Permaria: eine Kultur für die Zukunft
Permanente Freude oder auch nachhaltiges Lachen ist der Inbegriff des ganzheitlichen PermaRía Lern- und Begegnungsortes, wo sich jüngere und ältere Menschen treffen, um permakulturell tätig zu sein. Ein Interview mit der Gründerin Maria Rösinger
Zu meiner grossen Freude begegnen mir viele Projekte, die für eine andere Welt unterwegs sind. Mit einem menschen- und mitweltgerecht qualitativen, anstatt mit einem technokratisch quantitativen Wachstum. Und verbunden mit einem Wissen, das - bewusst oder unbewusst - viel tiefer geht und weiter reicht als das, was uns die sogenannte Künstliche Intelligenz bietet, die nur auf der Basis von etwas, das es schon gibt oder/und bereits beschrieben ist, etwas (er)finden kann. Eines dieser Projekte ist «Permaria». Dafür bin ich in einem Austausch mit Maria Rösinger. Sie berichtet im folgenden Interview, wie sie zu ihrer Permakultur (1) gekommen ist, wo sie damit steht, und wohin sie damit gehen will.
Ueli Keller: Wie bist Du mit Permaria gestartet?
Maria Rösinger: Ich bin naturbegeistert, Selbstversorgerin, diplomierte Permakulturdesignerin und liebe Kreativität. Permaria nahm ihren Ursprung 2018, als mein Mann und ich in Degersheim im schönen Schweizer Toggenburg ein baufälliges 150jähriges Bauernhaus kauften. Dies bauten wir mit unseren eigenen Händen grösstenteils nach den Prinzipien der Permakultur um.
Unser ganzes Hab und Gut verfrachteten wir in den Stall. Während dieser Umbauzeit lebten wir mehrheitlich draussen. Die Erfahrung, praktisch nichts zu besitzen ausser ein Bett, einen Tisch mit Stühlen und ein paar Kleider, war das Eintrittsticket in eine wunderbare Freiheit. Dazu wehte uns Tag und Nacht der Wind um die Ohren und erzählte uns von einer neuen und ganz anderen Welt. Neugierig liess ich mich immer weiter und tiefer auf das ein, was kommen wollte.
Was hast Du in Deinem Umfeld mit Deinem Projekt erlebt?
Anfangs war es noch schwieriger, mich gegen aussen zu behaupten. Jedoch fühlte ich mich so angekommen auf diesem wundervollen Stück Land, dass ich gar nicht anders konnte, als zu mir zu stehen. Ich wollte diesem Land und dem Wind einfach zuhören, es beleben mit stetig wachsender Diversität aus Bäumen, Sträuchern, Beeren, Pilzen, Gemüse, Stauden und Tieren.
Auf dem Steueramt musste ich beglaubigen lassen, dass ich keiner bezahlten Arbeit nachging. Und bei Familie und Freunden immer wieder Fragen beantworten wie: «Aber was tust du denn die ganze Zeit? Das ist doch keine Arbeit?»
Heute bin ich überzeugt: Mein Lebensinhalt ist definitiv keine Arbeit; Permaria mit ihrer Selbstversorgung und dem Begegnungs- und Lernort ist pure Freude und Erfüllung.
Magst Du bitte noch etwas konkreter werden, was Dein Projekt für Dich bedeutet?
Der Permaria Begegnungsort bedeutet für mich immer wieder ein neues Eintauchen in ein abwechslungsreiches Leben. Dieser Lernort bietet für Kinder und Erwachsene «Lernen» der neuen Zeit. In ihm ist auch ein Lehrgang für Landwirte eingebettet: er ist Kursort, oder ein online Lernportal für Naturbegeisterte. Ebenso ist in diesem Begegnungsort ein Führungsangebot enthalten, welches einen Hofrundgang mit oder ohne anschliessenden Gartenschmaus anbietet.
