3 Lebensfragen an Daniele Ganser
Trotz scharfem Gegenwind engagiert sich Daniele Ganser als Historiker und Friedensforscher für die Arbeit am inneren und äusseren Frieden. Er wünscht sich, dass wir Menschen lernen, Konflikte gewaltfrei und im achtsamen Dialog zu lösen.
Zeitpunkt: Welcher Moment hat dein Leben in eine andere Richtung geführt? Ein Wendepunkt?
Daniele Ganser: Meine Forschung zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 war ein Wendepunkt in meinem Leben. Zum fünften Jahrestag der Anschläge, im September 2006, habe ich im Tages-Anzeiger einen langen Artikel zum Einsturz vom World Trade Center 7 (WTC7) veröffentlicht. Ich war damals an der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik der ETH Zürich angestellt. Anders als die Twin Towers wurde WTC7 nicht durch ein Flugzeug getroffen, stürzte aber am 11. September 2001 trotzdem zusammen. Das kam mir sehr merkwürdig vor und ich forschte nach. Im erwähnten Artikel zitierte ich zwei Baustatiker der ETH Zürich, die beide sagten, WTC7 sei mit grösster Wahrscheinlichkeit gesprengt worden.
In der Geschichtsschreibung haben wir die Regel: Zuerst das Ereignis, dann der Bericht!
Merkwürdig fand ich auch, dass die BBC zwanzig Minuten zu früh, also als das Gebäude noch stand, über den Einsturz von WTC7 berichtete. In der Geschichtsschreibung haben wir die Regel: Zuerst das Ereignis, dann der Bericht! BBC musste einige Jahre später einräumen, dass das ein Fehler war. Ich kam zum Schluss, dass wir nicht ehrlich über diese Terroranschläge informiert wurden. Die US-Botschaft und einige Medien kritisierten mich nach der Publikation des Artikels im Tages-Anzeiger umgehend als Verschwörungstheoretiker. Ich habe mich aber nicht einschüchtern lassen und in meinen Vorträgen und Büchern weiterhin über WTC7 gesprochen und gesagt, dass das Gebäude meiner Ansicht nach gesprengt wurde. Meine Frau hat mir geraten, immer bei der Wahrheit zu bleiben, auch wenn es anstrengend ist, und dafür bin ich ihr sehr dankbar.
Wenn du für einen Tag die Schweiz regieren könntest: Was würdest du verändern?
Ich würde Waffenexporte verbieten und die Schweizer Neutralität wiederherstellen. Nach dem illegalen Angriff von Russland auf die Ukraine am 24. Februar hat die Schweiz leider ihre Neutralität aufgegeben und die Wirtschaftssanktionen der EU gegenüber Russland übernommen. Jetzt steht die Schweiz aus der Sicht von Russland auf der Seite der Feinde. Das halte ich für falsch. Die Schweiz hätte dem Druck aus den USA und der EU wiederstehen und neutral bleiben sollen. Die Schweiz hat auch keine Sanktionen gegen Deutschland verhängt, als das Land 1999 illegal Serbien bombardierte. Auch nicht gegen die USA und Grossbritannien, als diese 2003 illegal den Irak angriffen. Oder gegen Frankreich, als Paris 2011 Libyen bombardierte. Wir müssen die Neutralität auch dann wahren, wenn andere Länder illegale Kriege führen.
Deine Vision der Welt 2050? – und wo siehst du dich dann selber?
Hoffentlich lernen wir, Konflikte ohne Gewalt, mit Achtsamkeit im Dialog, zu lösen. Der Mensch hat immer die Wahl, einen Konflikt mit oder ohne Gewalt zu lösen. Ich persönlich engagiere mich in der Friedensforschung und orientiere mich am UNO-Gewaltverbot, das seit 1945 internationale Kriege verbietet. Leider wird das Gewaltverbot oft gebrochen, ist aber trotzdem richtig und wichtig. Ich denke, als Menschheitsfamilie haben wir durchaus das Potential bewusster zu werden und aus der Gewaltspirale auszusteigen. Zudem bin ich fest davon überzeugt, dass wir die grössten Probleme im 21. Jahrhundert nicht mit Gewalt lösen können.
Wenn ich dann noch lebe und meine Gesundheit es erlaubt, werde ich das gleiche machen wie heute, weil ich das als meine Berufung empfinde: Ich engagiere mich für den Frieden und kommuniziere mit anderen Menschen, die sich auch für den inneren und äusseren Frieden interessieren. Ich untersuche als Historiker weiterhin internationale Konflikte und werfe etwas Licht auf die verdeckte Kriegsführung, die oft im Dunkeln liegt. Ich finde das ist eine sehr spannende Aufgabe, die ich sehr gerne noch einige Jahre machen werde.
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