Eine Türe geht zu, damit eine andere aufgehen kann

So das Lebensmotto von Wolfgang Zwiauer. Der Musiker, Akkordarbeiter und Konzepter lebt in Bern, ist aber, wenn die Welt nicht verrückt spielt, oft unterwegs. Denn seit mehr als dreissig Jahren musiziert er in verschiedenen Formationen auf den Bühnen der Schweiz. Als wir Zwiauer Anfang 2021 interviewten, waren wir noch mitten in der Coronakrise. Damals erzählte er uns, wie er als Künstler die Zeit ohne live Konzerte und mit all den Restriktionen erlebte. Wir wollten wissen, wie es dem 49-Jährigen heute geht. Aus der Serie «Was ist aus uns geworden?»

© zvg

Zeitpunkt: Wie sieht deine Arbeit heute aus?

Wolfgang Zwiauer: Ich fange wieder an im Kulturbetrieb zu spielen und stecke gerade in der Vorbereitung einer Buch-Tour mit dem Schriftsteller Arno Camenisch, bei der ich die Musik beisteure. Parallel zum Musikerberuf, bin ich in einer nachhaltig orientierten Architekturfirma tätig und lerne die verschiedensten Felder zwischen Reparaturwerkstatt, Kommunikation und Kreislaufbauwirtschaft kennen.
 

Was hat sich seit Corona in deinem Leben verändert?

Ich habe meine Hochschuldozentenstelle nach 21 Jahren gekündigt, um neue Inhalte in mein Leben einzuladen. Heute arbeite ich bei der Entstehung und Kommunikation eines Massivholzhochhauses mit. Ein zukunftsprägendes Projekt, das eine völlig neue Sinnhaftigkeit mit sich bringt. Die Schliessung der Kulturbetriebe war ein Tipping Point, der neue Türen aufmachte und die Perspektive veränderte. Es gibt so viel Interessantes und Nötiges zu tun! Die Liebe zur Musik verändert sich und hat immer noch ihren Stammplatz in meinem Leben.
 

Geht es dir heute besser oder schlechter als vor Beginn der Coronakrise?

Mir geht es insofern besser, weil ich mehr denn je spüre, dass es mir gar nie so gut ging, wie ich dachte. Alles wird realistischer und dadurch auch entspannter.
 

Haben sich deine Beziehungen verändert?

Meine liebsten und engsten Freunde konnte ich schon vorher an einer Hand abzählen, und die meisten sind mir erhalten geblieben, zum Glück. Einzig eine langjährige Freundschaft hat gelitten unter mangelndem Respekt für unterschiedliche Auffassungen über die Ereignisse der letzten zwei Jahre und deren Widerspruch zwischen Narrativ und Bauchgefühl. Die Dynamik in unserer Familie mit den grossen Teenagern ist sich konstant am Wandeln, und es bleibt immer wieder sehr spannend, liebevoll und abgründig.

Ein einschneidendes Erlebnis der letzten zwei Jahre?

Eine Hobbykrankenschwester im Schnelltest-Center eines Nachtclubs probiert mein Hirn mit einem Stäbchen auszukratzen, ich bin einer Massnahme ausgeliefert, die ich nicht verstehe. Ausserdem: Es ist grausam auf der Seite der Skeptiker in einer Minderheit zu stehen und von Medien und Menschen in eine Ecke gestellt und der Unsolidarität beschuldigt zu werden. Das werde ich so schnell nicht vergessen – und etwas draus machen!

Hoffnungen und Sorgen für die Zukunft?

Ich mache mir Sorgen, dass die Aufarbeitung der Gesundheits- und Informationskrise nicht genug Transparenz erleben wird und unberechtigte Schlussfolgerungen zu übertriebenen Einschränkungen führen.

 
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