Konversationsmüll und die Frage: Was war zuerst, Huhn oder Ei?

In unseren Medien und Gesprächen zeigt sich oft das gleiche Grundmuster: viele Themensprünge und oberflächlich – denke ich so bei einem Kaffee auf dem Berner Bauernmarkt. Kolumne.

© Mia Leu

Bern, an einem wunderschönen Samstagmorgen. Im Schatten der Arkaden ist es noch kühl. Eine leichte Sommerbrise weht herüber aus Richtung Kirchenfeldbrücke. Auf dem Bauernmarkt in der Münstergasse herrscht buntes Treiben, die Pflastersteine glänzen im Morgenlicht. Ich sitze im Café und geniesse diese Morgenstimmung in vollen Zügen.

Bei einer Tasse Kaffee beobache ich dieses Treiben. Ein Pärchen, eine Frau und ein Mann Mitte fünfzig, kommen an meinen Tisch und fragen, ob noch frei wäre. Ich bitte sie, Platz zu nehmen. Die vielen Einkaufstüten werden links und rechts abgestellt. Sie setzen sich, legen Zeitungen, Schlüsselbund und Handys auf den Tisch. Der ist nun voll. Beide nehmen ihre Handys zur Hand und tun, was man damit so tut.

Schon bald höre ich, wie das in solchen Situationen üblich ist, ihrer Konversation zu. Er: «Welchen Anzug soll ich denn heute Abend anziehen, gestreift oder uni?» Sie: «Hast du die Felchen eingekauft?» Er: «Dass die da durchfahren dürfen mit ihren fetten Autos.» Sie schaut auf ihr Handy und sagt: «Zieh doch die gestreifte Krawatte an.» Er: «Weisst du, dass wegen dem ganzen Stickstoff die Seen ersticken?» Sie: «Ach.» Er wechselt den Blick von seiner Zeitung aufs Handy und sagt: «Also ich würde von den Franzosen die Flugzeuge kaufen, das sind doch immerhin unsere Nachbarn. Die Amherd will doch tatsächlich von den Amerikanern die Bomber kaufen, die sind sicher viel zu gross und passen gar nicht in unsere Garagen.» Sie: «Heut Abend gibts kein Gewitter, da können wir draussen essen.» Er: «Alfred bringt sicher wieder Cognac mit, das mag ich gar nicht das Zeug.» Sie: «Das ist sowieso nur für Säufer.» Sie blickt von ihrer Zeitung auf: «Das gibts doch nicht, in Zürich fährt ein Toter sechs Stunden Tram.»

Und so geht es weiter, an meinem Tisch an einem schönen Samstagmorgen. Während das Paar weiter spricht, bringe ich meine Gedanken dazu aufs Papier: Es sind nette, anständig Menschen, die beiden, mit allem, was dazu gehört. Die Art, wie sie sich unterhalten, erinnert mich stark an unsere Medien, die im Sekundentakt in Trams, Bussen, auf den Werbeschirmen in den Bahnhöfen, im Radio, Fernsehen und in Handys den gleichen Inhaltssalat präsentieren. Solchen Gesprächen habe ich schon oft zugehört und ich frage mich, wie kommt dieser Konversationsmüll nur zustande? Sind die Medien schuld daran, ist es die Erziehung, die Pädagogik, oder der Mensch an sich. Eine Frage, wie die beim Huhn und Ei, denke ich. Die Medien wären das Huhn und der Mensch das Ei, oder umgedreht?

 

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Andreas Beers aus Bern ist Landwirt, Arbeitsagoge und Lehrer. Er kultiviert die Erde, sät, pflanzt und erntet, er denkt, spricht und schreibt über: Mensch, Erde und Himmel, oder was wir zum Leben brauchen. Kontakt: [email protected].

«…da ahnst du, dass, was scheinbar fest gefügt und uns sich als die Wirklichkeit erschliesst, nichts als ein Bild ist, das sich selbst genügt, durch das verträumt ein grosser Atem fliesst». (Konstantin Wecker)