Schweizer Fleisch, der unbekannte Unterschied

Subventioniert mit Steuergeld, produziert die Schweiz zu viel Fleisch. Die Produktion basiert zur Hälfte auf importierten Futtermitteln und belastet das Grundwasser. Das Schwergewicht der Subventionen sollte auf pflanzliche Lebensmittel verlegt werden, fordert Franziska Herren von der Trinkwasser-Initiative.

Die Fleischproduktion dient nicht der Ernährungssicherheit und belastet die Umwelt. Trotzdem wird sie hoch subventioniert. (Bild: Flickr)

Letzten Dezember, kurz vor Weihnachten, wurden in der Schweiz 50‘000 Schweine notgeschlachtet. Das Fleisch wurde wegen fehlender Nachfrage im Inland zu Billigpreisen ins Ausland verkauft. «Eine solche ‹Aktion› gab es in der Schweiz noch nie», sagte die Sprecherin im Beitrag von 10vor10 dazu.

Gleichzeitig flimmerten Werbespots für Schweizer Fleisch über unsere Bildschirme und versprachen einen «feinen Unterschied», hohes Tierwohl, Nachhaltigkeit und haufenweise inländisches Futter, die den feinen Unterschied ausmachen sollen gegenüber importiertem Fleisch.

Doch nirgendwo in Europa spritzen ­Bauern ihren Milch­kühen so viel Anti­biotika ins Euter wie in der Schweiz. In der Poulet- und Eierproduktion hat sich der Antibiotikaeinsatz von 2020 auf 2021 mehr als verdoppelt.

Es werden sogar Reserveantibiotika eingesetzt, da herkömmliche Antibiotika nicht mehr wirken. Antibiotika also, die den Ärzten in der Humanmedizin als letztes Mittel gegen sonst tödliche Infektionen vorbehalten sind.

Via Gülle und Mist gelangen dadurch antibiotikaresistente Bakterien auf die Felder – wo unsere Lebensmittel wachsen –, in die Gewässer und in das Trinkwasser. Diese Bakterien wurden von der  Eidgenössische Fach­kommis­sion für biologische Sicherheit zur «grössten Bedrohung für die Gesundheit der Schweizer Bevölkerung» erklärt.

Der Branchenverband Proviande verschweigt in seiner Werbung den übermässigen Antibiotikaeinsatz in der Schweizer Nutztierhaltung. Man erfährt auch nicht, dass die Fütterung der 15 Millionen Nutztiere, die in der Schweiz leben, zur Hälfte auf Importfutter beruht. Und dass damit die gesamte Schweizer Fleisch-, Eier- und Milchproduktion zu 50% vom Ausland abhängig ist.

Der Branchenverband schweigt auch zur Tatsache, dass durch das Importfutter viel zu viel Gülle, Mist und Ammoniakemissionen produziert werden. Dadurch werden Böden, Wälder und Gewässer überdüngt, die Biodiversität und das Klima geschädigt und Trinkwasserfassungen müssen wegen überhöhter Nitratwerte geschlossen werden.

Mit jährlich 6 Millionen Franken Steuergeldern unterstützt die Schweizer Bevölkerung die Fleischwerbungen von Proviande – ohne dabei von den Folgen der heutigen übermässigen Produktion von tierischen Lebensmitteln für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen zu erfahren. Auch fehlt die Information, dass importiertes Fleisch aus einem Land, das seine Nutztiere selber ernähren kann, ökologischer ist, als Schweizer Fleisch hergestellt mit Importfutter.

Während die Landwirte – gefördert mit Milliarden unserer Steuergelder – weit mehr Fleisch produzieren als die Konsumenten kaufen wollen, boomt der Markt für pflanzliche Lebensmittel und Fleischersatzprodukte. Schon heute essen 63 Prozent der Schweizer Bevölkerung der Umwelt, dem Tierschutz und ihrer Gesundheit zuliebe bewusst weniger tierische Lebensmittel.

Diese vermehrt pflanzliche Ernährungsweise ist die effizienteste Massnahme für das Tierwohl, die Umwelt, das Klima und unsere Ernährungssicherheit und öffnet der Schweizer Landwirtschaft die Tür zu einer nachhaltigen und klimabewussten Lebensmittelproduktion.

Der jahrelange einseitige Fokus der Subventionspolitik auf die Produktion von tierischen Lebensmitteln ist heute durch nichts mehr zu rechtfertigen. Er hat zu einem ökologischen, gesundheitlichen und ökonomischen Desaster für die Schweizer Bevölkerung sowie auch die Landwirten geführt – und widerspricht diametral der seit 2017 in der Verfassung verankerten Ernährungssicherheit.

Die Agrarpolitik muss umdenken und verstärkt in den boomenden «pflanzlichen» Markt investieren. Doch nicht nur eine Million, wie für dieses Jahr vorgesehen, sondern mit einem Grossteil der Subventionen, die heute in die Produktion von tierischen Lebensmitteln fliessen.


Franziska Herren ist Initiantin der Trinkwasser-Initiative, die 2020 nach einer beispiellosen Gegenkampagne des Bauernverbandes und der chemischen Industrie (und schwacher Unterstützung durch die Grünen) abgelehnt wurde.