Widerstand am Tellerrand
Soziale Absicherung der Bäuerinnen, faire Löhne für ausländische Landarbeiter und Kooperationen zwischen Produzenten und Konsumenten standen im Zentrum einer Tagung für solidarische Landwirtschaft in Bern. Der Druck auf die Grossverteiler soll erhöht werden.
In Erinnerung an die gewalttätigen Ausschreitungen gegen marokkanische LandarbeiterInnen im Februar 2000 in El Ejido (Andalusien) fand am 7. und 8. Februar im Berner Kulturzentrum Progr die „Versammlung für eine solidarische Landwirtschaft – Widerstand am Tellerrand“ statt. Mehr als 200 Personen beteiligten sich daran, unter ihnen: VertreterInnen von LandarbeiterInnen aus Andalusien, Süditalien, Frankreich und Österreich, KleinbäuerInnen, AktivistInnen aus der feministischen und der Klimabewegung, kritische KonsumentInnen sowie zahlreiche junge Menschen, die in ProduzentInnen-KonsumentInnen-Kooperationen aktiv sind.
In fünf Arbeitsgruppen setzten die Teilnehmenden sich mit verschiedenen Aspekten der Nahrungsmittelproduktion auseinander und kamen in einen gemeinsamen Austausch darüber, wie wir zu mehr Gerechtigkeit im gesamten Ernährungssystem kommen.
Die TeilnehmerInnen stellten fest, dass die sozialen Bedingungen in der Landwirtschaft für die LandarbeiterInnen wie auch für viele Bauern und Bäuerinnen von grosser Prekarität geprägt sind – auch in der Schweiz. Zahlreiche Interventionen zeigten die Notwendigkeit einer sozial-ökologischen Wende in der Agrarpolitik auf.
Dabei geht es einerseits darum, die Arbeits- und Lebensbedingungen der häufig migrantischen LandarbeiterInnen massiv zu verbessern. Die grossen Unterschiede zwischen den Normalarbeitsverträgen der verschiedenen Kantone sind nicht weiter tragbar.
Weiter sollten den Bäuerinnen, die oft einer Mehrfachbelastung ausgesetzt sind, ab sofort die gleichen sozialen und wirtschaftlichen Rechte wie den Bauern zugestanden werden. Als “Frauen von Betriebsleitern” leisten 30’000 von ihnen unbezahlte Haushalts- und Pflegearbeit ohne Sozialversicherungen. Die soziale Absicherung von Bäuerinnen sollte als Voraussetzung für Direktzahlungen gelten.
Coop und Migros haben die höchsten Margen im Vergleich mit anderen europäischen Grossverteilern. Unter dem Preisdruck verschwinden täglich drei Bauernhöfe in der Schweiz.
Druck soll insbesondere auf die Grossverteiler ausgeübt werden. Sie tragen eine grosse Verantwortung für die soziale Misere in der Landwirtschaft im In- und Ausland. Supermärkte wie Coop und Migros drücken auf die Agrarpreise und erhöhen gleichzeitig ihre eigenen Margen. Coop und Migros haben die höchsten Margen im Vergleich mit anderen europäischen Grossverteilern. Unter dem Preisdruck verschwinden weiterhin täglich drei Bauernhöfe in der Schweiz, viele kleine Betriebe sind in ihrer Existenz bedroht.
Solidarische Landwirtschaftsprojekte (Solawi) sind eine dynamische Alternative zur industrialisierten Landwirtschaft, die KonsumentInnen und ProduzentInnen mit einbeziehen. Sie sind ein wichtiges Labor für anderes Wirtschaften und Zusammenleben. Die Verschiedenheit der Projekte und Visionen sind eine Chance, um möglichst unterschiedliche Menschen einschliessen zu können. Wichtig ist dabei in Zukunft eine bessere Vernetzung der Projekte sowie einen intensiveren Austausch mit konventionellen Betrieben. Durch grenzübergreifende Solidarität mit alternativen Produktions- und Distributionsformen kann zudem dazu beigetragen werden, würdige Arbeitsplätze zu schaffen.
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