Was hinter der Preiserhöhung für Weizen steht
Der Krieg treibt die Preise für Nahrungsmittel in die Höhe – das ist das gängige Narrativ. Aber die Preise werden weniger von der realen Versorgungslage bestimmt, als von den spekulativen Erwartungen der Börsenhändler.
Weil Putin in die Ukraine einmarschiert ist, gehen die Preise hoch und es drohen Hungersnöte. Dieses von den Medien verbreitete Narrativ wirkt realistisch und wird daher gerne geglaubt. Immerhin machen die Weizenexporte der beiden kriegführenden Länder rund ein Viertel des Weltmarktes aus, wie die New York Times in einer Warnung vor sozialen Unruhen schreibt.
Aber das Narrativ ist mehrfacher Hinsicht falsch. Russland ist 130 Mio. Tonnen zwar ein wichtiger Weizenproduzent, liegt aber weit hinter China (615 Mio. T.), den USA (434 Mio. T.) und Indien (335 Mio. T.) zurück. Der meiste Weizen kommt zudem gar nicht auf den Weltmarkt, sondern wird im Inland verbraucht. Russland und die Ukraine sind jedoch wichtige Exporteure.
Was das bedrohliche Szenario ebenfalls verschweigt, ist die Tatsache, dass der Weizen im Durchschnitt ein Jahr lang gespeichert wird. Der Konflikt beeinflusst also zur Zeit die reale Versorgung mit Weizen nicht. Und wenn der Krieg bald aufhören würde, könnten die Bauern in Frieden ihre Felder bestellen und die Weizenversorgung wäre auch in Zukunft gesichert.
Hier kommt der Preis ins Spiel: Entscheidend ist dabei nicht der inländische Preis, sondern der Weltmarktpreis, der an der Börse in Chicago gebildet wird. Und da spielen die Mengen, die überhaupt auf den Weltmarkt kommen und die Erwartungen die entscheidende Rolle. Der Weltmarktpreis dominiert die inländischen Preise, da sich die Händler bei höheren inländischen Preisen jederzeit auf dem Weltmarkt eindecken können.
Die Preisbildung am Chicago Mercantile Exchange, der grössten Börse für Waren und Rohstoffe, wird von drei Faktoren bestimmt: der Erwartung des künftigen Verhältnisses von Angebot und Nachfrage, der vorhandenen Geldmenge und den alternativen Anlagemöglichkeiten.
Die Preisentwicklung des Weizens zeigt eine absolute Spitze 2008, als die Anleger fluchtartig den Aktienmarkt verliessen und sicherere Anlagen suchten. Die Spitzen von 2010 und 2012 gingen auf die Erhöhung der Geldmenge in Folge der «Finanzkrise» zurück, als das Vertrauen in den dauerhaften Anstieg der Aktienmärkte noch nicht wirklich da war.
Fazit: Der Weizenpreis wird weniger von den realen Verhältnissen geprägt als von den spekulativen Launen des Finanzcasinos, hat aber zum Teil drastische Auswirkungen auf die Versorgungslage in den ärmeren Ländern.
Ein wichtiger Faktor für die reale Versorgung ist im weiteren die Inflationserwartung. Händler, die über grössere Mengen Weizen verfügen und höhere Preise erwarten, werden die Ware tendenziell zurückhalten, da sie mit einem späteren Verkauf höhere Gewinne realisieren. Das befeuert die Inflationsspirale.
Das Versagen der neoliberalen Märkte in der Versorgung der Menschheit wird höchstwahrscheinlichg staatliche Interventionen zur Folge haben. Der französische Präsident Macron spricht bereits von einer globalen Hungerkrise als Folge des Krieges und hat Lebensmittelmarken angekündigt.
Natürlich kann man die Lösung von Krisen nicht den «Märkten» überlassen, die, wie eine Börsenweisheit sagt, die grössten Gewinne machen, wenn Blut auf den Strassen fliesst. Aber anstatt die Endverbraucher zu entlasten und dadurch tiefer in staatliche Abhängigkeit zu treiben, müssten die Preise reguliert und die Märkte entmachtet werden. Sonst wird die spekulativ befeuerte Hungerkrise zu einem Instrument des Great Reset.
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