Heute anders #6: «Ich habe mich aus einem Gefängnis befreit»

Für Musikschaffende gibt es praktisch nichts Schlimmeres als das Verbot, Konzerte zu geben. Mit ihrer «Kultur-Oase» hat die Musikerin Eva Elisabeth Schreyer-Puls einen Weg gefunden, «heute» alles anders zu machen.

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Von einem Tag auf den anderen konnte ich keine Konzerte mehr geben, und bis Mitte Mai durfte ich auch nicht mehr physisch unterrichten. Mit anderen Worten wurde mir alles verboten, was mein Berufsleben ausmacht. Dass ich mich finanziell über Wasser halten konnte, verdanke ich nur meinen Schülerinnern und Schülern, die mich in dieser Zeit unterstützten und weiter für Unterricht bezahlten, den sie grösstenteils gar nicht in Anspruch nehmen konnten. Ich hätte versuchen können, Entschädigungsleistungen zu bekommen, doch als selbständige Künstlerin ist es schwierig zu belegen, wieviel Ausfall man tatsächlich zu beklagen hat. Kolleginnen und Kollegen, die den bürokratischen Aufwand in Kauf nahmen, erhielten nur wenige Franken pro Tag – viel zu wenig, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Viele wurden durch den politischen Umgang mit Covid-19 im Laufe der Zeit gezwungen, etwas anderes zu arbeiten.

Kunst und Musik sind nicht nur mein Beruf, sondern auch meine Berufung. Der Entzug meines Grundrechts auf freie Berufsausübung war ein wahnsinniger Einschnitt in mein Leben, eine Art Schockzustand. Mir wurde der Boden unter den Füssen weggezogen. Ich wurde zum Verstummen gebracht – so fühlte sich das an! Die Begegnung mit dem Publikum ist einer der wichtigsten Momente des Künstlerseins – das Gefühl, etwas von seiner Kunst nach aussen tragen zu können. Das mir der Staat das von oben herab verbieten konnte, hat mich richtig krank gemacht. Ich habe mich gefühlt wie in einem Gefängnis. Doch dann gab ich mir einen Ruck und sagte mir: Jetzt muss ich meine Kreativität für mich einsetzen, um aus dieser Situation das Beste zu machen und mich selbst aus diesem hilflosen Stillstand zu befreien. So entstand die Idee der Kultur-Oase: Privat-Konzerte im kleinsten Rahmen, um Menschen einmalige, wohltuende Kunst-Momente zu bescheren.

Unter dem Schlagwort Geist-Reich Feiern habe ich schon früher, vor Corona, kultivierte Festgestaltung übernommen, für Geburtstagsfeiern, Hochzeiten, Jubiläen oder Verabschiedungen. Durch die Ausweitung meines Equipments, zum Beispiel eines mobilen Elektropianos, kann ich jetzt zu den Leuten nach Hause kommen. Für wenige Zuhörerinnen und Zuhörer zu spielen – zeitweise waren ja nur 5 Personen erlaubt –, war ein ganz neues Konzerterlebnis. Man ist so hautnah beim Publikum, wie dies in einem öffentlichen Konzert nie möglich wäre. Das ergibt eine ganz andere Intensität. In den letzten Wochen war ich mit dem Frühsommerprogramm «Die Kraft der Erneuerung» unterwegs, das die lebensprühende Kraft des Frühlings und die lichterfüllte Heiterkeit sommerlichen Lebensgefühls künstlerisch beleuchtet.

Für diese Aufführungen verlange ich kein fixes Honorar, sondern spiele für alle, die sich danach sehnen, unabhängig vom Portemonnaie. Es hat ein wenig Mut gekostet, das Honorar freizustellen, und manchmal habe ich viel erhalten, andere Male wenige. Doch auf eigentümliche Weise hat sich das immer ausgeglichen. Für mich ist es wichtig, dass Menschen, die das Bedürfnis nach Musik und Kunst  haben, in ihren Genuss kommen können. Denn: Kunst tut gut! Gerade in schweren Zeiten braucht auch das Innere des Menschen seine Oasen, um sich zu erholen. Menschen zu ermöglichen, Kunst hautnah zu erleben – das ist mein Beitrag für positive Entwicklungen in dieser Welt. Und die neuen Rahmenbedingungen für meine Auftritte gefallen mir so gut, dass ich sie auf jeden Fall beibehalten will, auch wenn das öffentliche Konzertleben wieder startet und die Corona-Zeit vorbei ist.

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