Wie ich das allmähliche Verschwinden der Freiheit erlebte
Wie der Staat allmählich mit der Privatwirtschaft zu verschmelzen begann, dabei die Grundrechte preisgab und sich gegen seine Bürger wandte. Ein kurzer persönlicher Abriss durch die Zeitenwenden.
Meine politische Bildung begann 1981 im Bett. Mit dem Buch des Club-of-Rome in der Hand. Ich wurde, angesichts des entsetzlichen ökologischen Endzustands unseres Planeten eine Grüne von Anbeginn. Jahrzehntelang konnte nichts mein ökologisches Weltbild erschüttern. Nein zu Atomstrom. Ja zu Velos. Zur selben Zeit prägten, sehr zum Leidwesen meines kapitalistischen Unternehmervaters, meine Gymnasiallehrer, mehr oder weniger Alt-68-er, meine linke Einstellung zum Staat. Dieser musste stark sein und für Gerechtigkeit sorgen. Ich blieb dieser Haltung treu, bis Corona meine Umweltgewissheiten und meine Staatsgläubigkeit in den Abgrund riss.
Nein, präziser gesagt, begann mein politisches Bewusstsein 1981 mit einem Pint Ale in einem Londoner Pub. Drei Wochen Englisch-Lernen in London. Ich kam ins Gespräch mit einer britischen Studentin. Sie erzählte mir, dass nun wegen Margaret Thatcher die Kurse an ihrer Kunsthochschule zusammengestrichen würden. Damit wurde der Neoliberalismus für mich zum roten Tuch.
Als ich mit Beginn der Coronapropaganda anfing, alternative Medien zu rezipieren, stellte ich fest, dass ich nicht nur in Sachen Covid mit ihnen übereinstimmte, sondern auch, was das Gendern und später den Ukrainekonflikt betraf. Und: Sie wetterten durchs Band gegen die These des menschengemachten Klimawandels. Mein CO2-Ausstoss-Reduktionswille stürzte zuletzt. Durch die Corona-Zertifikatspflicht bis ins Innerste von den Machtansprüchen des Staates erschüttert, begann ich, der heraufbeschworenen Klimakatastrophe zu misstrauen.
Ich weiss nicht, wieso es mich so sehr drängt, das Folgende niederzuschreiben. Einerseits finde ich es spannend, einschneidende politische Veränderungen anekdotisch mit dem eigenen Leben zu verknüpft zu sehen. Andererseits versuche ich anhand dieser Ereignisse zu ergründen, wie es dazu kam, dass ich mich, eine in der Wolle gewaschene Linke und Grüne, in den letzten Jahren von diesen abgewandt habe.
Ohne annähernd die Klimaberichte wissenschaftlich nachvollziehen zu können, ist mir die allüberall verordnete Reduktion des CO2-Ausstosses schon alleine deshalb verdächtig, weil sie zunehmend mit einer «intelligenten» Einschränkung von Freiheitsrechten einhergeht. So können die von der Schweizer Bundesversammlung diskutierten Smartmeter nicht nur unseren Stromkonsum messen, sondern auch lenken. In Europa sind Systeme in der Pilotphase, die unser Umweltverhalten ordnungspolitisch steuern wollen, zum Beispiel durch die Einführung von Emissions-Zonen in städtischen Bereichen.
Inzwischen sind mir die Grünen, obwohl ich sogar mal Kommunikation für sie gemacht habe, hochsuspekt. Sie gehören – reich und gebildet – zu jener Bevölkerungsgruppe, die dem Coronanarrativ besonders schlimm verfielen. Das zeigten Umfragen immer wieder. Sie, die die höchsten Verwaltungs- und akademischen Stellen im Land bekleiden, sitzen nun an den Schalthebeln der Macht. Ob Gender, kulturelle Aneignung, Solarstrom oder Elektroautos – sie haben es geschafft, dass keine Regierung (und kein Unternehmen) mehr an ihrer Agenda vorbeikommt. Wie eine zugepappte Puderzuckerschicht überkleistert Greeenwashing sämtliche Gesellschaftsfelder.
Die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung ist gewährleistet.
In der Coronakrise hat der Staat sein wahres Gesicht enthüllt: Er versteht sich nicht mehr als Garant der Grundrechte seiner Bürger, sondern als Gehilfe von privatwirtschaftlichen Interessen. Er ist immer noch stark, wie ich ihn mir als Linke einst erhoffte, aber nicht, um für soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Nun setzt er die Interessen des Grosskapitals, von Pharma, Banken und Tech, durch. Und zwar auch dort, wo es um Allgemeingut wie Wasser, Strom, Bildung und Gesundheit geht. Opfer dieser Verschmelzung von Staat und Privatwirtschaft ist die Freiheit. Mit dem Gemeinwohl veräussert der Staat die Grundrechte seiner Bürger.
«Die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung ist gewährleistet», so steht es in der Bundesverfassung. Anfang der 90-er Jahre konnte ich aus nächster Nähe beobachten, wie der Ausverkauf der Forschung begann.
