Chapeau! – für den Schutz von Whistleblowern
Über 40 Prozent der Wirtschaftsdelikte kommen nur auf Grund von internen Hinweise ans Licht – dank so genannten Whistleblowern. Doch weil sie die Machenschaften von Unternehmen und Regierungen aufdecken, werden sie vielerorts kriminalisiert. Bei der Whistleblowing-Stelle der Eidgenössischen Finanzkontrolle sind letztes Jahr mehr als doppelt so viele Meldungen eingegangen wie im Vorjahr. Doch Whistleblower sind in der Schweiz gesetzlich nicht gut geschützt. Dies will das Projekt Swiss Leaks mit einer Online-Plattform und proaktiver Kampagnenarbeit ändern.
Eins meiner ersten journalistischen Vorbilder war Günter Wallraff, der mit Undercover-Reportagen soziale Missstände entlarvte. Seine Methoden wurden immer wieder kritisiert – dennoch wurde der heute 78-Jährige anlässlich des Deutschen Fernsehpreises 2016 für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Im Grunde war Wallraff ein Vorläufer der heutigen Whistleblower, auch wenn die Recherchemethoden in den 70er- und 80-er Jahren noch analog statt digital waren.
Die fragwürdigen Machenschaften von Regierungen und Unternehmen sind inzwischen nicht weniger geworden – doch gegen Menschen, die sie aufdecken, wird teilweise heftig vorgegangen. Julian Assange, der Korruption und Kriegsverbrechen der US-Streitkräfte öffentlich gemacht hat, soll zu 175 Jahren Haft verurteilt werden. Doch solche Absurditäten passieren nicht nur in den USA. Wie eine Reportage des Online-Magazins «Republik» 2018 zeigte, wurden die Dokumente des Bauunternehmers Adam Quadroni von den Behörden jahrelang nicht beachtet. Und dies, obwohl sie handfeste Beweise für Preisabsprachen eines Baukartells beinhalteten, in welches nicht nur zig Bündner Firmen verwickelt waren, sondern auch diverse Politiker. Statt die Vorkommnisse als Skandal zu bewerten und Quadroni zu feiern, wurde dieser systematisch diffamiert und unter Anwendung von Polizeigewalt in eine psychiatrische Klinik gebracht.
Solche Fälle zeigen, wie wichtig der Schutz von Whistleblowern und Enthüllungsjournalisten wäre. Doch davon sind wir in der Schweiz weit entfernt. «Sie werden von der Judikative und Legislative systematisch verurteilt und massiv gegängelt», heisst es auf der Online-Plattform «Swiss Leaks». Dort wird die Identität von Whistleblowerinnen und Whistleblowern geschützt, wenn sie heikle Daten und Dokumente hochladen.
Swiss Leaks wurde 2018 von der Kampagnenorganisation Campax ins Leben gerufen. Und die Enthüllungsarbeit ist bitter nötig: 2019 kam es in einem Drittel aller Schweizer Unternehmen zu illegalem oder unlauterem Verhalten. Dies zeigte der Whistleblowing Report, in dessen Rahmen fast 1400 britische, französische, deutsche und Schweizer Firmenvertreter befragt wurden. Swiss Leaks half in diversen Fällen bei der Aufdeckung von Fehlverhalten. Zum Beispiel durch die Kampagne #EYtoo, die erreichte, dass ein Vorgesetzter der Beratungsfirma Ernst&Young Switzerland entlassen wurde, weil er eine Mitarbeiterin zuerst sexuell belästigt und dann gemobbt hat. Schutz und Transparenz zu gewährleisten, wäre laut den Initianten von Swiss Leaks eigentlich die Aufgabe des Staates. Allerdings nehme er diese zurzeit nur ungenügend wahr.
Wir ziehen den Hut vor Campax und den Gründerinnen und Gründern von Swiss Leaks, die nicht nur für mehr Transparenz sorgen, sondern durch ihre kreative und engagierte Kampagnenarbeit proaktiv Druck auf Unternehmen und öffentliche Institutionen ausüben, in denen Missstände vertuscht werden.
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