«Hört auf nur zu sanieren, lasst uns endlich beginnen, Schulen zu konzipieren»

Einen neuen Anstrich und fertig. Viele der Schulhäuser sind aber über hundert Jahre alt und entsprechen nicht mehr den Bedürfnissen von Schülern und Lehrern. Der Architekt Justus Asselmeyer in Hamburg dazu: «Unsere Schulbauten sind ein Skandal aus Vernachlässigung und unmenschlicher Architektur.»

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In Deutschland gibt es aktuell rund 40.000 Schulgebäude. Viele davon bereits weit über hundert Jahre alt. Dass eine Vielzahlt der Gebäude nicht einmal im Ansatz den Erkenntnissen moderner Didaktik oder pädagogischer Architektur entsprechen, erscheint klar.

«Unsere Schulbauten sind ein Skandal. Die meisten Firmenmitarbeiter würden sich weigern, in solchen Räumen zu arbeiten. Aber unseren Kindern und Millionen und Abermillionen Schülern mutet man das tagtäglich zu. Derzeit wird nur eine Art unverzeihliche Fleckenteppich-Sanierung betrieben. Unser Konzept von moderner Schularchitektur ist radikal und lautet: Jeder Schüler ist ein V.I.P. – eine very individual person – und muss auch so behandelt werden. Das müssen uns unsere Kinder doch um Gottes Willen wert sein», sagt der deutsche Architekt Justus Asselmeyer, der sich für menschliche Architektur und Architektur mit Identität einsetzt. 

Der aktuell aus dieser Vernachlässigung resultierende immens hohe Investitions-Rückstand von rund 45 Milliarden Euro im Schulbau, laut Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW, ist ein Armutszeugnis für Deutschland. Asselmeyer will daher einen grundlegenden Wandel in der architektonischen Konzeption von Schulgebäuden auf den Weg bringen.

«Lasst uns endlich aufhören, katastrophale Klassenzimmer einfach nur zu sanieren, der Lernort für die Schüler ist der wichtigste Raum zwischen Aktion und Interaktion und massgeblich für Lernerfolg. Wir müssen im 21. Jahrhundert Schulen endlich architektonisch grundlegend neu denken. Denn jeder Schüler und Lehrer verdient es, in einer nutzungsoptimierten und würdevollen Architektur zu lernen und zu arbeiten, in der sich Menschen wohlfühlen und sich entfalten können», so der Experte, der sein Architekturbüro in Hamburg hat.

«Nur, wer weiss, wie Gebäude auf Menschen wirken, hat ihren Sinn verstanden.»

Sanierung bedeute heute meist nur: neuer Anstrich auf altes, eigentlich längst unbrauchbares Mauerwerk. Egal, ob Sanierung oder Neubau: Für die Grundlagenermittlung und die erste Konzeptionsphase bei einem Schulprojekt ist die Frage nach dem «für wen» die Wichtigste! «Man muss sich als Bauherr und Architekt die Frage stellen: Wer sind die Schüler, die dieses Gebäude nutzen werden? Wer sind die Lehrer? Wie ist der regionale und thematisch bezogene Schwerpunkt des Gebäudes? Vor allem aber auch: Was ist an dieser einen Schule und ihrem pädagogischen Konzept einzigartig? Und wie lernen Schüler am besten, welche Umgebung ist dazu notwendig? Nur, wer weiss, wie Gebäude auf Menschen wirken, hat ihren Sinn verstanden», so Justus Asselmeyer.