Die Definition von Glück über rein materielle Werte wie dem Bruttoinlandprodukt oder der Lebenserwartung bröckelt immer mehr. Der Badener Coach und Glücksexperte Andreas Schärer stellt dem das Konzept «Bruttonationalglück» entgegen und lanciert eine Schweizer Austauschplattform für die Entwicklung von Glücksprojekten.

© Andreas Schärer / Glückskonzepte

Laut dem Weltglücksreport der UNO war die Schweizer Bevölkerung 2020 die drittglücklichste der Welt. Seit Jahren rangieren wir in den Top Ten dieser Liste, 2015 standen wir sogar an erster Stelle. Doch woran wird Glück eigentlich gemessen, und warum weist die Schweiz im internationalen Vergleich eine überdurchschnittlich hohe Selbstmordrate auf?

Der Kinderspital Zürich registrierte letztes Jahr mehr als doppelt so viele Selbstmordversuche bei Kindern und Jugendlichen wie im Vorjahr, mit einer steigenden Tendenz im ersten Quartal 2021. Auch Essstörungen und psychosomatische Störungen traten 2020 doppelt oder sogar drei Mal so häufig auf wie 2019, so Chefpsychologe Markus Landolt gegenüber der NZZ. Er hält es für höchst wahrscheinlich, dass dies mit der Corona-Situation zusammenhängt. «Wir wissen aus Gesprächen mit Betroffenen, dass sie die Pandemie und die Massnahmen stark belasten.» Und zwar vor allem letztere: «Für Kinder und Jugendliche ist Covid-19 keine bedrohliche Krankheit Sie leiden mit Sicherheit mehr unter den Massnahmen.»

Der springende Punkt ist: Woran misst denn die UNO Glück? Denn dies ist eine Frage der Definition, die sowohl kulturell als auch individuell sehr unterschiedlich aussehen kann. In einer Umfrage der NZZ von 2018 nannten Schweizerinnen und Schweizer, die gefragt werden, was sie glücklich macht, Dinge wie Sicherheit oder Sauberkeit – zum Beispiel die Verlässlichkeit von Bussen und Bahnen. Und vielleicht ist dies nicht nur hierzulande typisch, denn auch der Weltglücksreport baut unter anderem auf ziemlich unemotionalen Kriterien wie dem Bruttoinlandprodukt oder der Lebenserwartung auf.

Dieser Art der Glücksmessung diametral entgegengesetzt ist das Konzept «Bruttonationalglück». Im Gegensatz zum westlichen Fokus auf das Bruttonationalprodukt, also auf rein materielle Werte, basiert die staatliche Entwicklung des buddhistischen Landes Bhutan schon seit Jahrzehnten auf der Philosophie des Bruttonationalglücks. Wie der Coach und Glücksexperte Andreas Schärer betont, bedeutet Glück in diesem Zusammenhang nicht eine kurzfristige positive Emotion wie zum Beispiel beim Gewinn eines Preises, sondern wird als Zustand von andauernder Zufriedenheit und Wohlbefinden betrachtet.

«Das Bruttonationalglück stellt den Menschen ins Zentrum der Entwicklung und schafft Voraussetzungen, die dem Individuum die Möglichkeiten geben, das zu erreichen, was ihm am wichtigsten ist.» Dabei gehe es eben gerade nicht um wirtschaftliches Wachstum, sondern um eine gesunde und umfassende Entwicklung jedes Individuums, welche auch dessen natürliche und soziale Grenzen sowie die begrenzten Ressourcen unseres Planeten miteinbezieht.

Dies bestätigt auch der Ökonom und Glücksforscher Mathias Binswanger in seinem Buch «Der Wachstumszwang»: «In neuester Zeit wird es in den wohlhabenden Ländern zunehmend fraglich, ob das Wachstum noch einen Beitrag zum Wohlbefinden der Menschen leistet. Und dann sind da die ganzen Auswirkungen des Wachstums auf die Umwelt, welche seit Beginn der 70er Jahre zu einer Kritik des Wachstums aus ökologischer Perspektive geführt haben.»

Damit auch in der Schweiz mehr Menschen Glücksmomente erleben, die nicht mit rein finanzieller Absicherung zusammenhängen, lanciert Andreas Schärer zusammen mit der Juristin und Coachin Angelica Moser die «Gruppe Bruttonationalglück Schweiz». Die Kick-off-Veranstaltung findet am Dienstag, 18. Mai um 19:00 Uhr in der Glückszentrale in Rieden statt. Falls physische Treffen bis dann nicht möglich sind, wird es per Zoom durchgeführt.  Die Teilnahme ist kostenlos, um eine Anmeldung unter [email protected] wird bis am 10. Mai gebeten.

An dieser «Samenlegung» der Glücksgruppe sind alle Menschen willkommen, die sich danach sehnen, das Glück wieder mehr in den Fokus unserer Bemühungen zu rücken. Ausgehend vom ersten Treffen am 18. Mai soll eine Plattform für Austausch, Impuls-Referate und die Entwicklung von Glücksprojekten entstehen.

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