder Faden im Gewebe hat seine Bedeutung: So finden wir neben grossen epochalen Impulsen wie zum Beispiel der Neolithischen Revolution, mit der die Kultivierung der Erde und das Sesshaftwerden der Menschen begann, kleine, scheinbar unbedeutend wirkende Impulse wie die Erfindung des Buchdrucks. Er ist es, der das individuell gesprochene Wort auf weissen Flügeln, geschwind und vielfältig in die Welt hinaustrug.
Bei oberflächlicher Betrachtung des weltgeschichtlichen Gewebes bleiben uns ihre Kettfäden und Schiffchen meist verborgen. Sie aufzufinden wäre Aufgabe wahrer Geschichtsforschung. Die Ansicht «Alle Völker der Welt bilden den Organismus Menschheit», wie ihn Victor. K. Wendt zum Ausdruck bringt, ist für unsere heutige Weltlage in zweierlei Hinsicht von grosser Bedeutung. Erstens werden dadurch alle Völker der Erde in eine gleichberechtigte Verantwortung genommen. Zweitens hat ungeachtet ihrer Grösse und Stellung jedes Volk, jede Kultur und jede Ethnie ihre auf sie «zugeschnittene» Aufgabe im evolutionären Organismus Menschheit. Oder anders ausgedrückt: Jede Nation oder jeder Kulturraum hat zu einem bestimmten Zeitpunkt und Zeitraum, eine durch ihren Charakter geprägte Aufgabe im weltgeschichtlichen Geschehen. Nur auf dieser soliden Weltanschauungs-Grundlage lässt sich Weltfrieden denken, realisieren und wahrhaftig leben.
In die Historie zurückblickend können wir wertfrei feststellen, wie von unterschiedlichen Orten ausgehend Hochkulturen wie die der Hyperboreer, Ur-Inder, Ur-Perser, Kelten, Babylonier, Sumerer, Ägypter, Griechen, Römer und Germanen ausserordentliche Entwicklungsimpulse in das bunte Gewebe der Menschheitsgeschichte eingewoben haben. Neben diesen grossen Kulturen tauchten immer wieder Einzelpersönlichkeiten aus dem wogenden Menschenmeer auf, die richtungsweisend wirkten. Durch die Konstellation ihrer seelisch-geistigen Haltung, ihrer Ideen, Temperamente und Fähigkeiten greifen sie ein in das Räderwerk der Geschichte. Und vergessen wir dabei niemals: Jeder Mensch auf Erden hat seine eigene, ganz individuelle Stellung und Verantwortung im Organismus Menschheit.
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Andreas Beers aus Bern ist Landwirt, Arbeitsagoge und Lehrer. Er kultiviert die Erde, sät und erntet, er denkt, spricht und schreibt über: Mensch, Erde und Himmel, oder was wir zum Leben brauchen.
«Ex Orient Lux» (Lateinisches Sprichwort aus dem Werk: Die Heiligtümer des Orients von Edouard Schuré)
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