Permaria bietet mir viele abwechslungsreiche Bereiche, um nachhaltig permakulturell tätig zu sein. Diese Abwechslung ist es, welche ich ganz besonders liebe.
Ich verstehe Dich so, dass es Dir wichtig ist, Chancen kreativ zu nutzen und Herausforderungen, die im Wandel stecken, prospektiv und regenerativ zu meistern: Womit und wozu warst Du bisher in einem solchen Sinne mit anderen Menschen mit Permaria unterwegs?
Den Permaria Lern- und Begegnungsort begründete ich 2020. In Kursen gebe ich Interessierten einen Einblick in meinen Alltag der erfüllten und erfüllenden Selbstversorgung. Der Aufbau des Bodens über den Lebensmittelanbau findet dort genau so einen Platz, wie die Fülle des gelebten Bewusstseins im Einklang mit der Schnecke, dem Hermelin oder dem Mandelbaum. Die Kreisläufe auf dem Hof schliessen den Kreis zur philosophisch begründet gelebten Permakultur.
Diese praktische Permakultur geht – auch auf unserem Hof - weit über die Landwirtschaft und den Gartenbau hinaus und kennt ihre Bereiche in: «Wirtschaft & Finanzen», «Technologien & Werkzeuge», «Gesundheit & Spiritualität», «Bildung & Kultur», «Gebäude & Umwelt» sowie «Gemeinschaft & Soziale Permakultur».
Mit einer tiefberührenden Dankbarkeit und Demut darf ich auf dieser biodiversen Insel leben und sein – im Wissen, dass jedes Wesen, welches mich hier besucht, mich stärkt auf meinem Weg …
Bereits in Kindertagen liebte ich es, Bauernhöfe mit Umschwung zu zeichnen. Meine Bilder strahlten für mich immer eine Harmonie aus. Zu den von mir erstellen Planungen für die heutigen Bauernbetriebe hat sich da nicht viel verändert.
Auch heute spüre ich den tiefen Frieden, welchen ein fertiges Design für mich aussendet. Ich spüre, dass es wichtig ist - ähnlich einer Meditation - mich mit Mutter Erde und dem Schöpfer zu verbinden, während ich Land und Hof besichtige, aber auch während des Zeichnens selbst. Oftmals erhalte ich auf diese Art viele Eingebungen und Intuitionen, welche ich dann auf das Blatt bringe. Entwürfe, Grob- und Feinplanungen entstehen alle auf dem Papier. Das gefällt mir so, und es scheint wohl schon fast so etwas wie ein Markenzeichen der Permaria-Planungen zu sein.
Wenn ich mit Landwirten zusammen die ersten Umsetzungen direkt vornehmen darf, bin ich sehr dankbar. In «Permablitzen» (2) pflanzen wir erste Bäume für Agroforstsysteme, tätigen schwere Erdbewegungen oder Ähnliches. Jedesmal sind diese ersten Realisierungen tief berührend und durch das Erleben von grossen freiwilligen Einsätzen von tiefer Demut für mich und natürlich auch für die beteiligten Landwirte geprägt.
Die Landwirtschaft hatte mich bereits früh tief verwurzelt. In einem Paradies aufgewachsen, wo Birnen, Pflaumen, Zwetschgen, Äpfel und jede Menge Beeren sowie diverse Gemüse an einem wunderbaren Sonnenhang gediehen und mit Passion verarbeitet und verspeist wurden, verbrachte ich auch viel Zeit bei meinen Grosseltern, welche beide Bauern waren. Dort lernte ich das Melken und auch die Verarbeitung von Milchprodukten sowie den natürlichen Umgang mit den Tieren und der Erde.
