Der Stoff, aus dem wir sind – und warum wir nicht schützen können, was wir nicht verstehen
Aus Eiern schlüpfen Küken, aus Samen wachsen Blumen, aus Embryonen werden Menschen. Bei unbelebten Dingen ist dies nicht so, und doch zerfallen Steine und Menschen am Ende zu Staub. «Das wissen wir doch!» höre ich Sie brüllen. Doch, der grösste Feind der Erkenntnis ist die Illusion des Wissens. Aus der Serie: «Vom Geschöpf zum Schöpfer» von Andreas Beers. Teil 3.
Wir kämpfen und schützen rund um die Uhr, «auf Teufel komm raus». Zumindest glauben wir dies und verleihen uns dabei die höchsten Auszeichnungen. Wir sind dabei nachhaltig bis zum Abwinken: Nachhaltiger Klimaschutz, nachhaltige Gesundheitsfürsorge, nachhaltige humanitäre Interventionen, nachhaltige Bestattungsdienste – ich frage mich, ob sie mit Komposttees und Effektiven Mikroorganismen arbeiten? Wir sind so penetrant nachhaltig im Vorstellen, dass wir wirklich schon glauben zu sehen, was nicht ist. Und was ist, das übersehen wir, nachhaltig! Vielleicht ist gerade das des Pudels Kern, warum wir die Geschlechter abschaffen wollen und mit unseren Handys durch die Welt «singeln», die CO2-Bilanz noch nicht im Lot ist, oder wir noch immer Kriege führen müssen.
Grundsätzlich gibt es zwei Gründe, warum etwas, was ich mir vornehme, nicht gelingt: Erstens, wenn ich nicht wirklich Willens bin, und zweitens, wenn ich das, was ich tun oder verändern will, nicht verstehe. Ich bin überzeugt, dass es sich bei den grossen Dingen der Welt genauso verhält. Am Beispiel des Krieges in der Ukraine ist meine Analyse dazu wie folgt: 1.0 Promille der Menschheit will keinen Frieden, behauptet es aber. 90 Prozent will es, aber versteht nachhaltig nichts davon. 9,999 Prozent will es und versteht etwas davon und fängt gerade an zu begreifen, dass wir umdenken müssen.
Das mit dem Können ist also nicht das Problem, wenn man wirklich will und nachdenkt. Meine stärkste Motivation zum Willen erwächst immer aus Vertrauen in die Sinnhaftigkeit einer Sache und gleichzeitig aus der Bereitschaft und Offenheit diese verstehen zu wollen. Das Ganze verhält sich dann wie die Die unendliche Geschichte von Michael Ende, und wie die Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beisst, auf dessen Einband. Vertrauen und Sinnhaftigkeit stärken den Willen für die Bereitschaft und Offenheit einer Sache. Dies führt zu zunehmender Erkenntnis die wiederum ersteren Vorschub leisten. Erkenntnis schöpfen wir im Er-(Leben), aus der darin gemachten Erfahrung, und durch deren Reflexion gewonnenen Gewissheit.
Verstehen heisst nicht, dass man alles wissen muss, sondern dass man bereit und offen ist zu lernen. Dies verändert unsere Gedanken und Wahrnehmung, Kraft derer wir die Welt gestalten. Beginnen wir also mit den grundlegenden Dingen: Materie und Form, aus der die Erde und alles Lebendige besteht, sind vergänglich. Dies bedeutet, jegliche Substanzen und Formen zerfallen früher oder später, auch meine Grossmutter und ich selbst. Was die Materie zum Leben erweckt, zieht sich zurück und vergeht. Alles Lebendige entsteht durch Licht und geht dorthin zurück. Materie und Leben sind auf der einen Seite die Ausdrucksmöglichkeit des Geistes in der Welt und gleichzeitig ist Sie oder Er deren Ursprung. «B`ereschit bara elohim et haschamajim w`et ha`arez» – Im Urbeginn schufen die Götter die Himmel und die Erde: Das ist ein schwacher Ausdruck in unserer Sprache dessen, was eine lebendige Gewissheit derer war, die im hebräischen Altertum die Eingangsworte der Genesis niederschrieben. Wir können sie, die Genesis, nicht mit aktuellem Wissen ergründen, aber wir können offen und Willens sein sie zu verstehen und werden dann, was sie uns vermitteln will, in der Welt wiederfinden.
