Aus dem Podcast «5 Minuten» von Nicolas Lindt.

Kaum haben sie sich berauscht, entspannen sie sich. / © Pixabay

Vor ein paar Tagen las ich von einer Studie, die jetzt auch in Zürich unter dem Titel «Züri Can – Kiffen mit Verantwortung» durchgeführt wird. Die Studie, die vom Eidgenössischen Parlament vor einigen Jahren beschlossen und vom Bundesamt für Gesundheit bewilligt wurde, wird an elf Schweizer Standorten – in Genf, Lausanne, Thun, Bern, Biel, Olten, Winterthur, St. Gallen, Glarus, Basel-Stadt und Zürich – während drei Jahren testen, wie sich ein erlaubtes Kiffen gestalten würde.

Das dahinterstehende politische Ziel ist natürlich die Legalisierung des Drogenkonsums. So weit wie Holland zum Beispiel sei unser Land noch nicht, doch «die Schweiz will lernen», so heisst es im Bericht über die Studie.

Durchgeführt wird «Züri Can» von der Stadt zusammen mit der Universität. Finanziert wird sie mit Steuergeldern. Teilnahmeberechtigt sind Erwachsene, die seit mindestens einem Jahr regelmäßig Cannabis rauchen, also eher gewohnheitsmässige – vielleicht sogar tägliche – Kiffer sind. Sie werden das Marihuana entweder in Apotheken, in einem «Drogeninformationszentrum» oder in speziell dafür eingerichteten «Social Clubs» kaufen können. Zu staatlich subventionierten Preisen und ohne den lästigen Hürdenlauf der illegalen Beschaffung.

Die Bezugsstellen sollen eine «individuelle Beratung» bieten und so die gesundheitlichen Risiken minimieren. Das Verkaufspersonal wird im Vorfeld auf seine hochkomplexe Aufgabe vorbereitet, und die Marihuana-Pflanzen, die für den Testbezug vorgesehen sind, werden selbstverständlich streng biologisch gezüchtet. Alles ganz wunderbar, klinisch, gesund und nicht nur erlaubt, sondern von höchster Stelle erwünscht. Dürfen sich jene, die auserwählt werden, nicht glücklich schätzen?

Ich habe schon viele Gewohnheitskiffer kennengelernt, jüngere und auch ältere, und ich habe mit Kiffern zusammengewohnt. Und bei all diesen Süchtigen – die so süchtig sind wie regelmässige Trinker – gewann ich immer wieder denselben Eindruck. Kaum haben sie sich berauscht, entspannen sie sich. Sie werden gemütlich und unkompliziert. Dann sind sie die «fröhlichen Kiffer», wie sie seinerzeit Polo Hofer in seinem lustigen, unvergesslichen Liedchen besungen hat.

Aber eigentlich bleiben sie alle immer ein wenig passiv und ungefährlich. Das ist für mich die simple Erklärung, warum ein legaler Cannabiskonsum von staatlicher Stelle moralisch gefördert, wissenschaftlich verkleidet und finanziert wird. Es gefällt dem Staat, wenn seine Bürger zufrieden sind, wenn sie nicht widersprechen und aufbegehren, weil die Schweiz halt eine Demokratie ist. 

Viel lieber – das wissen wir – hat die Obrigkeit Untertanen, die brav ihre Ausbildung und ihre Arbeit machen, ihre verdiente Freizeit genießen und dazwischen eins kiffen, um sich zu beruhigen und abzulenken, ganz im Sinne von Aldous Huxleys «Schöner neuer Welt», wo die Menschen mit kleinen, glücklichen Pillen neutralisiert und gebrochen werden. Ist es nicht an der Zeit, Haschisch und Marihuana aus dem Betäubungsmittelgesetz zu entlassen? Der Gesetzesname erinnert doch etwas ärgerlich an den Verwendungszweck eines Betäubungsmittels. Aufwecken soll es die Menschen nicht.

Über

Nicolas Lindt

Submitted by admin on Di, 11/17/2020 - 00:36

 

Nicolas Lindt (*1954) war Musikjournalist, Tagesschau-Reporter und Gerichtskolumnist, bevor er in seinen Büchern wahre Geschichten zu erzählen begann. In seinem zweiten Beruf gestaltet er freie Trauungen, Taufen und Abdankungen. Der Autor lebt mit seiner Familie in Wald und in Segnas.

Bücher von Nicolas Lindt

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Kommentare

Kiffen ist eine psychische Abhängigkeit

von juerg.wyss
Ich muss den Nicolas eines besseren belehren. Kiffen ist nicht die selbe Abhängigkeit wie die eines Trinkers. Ein Trinker zeigt Entzugserscheinungen, wenn er keinen Alkohol hat. Der Kiffer zeigt keine körperlichen Entzugserscheinungen. Dieses Detail wird viel zu oft nicht berücksichtigt. Als Langzeitkiffer muss ich auch die psychische Abhängigkeit in Frage stellen, so macht es mir gar nichts aus, dass ich seit drei Wochen nicht gekifft habe. Auch muss ich den Ausdruck "legalisieren" als äusserst fragwürdig bezeichnen. Wenn man ein bestehendes Gesetz streicht, welches den Kauf und die Weitergabe von Cannabis streicht, dann wird das nicht legalisiert, es wird entkriminalisiert. Da der Staat aber nicht das Gesetz der Weitergabe streichen will, macht er sich zu einem legalen Dealer, der sich mithilfe der Gesetze sein Monopol sichern will. Der Konsum von Cannabis ist seit jeher "legal", d.h. erlaubt. So geht es in dieser Studie nicht um den Konsum sondern um den Kauf, was aus meiner Sicht eine Studie der Dealer sein sollte und nicht der Konsumenten. Aber was solls. Gesetze verhindern eh keine Verbrechen, sie legalisieren nur die Bestrafung!