Das Kreislaufdenken ist mir bei meinen Planungen ein grosses Anliegen. Je mehr Elemente auf dem Hof integriert werden können, desto ausgeprägter oder eben geschlossener kann ein Kreislauf sein. Dies ermöglicht ein freies Arbeiten mit wenig oder gar ohne Zukauf von Materialien.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist für mich die Selbstregulation. Es ist mir wichtig, Technologie und Fortschritt einzubeziehen, damit wir uns zugunsten der Umwelt und uns Menschen in einer Niedrigenergie-Kultur bewegen. Denn wir dürfen die Geschenke annehmen, welche für uns bereitstehen. Zuoberst sind aber auch für mich die wichtigsten Grundprinzipien der Permakultur: Earth-care, insbesondere Humusaufbau und Bodenkunde, People-care und Fair-share (mehr dazu auf meiner Homepage zu Kurs- oder Lehrgangsinhalten).
Als immer mehr Menschen von Landwirtschaftsbetrieben zu mir an die Permaria- Selbstversorgungskurse gefunden haben und die Nachfrage nach Permakultur in der Landwirtschaft immer grösser wurde, wuchs in mir der Traum, eine Landwirtschaftsausbildung in der Permakultur anzubieten. So richtig Fahrt hat dieses Projekt aufgenommen, als ich im Frühsommer 2024 mit einer Freundin eines anderen Permakultur-Hofes zusammensass.
Gemeinsam haben wir unsere Ideen aus- und überarbeitet sowie ganz viele Inhalte eingebracht, um nun im aktuellen Jahr 2025 den ersten Lehrgang für Permakultur in der Landwirtschaft anzubieten, welcher zudem noch als Grundausbildung PDC+ (3) fungiert. Bei der ersten Anmeldung sowie allen folgenden sind wir tief berührt und so dankbar, genau jetzt diese Arbeit machen zu dürfen: es ist ein wunderbar erfüllendes Geschenk.
Ría bedeutet in Indonesisch «Freude» und auf Spanisch «Lachen». Permanente Freude oder auch nachhaltiges Lachen ist der Inbegriff des ganzheitlichen PermaRía Lern- und Begegnungsortes, wo sich jüngere und ältere Menschen treffen, um permakulturell tätig zu sein.
PermaRía ist eingebettet in unserem Venusblumenhof. Zum Lern- und Begegnungsort gehören ein grosser Permakulturgarten, die hauseigene Werkstatt, ein Waldplatz, ein grosser Innenbereich mit Küche, ein Essbereich und ein Bereich zum Spielen und Verweilen.
Im vergangenen Jahr durfte ich zusammen mit 15 Kindern und einer Pensionärin viele wunderbare Stunden auf unserem Hof verbringen. In erster Linie geht es mir dabei um die Kinder und um ein freies Lernen. Wir lernen alle zu jeder Zeit. Wir lernen voneinander. Wir lernen in der Gruppe. Wir lernen von der Natur und in unseren Beziehungen. Mir ist es wichtig, als Individuum wachsen zu können. Dabei brauche ich weder künstliche Lerninhalte noch von Bund oder Kanton vordefinierte Ziele. Ich möchte den Familien mitgeben, dass wir wieder uns selbst vertrauen dürfen, unsere Intuitionen wahr-zu-nehmen und ihnen zu vertrauen.
Wenn wir in Verbundenheit sind, haben wir Zugang zu allem Wissen: sowohl zu gelebtem Wissen als auch zu einem Wissen, welches noch nie auf der Erde war. Was ich fördern möchte, ist diese Verbundenheit, die Liebe zu uns selbst und zur Natur; gemeinsame Erlebnisse und Abenteuer zu erfahren und immer und überall uns näher zu kommen und uns kennenzulernen. Dabei steht das Fühlen und Sein, wie wir sind, im Zentrum. Auch für mich ist es ein Geschenk, wöchentlich Zeit in der PermaRía zu verbringen, denn auch ich lerne so viel für mich und mein inneres Wachstum.
Unter welchen Bedingungen sowie mit welchen Erwartungen und Zielen bist Du vor kurzem mit dem Begegnungs- und Lernort Permaria noch einmal sozusagen neu gestartet?