Nach dem Studium, ich hatte die Ausbildung zur Gymnasiallehrerin abgebrochen, arbeitete ich eineinhalb Jahre als Sekretärin im Prorektorat Lehre und Forschung der Universität Zürich. Es war Anfang der 90er Jahre. Mein Chef, begeistertes FDP-Mitglied, war Feuer und Flamme von der neuen «Unabhängigkeit» der naturwissenschaftlichen Forschung, wie er es nannte. Weg vom Staat sollten die Forscher kommen. Drittmittel eintreiben, hiess das. Je mehr Forschungsgelder ein Institutsleiter von der Privatwirtschaft einwerben konnte, desto höher war sein Status. Die neue Unabhängigkeit war in Wahrheit eine immer grösser werdende Abhängigkeit von der Industrie. Die bestimmte, was geforscht wurde.
Ich fragte mich, wer die Grundlagenforschung bezahlen soll, wenn die Professoren nunmehr im Solde der Industrie stünden. Wissenschaft wird doch, so dachte ich und denke ich noch heute, von Neugier, der Liebe zur Wahrheit und auch von zufälligen Erkenntnissen getrieben.
Die FDP warb im letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrtausends mit dem Slogan Eigenverantwortung. Ich dachte in linker Manier an die sozial Schwachen, die unverschuldet und wegen mangelnder Bildung in die Schuldenfalle geraten waren. Allen jederzeit Eigenverantwortung zuzumuten, empfand ich als zynisch. Noch ahnte ich nicht, dass ich dreissig Jahre später während der Coronakrise genau diesen Begriff für mich beanspruchen würde. Ich wollte eigenverantwortlich entscheiden, welche Medikamente man mir spritzte, ohne dafür in meinen Grundrechten eingeschränkt zu werden.
Verhexte Welt: Die FDP erinnerte sich 2020 und den Folgejahren offensichtlich nicht mehr an ihren Slogan. Eigenverantwortung wurde im Coronadebakel zum Tabuwort. Genau wie für alle anderen Parteien, die brav dem Bundesrat mit seinem impliziten Impfzwang hinterher trotteten.
In der Coronakrise haben sich die Träume von Rechts und Links auf fatale Weise realisiert. Die Rechten, die schon immer den Rückzug des Staates aus öffentlichen Aufgaben gefordert hatten, konnten es nun zufrieden sein. Der Traum der Linken hingegen lautet seit Karl Marx, der Staat möge die Freiheit des Einzelnen zugunsten von Werten wie Gerechtigkeit und Gleichheit und nun neu Klimakontrolle, einschränken. Die Impfkampagne mit ihrem Aufrufruf zur Solidarität entsprach genau linker Agenda.
Und: Indem das Bundesamt für Gesundheit und Swissmedic so taten, als hätten sie die Impfstoffe ordnungsgemäss geprüft, wurde die Illusion, der Staat erfülle immer noch seine oberste Pflicht, die leibliche Integrität zu garantieren, gewahrt. Umarmung von privatwirtschaftlichen Interessen, Einschränkung von Grundrechten zugunsten angeblich moralischer Werte. Und schon war der Staat mithilfe von Links und Rechts ad absurdum geführt. Und schon hatte sich der Staat vom Garanten der Grundrechte zum Ausverkäufer derselben verwandelt.
Ein Beispiel gefällig? Bass erstaunt musste ich zur Kenntnis nehmen, dass die grossen Labore des Paul-Ehrlich- und des Robert-Koch-Instituts, selbst wenn sie es denn wollten, gar nicht mehr in der Lage wären, die Cocktails der Pharmariesen unter die Lupe zu nehmen. Warum? Die hochspezialisierten Dienstleistungen der staatlichen Aufsichtsbehörden wurden ausgelagert. So ging sehr viel Knowhow verloren, das sich nicht mehr aufbauen lässt. Es ist im Grunde einfach: Weil der Staat die Dienstleistungen, mit denen er unsere Grundrechte wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit, ausgelagert hat, kann er sie nicht mehr garantieren.
Ein Steckenpferd der auch von den Neulinken vorangetriebenen Ausverkauf des Staates heisst Private Public Partnership - PPP. Ich war in den 90-er und Nuller Jahren Journalistin in Biel, als der Stadtpräsident sich damit brüstete, die Privaten mit ins Boot zu holen, um die Elektrizitäts- oder Wasserwerke mitzufinanzieren. Beim PPP-Modell erfüllen Staat und Private staatliche Aufgaben gemeinsam.
