«Ich habe immer Vielfalt erzeugt»

Achim Ecker (63) baut seit über 30 Jahren Biotope auf – sowohl in der Natur als auch unter Menschen. Er beantwortet mir «drei Fragen» über die Zukunft an meinem «Tag für die Natur» in Portugal.

Achim Ecker. Foto: (C) Christa Dregger

Ich ziehe Reisig und Äste aus dem Wald und schichte sie um ein Erdloch. Später sollen sie hier zu Biokohle verköhlert werden – Grundstoff für Terra Preta, das schwarze Gold für den Humusaufbau. Dann pflanzen wir Bäume – Zypressen als Brandschutz und Kasuarinen als Pionierbäume zwischen die vielen kleinen Korkeichensämlinge, die hier von selber austreiben. Vor 30 Jahren war hier kahler Boden. Der Landbesitzer und ökologische Selbst-Lerner Achim Ecker baut hier – in der Nachbarschaft der Friedensgemeinschaft Tamera – einen essbaren Wald der Vielfalt auf. Solche Inseln sind hoffnungsvoll für die Zukunft. Aber können sie wirklich die drohende Dürre aufhalten?

 

Frage: Du hast in über 30 Jahren hier und auch in der ZEGG-Gemeinschaft in Brandenburg Biotope der Vielfalt aufgebaut. Langsam sieht man die Erfolge deiner Mühe. Ich erinnere mich daran, wie es im ZEGG aussah, bevor du anfingst. Es gab damals einzelne Bäume, aber es war eher eine Art Industriebrache. «Wiesen» sahen aus wie ein Strand mit ein paar Halmen. Heute sind die Büsche so dicht, dass man kaum durchkommt, man kann überall etwas ernten und naschen. Pfirsiche, Wal- und Haselnüsse und Mirabellen säen sich selbst aus. Viele Vögel, Eichhörnchen und sogar Rehe leben jetzt hier. Wie hast du das gemacht, was war deine Leitlinie? 

 

Achim EckerIch liebe Wald. Vor allem dichten Wald, wo keine Sonne mehr auf den Boden fällt. Ganz am Anfang hier wollte ich einmal einen Mittagsschlaf machen und habe dazu einen Platz im Schatten gesucht. Ich habe mich in einen dichten Eukalyptuswald aufs trockene Laub gelegt und schlief ein. Ich wachte schweissnass wieder auf, als ein fussballgrosser Sonnenfleck über mein Bein wanderte. Aha, dachte ich da, ich brauche für meinen Mittagsschlaf einen Wald, wo keine Sonne mehr auf den Boden fällt. Das ist auch mein ökologisches Leitbild: 100 Hektar dichter Wald mit 15 m hohen Bäumen hat laut Masanobu Fukuoka das Potential, das Mikroklima zu verändern. Hier und im ZEGG in Brandenburg gibt es zwei völlig unterschiedliche Bodentypen, aber in beiden Gebieten ist es ziemlich trocken. Es hat mich interessiert, ob man die Natur zurückholen kann. 

In Brandenburg gab es überhaupt nur Sandboden. Also musste ich Boden aufbauen und habe dazu vieles ausprobiert und gelernt. Ich habe Laub von der ganzen Stadt liefern lassen und es jedes Jahr mit Ton auf unserem Boden ausgebracht und Gründüngung gesät. Das half. Mittlerweile arbeite ich vor allem mit Terra Preta, um Humus in den Boden zu bringen. Ich wusste, auf einem gesunden Boden wachsen gesunde Pflanzen. Die liefern gesunde Lebensmittel für Menschen. 

ZEGG

Baumpflanzaktion im ZEGG

 

Ich habe immer Vielfalt erzeugt. Habe alles, was in diesem Biotop wachsen könnte, ausprobiert, angepflanzt, ausgesät. Wenn es gekommen ist, gut. Wenn nicht, war es ein Zeichen, dass es nicht dahin gehört. 

Am Anfang, als der Boden noch schlecht war, ist nichts von selber gewachsen. Jetzt kann es gut passieren, dass wenn man seinen Apfelbutzen ins Gebüsch wirft, dass dort ein Apfelbäumchen wächst. Das kann man später veredeln mit einer Sorte, die man gerne hätte. Die vielen Walnussbäume, Haselnüsse und Eichen wachsen überall, weil die Eichelhäher und Eichhörnchen die Nüsse vergraben und damit die Bäume aussäen. Das ist jetzt ein selbstragendes System, weil der Boden inzwischen gut genug ist, dass er das unterstützt. Obwohl in der zunehmenden Dürre dann auch einiges eingeht.

Ich baue einen sozialen Boden der Vielfalt auf, auf denen dann seelisch gesunde Menschen erwachsen werden können.

 

Frage: Dein zweiter Beruf ist es, Gemeinschaften anzuleiten und zu begleiten. Also einerseits baust du Pflanzengemeinschaften, andererseits Menschengemeinschaften. Was für Parallelen siehst du? Und wenn Menschen heilen, können sie dann nicht auch die Natur heilen?

 

Achim Ecker: Bei beidem, in der Natur und bei Menschen, geht es vor allem darum, Boden aufzubauen. Wenn der Boden gesund ist, baut sich das ganze Leben auf, von Mikroorganismen über Insekten, Vögel und grössere Tiere. Vielfalt ist immer ein Schlüssel für Gesundheit. 