Die Reise an diesen freien Lernort führte mich über Behörden und an Bewilligungen vorbei. Dies obwohl ich wusste, solange ich deren Vorstellungen umsetze, könnte ich auch gleich wieder als Lehrperson arbeiten. Es war eine anstrengende Zeit, welche mich stark ermüdete.
Doch nichtsdestotrotz hatte ich in meinem Leben gelernt zu mir zu stehen und meine Interessen zu vertreten. Ich kommunizierte klar und es kam, wie es musste: der Lernort fiel (kurzzeitig) auseinander. Eingebungen signalisierten mir jetzt, Kraft zu tanken, vollständig loszulassen und dies als Gewinn ansehen zu dürfen. Und so war es auch. Denn bald schon konnte die Reise weitergehen.
Gut drei Monate später erhielt ich eine Anfrage von einer Mutter, den Lernort wieder zu eröffnen. Diesmal wusste ich von Anfang an, es war der Neustart für meinen Lernort: ohne Behörden, ohne Bewilligung – ein freier Lernort ohne Lehrplan oder ähnliches und trotzdem vollkommen legal. Das war es, was ich mir immer wünschte. In weniger als einer Woche standen zehn Schnupperkinder mit ihren Eltern da. Es war wie ein Zauber.
Eine weitere Woche später starteten wir die PermaRía an einem Dienstagmorgen bei strahlend blauem Herbst-Sonnenschein.
Magst Du uns bitte noch mitteilen, was Dir im Hinblick auf die Zukunft Deines Projekts speziell wichtig ist?
Ich bin überzeugt, es ist nicht wichtig eine pädagogische Ausbildung zu haben, wenn wir gemeinschaftlich und naturverbunden an einem Lern- und Begegnungsort tätig sind. Vielleicht deshalb habe ich vor mehr als 5 Jahren alle meine Zeugnisse weggeworfen.
Ich fühle, dass es wichtig ist, junge und ältere Menschen in ihrem Sein und Wesen wahr-zu-nehmen und mit ihnen ein Stück des wahren Lebens zu gehen: in Verbundenheit, Liebe und Dankbarkeit. Denn dann geht alles andere von selbst. Von ganzem Herzen wünsche ich mir, dass wir alle Menschen wieder in dieser Verbundenheit und der Erfüllung leben.
Mein wichtigstes Werkzeug ist mein Herz. Permakultur bedeutet so zu leben, wie es sich mit dem Herzen richtig gut anfühlt – dieses gesamte «Hand- und Herzwerk» haben wir alle bei und in uns. Wir dürfen damit wieder den Weg zu unserer eigenen Urquelle gehen.
Danke Maria für das, was Du für eine andere Welt tust sowie für Deinen Bericht dazu. Er gefällt mir insbesondere auch deshalb, weil er Persönliches mit einem Ganzen verbindet. Mögest Du damit auch die Hoffnung und Zuversicht von Menschen stärken, die dieses Interview lesen.
Drei Erklärungen und ein Link für mehr:
(1) Permakultur ist gemäss Wikipedia «die Gestaltung von Landnutzungssystemen, die nachhaltig und unbedenklich sind. Ein Design-System, das durch eine integrierte Anwendung ökologischer Prinzipien in der Landnutzung charakterisiert ist. Die Gestaltung kulturell angemessener Systeme, welche zu sozialer Stabilität führen.»
(2) Permablitz: Anlässe für gemeinschaftliches Umsetzen von Permakulturarbeiten, belohnt mit einer feinen Mahlzeit und einem unvergesslichen Erlebnis
(2) PDC: Permaculture Design Course ist weltweit ein geführter 72-Stunden Kurs nach den Inhalten gemäss Bill Mollison und David Holmgren, die «Begründer» der Permakultur.
Link zu mehr Bildern und Infos betreffend Permaria: www.permaria.ch
von:
- Anmelden oder Registieren um Kommentare verfassen zu können