Ich fand es absurd, dass Staatsbetriebe in eigene Einheiten – Gewinncentern – ausgelagert wurden, die Gewinne abliefern mussten. Gewinne buchstäblich aus den Stoffen, die das moderne Leben überhaupt ermöglichten? Privatisierung von Gewinnen, Verstaatlichung von Schulden? PPP müsste eigentlich kritisch dargestellt werden, dachte ich. Aber ich fühlte mich als Lokaljournalistin ausserstande, das zu leisten. Die Ressourcen auf der Redaktion reichten nicht aus, um solch gewichtigen Fragen nachzugehen. Also stellte ich die Ideen des charmanten und redebegabten Stadtpräsidenten ins beste Licht. Ich tat damit etwas, was den Massenmedien heute massiv vorgeworfen wird: Ich gebärdete mich als anschmiegsame Propagandistin des Staates.
Während der Ausverkauf der Freiheit der Forschung in den Naturwissenschaften offensichtlich ist, sieht der Verlust von Freiheit bei den Geisteswissenschaften anders aus. Das Eintreiben von Drittmitteln ist illusorisch. Welche Industrie soll im grossen Stile Germanistik einkaufen? Nein, der Staat beraubt die Geisteswissenschaften ihrer Freiheit, indem er sie nütztliches Agendasetting betreiben lässt. Beziehungsweise, sie haben sich, vielleicht angetrieben vom Bestreben nach gesellschaftlicher Bedeutung, selber zum nützlichen Idioten gemacht.
Kontrolle statt Freiheit heisst hier die Devise. Das sei am Beispiel der Genderstudies erläutert.
Ich war Zeitzeugin, als das Aufspalten des generischen Maskulins an die Schweizer Universitäten überschwappte. Das war Anfang der 80-er Jahre. Schon in seiner Anlaufzeit war mir das Gendern höchst unsympathisch. Ich malte in unseren Diskussionen während meines Studiums am Deutschen Seminar in den 80er Jahren den Schrägstrich, die die Geschlechter näher zusammenrücken, ja verschmelzen und liess und doch trennte, hämisch in die Luft. Nacheinander sollten der Unterstrich, das Sternchen die Doppelnennung beider Geschlechter und vieles Absurde mehr den vermeintlichen Einschluss der Frauen in die Gesellschaft qua Sprache signalisieren. Dieser sprachphilosophisch unhaltbaren Ideologie Folge zu leisten, wonach Sprache Gesellschaftsverhältnisse verändern kann, wird nun diktatorisch von Ausbildungsinstitutionen und Behörden verordnet.
Seither zieht die Sprache eine dunkle hässliche Schleppe hinter sich her, die von ihrer Versklavung und ihrem Missbrauch zeugt. Ja, und heute geht es ja noch einen Schritt weiter. Nun darf der Sprache gar nicht mehr angesehen werden können, ob von einem Mann oder einer Frau die Rede ist. Meine Pronomen sind she and her, so beginnen heutzutage Vorstellungsrunden in den Seminaren, sorry, natürlich Modulen, he and it, könnten es auch sein. Sieger ist momentan wohl, wer, wie es der Verein für geschlechtsneutrales Deutsch vorschlägt, en/ens/em für sich in Anspruch nimmt.
Nicht nur die ellenlange oder verkürzte Doppelnennung der Geschlechter wurde Mode. Gender Studies, damals noch nicht unter diesem Namen, begannen, die Universitäten zu erobern. Ich wunderte mich, wie einfach es sich die Gendertheoretiker machten, ein literarisches Kunstwerk zu interpretieren. Der Autor war frauenfeindlich. Und eigentlich hat seine Frau das Buch geschrieben. Das ist in Kurzform die Ausbeute einer gendertheoretisch durchgeführten literaturwissenschaftlichen Arbeit.
Für mich waren diese immergleichen Ergebnisse nicht nur höchst verwunderlich. Sie raubte meinem geliebten Fach all das, weshalb ich es gewählt hatte. Es war die hermeneutische Freiheit, immer wieder andere Instrumente zu wählen, um mich den Kunstwerken zu nähern und es wie ein kostbares Geschenk langsam auszupacken. Nutzte es, Freud oder andere psychoanalytische Theorien beizuziehen? Was brachte der Vergleich mit früheren Werken des Autors? Fand man in ihnen Splitter historischer Ereignisse, reagierten sie auf zeitgenössische Philosophien, welche neue Erkenntnisse über Gesellschaft und Beziehungen erschlossen sich mir aus den Texten?
Mit den Gendertheorien begann eine Ahistorizität, die mit der Streichung von unliebsamen, da aus heutiger Sicht rassistischen Wörtern in Karl-May-Romanen oder Regieanweisungen bei Friedrich Dürrenmatt einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat. Nicht das Verstehen war nunmehr die kostbare Aufgabe der professionellen Leser, sondern die Einverleibung des Werks durch eine werkfremde Theorie. Was als Jagd auf das Patriarchat begann, endete in Vernichtung. Nicht des Patriarchats wohlverstanden, sondern des Werkes.
Neoliberalismus. Club of Rome. Drittmittel eintreiben. Private Public Partnership. Genderstudies. So heissen die Stationen, die unsere Gesellschaft in den letzten 40 Jahren unfreier gemacht haben. Erst Corona hat mir die Augen für diese Zusammenhänge geöffnet.
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