Ohne Pieks #6: «Die Menschen beginnen, sich Gedanken über Politik zu machen»
Roland Müller betreibt seit 15 Jahren ein Restaurant im Kanton Zug. Sollte er als Gastwirt zum Impfen gezwungen werden, würde er seinen Betrieb an den Nagel hängen. Gleichzeitig engagiert er sich im Verband «Freie KMU», der die regionale Wirtschaft und die Solidarität unter den Gewerblern stärken möchte. Damit soll soll ein Ausgleich zu den Covid-Massnahmen des Bundesrates geleistet werden, die viele KMUs in eine existenzielle Krise gestürzt haben.
«Natürlich wäre es für mich und meine Familie schmerzhaft, unser Restaurant aufzugeben», sagt Gastwirt Roland Müller (Name der Redaktion bekannt). «Doch wir sind uns einig: Wir machen da nicht mit.» Glücklicherweise teilen seine Frau und seine zwei Kinder die Meinung, dass eine Impfung für sie persönlich nicht in Frage kommt. «Es muss jeder selber wissen, was er tut, doch uns sind die Risiken heftiger Nebenwirkungen zu gross.» Dennoch verlangt Müller von seinen Gästen gezwungenermassen ein Zertifikat – ausser wenn sie draussen sitzen. «Dies tun nun deutlich mehr Leute als vorher», sagt Müller, «deshalb haben wir bei Regen auch geringere Einnahmen.» Wenn es jedoch so weit käme, dass die Zertifikatspflicht auch für Restaurantbetreiber gilt, gäbe er seinen Betrieb auf.
Wahrscheinlich würde es Müller im Ernstfall schwerer fallen, als er denkt, seinen Betrieb nach 15 Jahren einfach an den Nagel zu hängen. Dennoch hat er einen Plan B: «Mein Schwager ist Bauer, und ich könnte bei ihm im Betrieb arbeiten. Das wäre zwar eine grosse Veränderung in meinem Leben, doch ich sehe es positiv: Jede Krise ist auch eine Chance, und wer weiss, vielleicht entsteht dadurch etwas Neues, Besseres.»
Selbst hat er die Einschränkungen für Ungeimpfte bisher kaum zu spüren bekommen. «Ich bin eigentlich immer am arbeiten und habe praktisch keine Freizeit», sagt er. «Deshalb ging ich sowieso nie auswärts essen, ins Kino oder ins Fitnessstudio.» Seine Kinder dagegen begegnen im Alltag immer wieder Barrieren. Sie können zum Beispiel nicht mehr in die örtliche öffentliche Bibliothek, und auch an sozialen Aktivitäten mit ihren Altersgenossen können sie teilweise nicht mehr teilnehmen. «Zum Glück dürfen sie noch in die Pfadi, da diese ja draussen stattfindet. Aber ich finde es schon krass, wie die Jugendlichen vom öffentlichen Leben ausgeschlossen werden. Im Grunde müssen sie einen ganz neuen Freundeskreis aufbauen.»
Doch das Entstehen neuer Bekanntschaften und das Engagement unter Gleichgesinnten lässt Roland Müller geradezu aufblühen. Seine Begeisterung ist deutlich spürbar: «Es ist extrem inspirierend, sich in Kreisen zu bewegen, in denen eine starke Solidarität und Energie spürbar ist, weil man an gemeinsamen Zielen arbeitet.» Er ist Mitglied im branchenübergreifenden Verband «Freie KMU», der im Januar gegründet wurde, um die Selbstbestimmung und Eigenverantwortung von KMUs zu fördern und die lokale Wirtschaft zu stärken. Auslöser für die Gründung des Verbandes waren die Covid-Massnahmen des Bundesrates im vergangenen Jahr gewesen, welche viele KMUs in existentielle Probleme gestürzt haben.
Zu den Zielen der «Freien KMUs» gehört, das Dorf- und Quartierleben wiederzubeleben und sich bei Einkäufen und Dienstleistungen gegenseitig zu berücksichtigen. Auf ihrer Website findet sich deshalb auch eine Lister aller Mitglieder. Auf der anderen Seite organisiert der Verband auch schweizweit regionale Informationsabende, um Menschen darauf zu sensibilisieren, wie wichtig der regionale Konsum und ein nachhaltiger Lebenswandel ist.
Gerade auch im letzten Bereich ist Roland Müller aktiv. «Ich habe diverse Veranstaltungen durchgeführt, und in der regionalen Verbandssektion suchen wir regelmässig das Gespräch mit dem Kantonsrat, dem Gemeinderat, Schulleitern oder anderen Gewerblern.» Durch die Covid-Krise hätten viele Menschen angefangen, sich über Politik Gedanken zu machen oder sich zu fragen, was überhaupt die Aufgabe eines Staates ist – und wie viel Eigenverantwortung man den Bürgerinnen und Bürgern zutrauen dürfe. Dies empfindet Müller als sehr positiv: «Plötzlich führen wir Gespräche über existenzielle Dinge, über Ethik und über Recht, statt nur Small Talk.»
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