Dasselbe gilt für den sozialen Bereich. Ich baue einen sozialen Boden der Vielfalt auf, auf denen dann seelisch gesunde Menschen erwachsen werden können. Aber es gibt auch Unterschiede. Wenn Menschen zusammenleben, brauchen sie eine klare Ausrichtung. Ein Wofür und Wohin. In der Natur ist die Ausrichtung schon da: Das Leben. Selbst in der Wüste gibt es Leben oder in Schwefelquellen auf dem Meeresboden, wo kein Licht mehr hinfällt. Das Leben findet immer einen Weg. Wenn Menschen keine traumatischen Störungen hätten und frei aufgewachsen wären, dann hätten sie diese Ausrichtung auch ganz von selbst. Aber so braucht es einen Rahmen, in dem Menschen sich sicher fühlen, gehalten werden und heilen können.

ZEGG

Frühling im ZEGG

 

Was die Heilung der Natur angeht: Was ich im ZEGG oder hier in Portugal mache, ist flächenmässig zu klein, um einer zunehmend trockener werden Landschaft zu bestehen. Es wird höchstens ein wenig länger überleben. Um wirklich ein resilientes System zu erzeugen, bräuchte man ein einige hundert Hektar dichten Wald. Den aufzuforsten, ist eine ganz schöne Strecke. Aber es geht. Ob private Initiativen allein dazu reichen, weiss ich nicht. Eine staatliche, grossräumige, länderübergreifende Initiative wäre angesichts der dramatisch zunehmenden Trockenheit angebracht. Am besten mit Methoden wie Terra Preta, wo viel Biokohle drin ist. Diese bindet CO2, das dann für mehrere tausend Jahre aus der Atmosphäre in den Boden einlagert wird – bis genügend Biomasse und Wälder weltweit angepflanzt sind, die CO2 binden. Die Wälder werden vor allem durch ihre Verdunstung den Planeten wieder kühlen. Denn grüne Flächen sind wie eine Klimaanlage, sie verdunsten Wasser. Jede Fläche, wo keine Wälder mehr sind, heizt sich auf. Deshalb sehe ich als Ursache für die Aufheizung des Planeten, dass viel zu viel abgeholzt wurde.

Menschen, die sich mit sich und miteinander zu Hause fühlen, können auch den Planeten zu einem Zuhause machen. 

 

Frage: Die meisten Menschen zerstören die Natur, weil sie unter ökonomischen Zwängen stehen. Was du hier rudimentär aufbaust – könnte das nicht auch der Anfang von einem Biotop sein, von dem man sich auch ernähren könnte – also eine Alternative zu unserer Abhängigkeit von der bestehenden Ökonomie? Was ist deine Zukunftsvision, wie könnte der Planet heilen?

 

Achim Ecker: Zunächst zur ökonomischen Resilienz durch Biotopaufbau: Ja, wenn man es entsprechend aufbaut, ist das eine Lebensgrundlage. Im ZEGG habe ich an vielen Stellen Boden aufgebaut, weil ich dachte, wenn es eine Krise gibt, können wir an diesen Stellen auch noch Gemüse anbauen. Und tatsächlich hat das Gartenteam einige dieser Stellen entdeckt und nutzt sie nun. Das ist für mich Resilienz. Das, was ich mit dem Boden tue, ist nicht nur gut für Wald und essbare Landschaft, sondern auch für Gemüsekulturen. Ich glaube aber, eine langfristige Ernährung für die Menschheit kann viel eher durch essbare Wälder und essbare Landschaften garantiert werden. Wo man nicht jedes Jahr pflanzen, düngen, kultivieren, aussäen, hacken und es schützen muss, weil die Pflanzen so gezüchtet sind, dass sie das brauchen. Statt dessen können wir Früchte und Nüsse von Bäumen haben, die jedes Jahr herunterfallen und man nichts tun muss, ausser sie aufzusammeln, wenn das System erstmal etabliert ist. Agroforst erzeugt in seiner Vielfalt einen höheren Hektarertrag an Nährwert als ein Weizenacker, der meistens mit viel Benzin und Chemieeinsatz beackert wird. 

Zu meiner Heilungsvision für den Planeten habe ich viel vom Gründer von Tamera, Dieter Duhm, gelernt. Es stellt sich inzwischen auch für mich so dar: Die Welt ist ein Abbild von dem, was wir als seelische und psychische Strukturen in uns tragen. Jeder Krieg ist auch in uns. Natürlich müssen wir im Aussen etwas verändern, Räume aufbauen, wo sich Menschen verständigen, Natur regenerieren, Wälder und essbare Landschaften aufbauen etc. Aber gleichzeitig wird es wirkliche Veränderung erst geben, wenn wir unsere inneren, traumatischen Strukturen heilen. Wo wir verletzt sind, werden wir unbewusst immer versuchen, neuen Schmerz zu vermeiden und damit Berührung zu vermeiden. Damit können wir auf Dauer nicht solidarisch auf dieser Welt leben. Es braucht einen gesunden sozialen Boden, auf dem Menschen heilen. D.h. sie müssen soziale Rückkopplung, Spiegel bekommen dafür, wie sie nach aussen wirken und handeln, in einem vertrauensvollen Rahmen, wo sie es annehmen, fühlen und ändern können. Heilung und innere Transformation sind die Ausrichtung dafür. Ich glaube, dass Naturzerstörung damit zu tun hat, dass wir das Leben und die Welt nicht mehr ganz lieben können. Die verletzten Stellen in uns versuchen unbewusst, die Schönheit zu zerstören – weil sie uns an unsere Verletzung erinnert, weil es innen eben nicht so schön ist. Wenn wir das in uns heilen, dann fördern wir Schönheit. Schönheit ist vollständiges, gesundes, aufrechtes Leben. Menschen, die sich mit sich und miteinander zu Hause fühlen, können auch den Planeten zu einem Zuhause machen.