Als ich ein kleiner Junge war, starb mein Goldhamster. Meine Grossmutter sagte: «Das ist nicht schlimm, alle müssen einmal sterben». Nach kurzem Überlegen fragte ich: «Du auch Grossmutter?» «Selbstverständlich», sagte sie, «aber ich werde immer bei dir sein.» Ich war beruhigt und im Frieden. Als sie starb, erinnerte ich mich an ihre Worte und plötzlich war sie «da» in ihrer ganzen Güte und Wärme.
Dasjenige, was man die Genesis nennt, beginnt nicht mit der Beschreibung irgendeines Sinnlichen, nicht mit der Darstellung von irgendetwas, was Augen sehen könnten in der physischen Welt. Genau so wenig konnte ich meine Grossmutter nach ihrem Tod sehen, aber empfinden konnte ich das Wesen ihrer Güte und Wärme in mir. Und diese blieb mir erhalten durch alle Zeit. Wenn äussere Kälte zu lange in unsere Hände eindringt, zieht sich das Lebendige zurück. Dauert dieser Zustand über einen gewissen Zeitraum an, sterben unsere Finger ab, sie müssen amputiert werden, sonst schädigen sie den Rest des Körpers. Wenn Seele und Geist im Tod den menschlichen Leib verlassen, wird er kalt. Der physische Körper zerfällt. Mit dem ersten Atemzug schlüpfen wir heraus in die Welt, mit dem letzten hinein in eine andere. Geist und Seele bleiben «leuchtend» erhalten durch Raum und Zeit.
«Vier Welten» und ein Verstand, um sie zu erkennen. Die Unbelebte Materie, dies ist die «Erste Welt», verändert sich nur durch physikalisch-chemische Gesetzmässigkeiten. Organisches Wachstum jeglicher Art unterliegt den Gesetzen des Lebendigen, des Ätherischen, das in verschiedenen Qualitäten vorkommend wirkt, dies ist die «Zweite Welt». Beseeltes organisches Leben bildet einen Innenraum in der sich die Sinneswelt spiegelt und in unterschiedlicher Weise Reaktionen auslöst. Der Grad der Beseeltheit eines Lebewesens, zeigt sich auch im anatomischen Aufbau des Auges und im «Blick» desselben. Schauen sie in die Augen von Menschen, Hunden, Katzen, Kühen, Schlangen und Spinnen und sie werden die Unterschiede empfinden erkennen – dies ist die «Dritte Welt». Die Lernfähigkeit und Ausbildung des Innen- und Aussenbewusstseins, die einem Wesen möglich ist, ist Ausdruck seines sich inkarnierenden individuellen Geistes, dies ist die «Vierte Welt».
Mit der Erkenntnis, die wir im Denken erreichen und mit dem Herzen empfindend prüfen können, verstehen und schützen wir die Welt und damit auch uns selbst. Sprich: Ecco Homo – oder die Frage will ich Geschöpf oder Schöpfer sein?
In dieser Serie bereits erschienen:
Teil 1. Wir glauben alles, wissen nichts und haben die Wahrheit gepachtet
Teil 2. Wahrheit und Wissenschaft – drei Fragen nach der Erkenntnis von Welt und Sein
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Andreas Beers aus Bern ist Landwirt, Arbeitsagoge und Lehrer. Er kultiviert die Erde, sät und erntet, er denkt, spricht und schreibt über: Mensch, Erde und Himmel, oder was wir zum Leben brauchen.
«Im Herzen webt Fühlen, im Haupt leuchtet Denken in den Gliedern kraftet Wille - webendes Leuchten, kraftendes Weben, leuchtendes Kraften.» (Rudolf Steiner)
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