«Kunst ist eine Brücke von der inneren zur äusseren Welt»

Ein offenes Haus für die Menschen in Zürich und ein Ort für den Wandel: Das soll das «House of Transformation» sein. Was BesucherInnen da erwartet und warum Kunst hier die Hauptrolle spielt, davon erzählen die Initianten in einem Interview.

Manuel Brändli und Rayén Oberholzer suchen neue Wege in einer neuen Zeit. / Arthur Sobrinho

«Hier entsteht ein kulturelles, nachhaltiges Pionierprojekt – für die Nachbarschaft und für die Welt». Das ist am Eingang des «House of Transformation» zu lesen. Was macht euch zu Pionieren?

Manuel Brändli: Als Pioniere bezeichnen wir uns, weil wir Neues kreieren, mit dem wir uns nicht an bereitsetablierten Projekten orientieren. Das «House of Transformation» wird ein Ort der Vernetzung und Zusammenarbeit für inneren und äusseren Wandel. Der innere Wandel umfasst für uns alle Bereiche, die mit Gefühlsarbeit und tiefgreifender persönlicher Entwicklung zu tun haben, während wir mit äusserem Wandel den gesellschaftlichen Systemwandel meinen. Dazu gehören sämtliche Bereiche einer neuen Denk- und Handlungsweise in Punkten wie Umwelt- und Ressourcenschutz, neue Wirtschaftssysteme und ein neuer Umgang mit Geld. Wir sind beide auch in der Transition- und Umweltkunstbewegung aktiv, deshalb fliessen in unserem Projekt die persönliche und die gesellschaftliche Perspektive zusammen.
 

Was unterscheidet das «House of Transformation» vonanderen Gemeinschafts- und Hausprojekten in Zürich?

Rayén Oberholzer: In unserem Projekt ist der innermenschliche, persönliche Wandel das zentrale Anliegen. Die Kunst ist dafür die Verpackung und das Mittel, um die auftauchenden Emotionen und Prozesse nach Aussen zu transportieren. Kunst ist für unser Wirken zentral, und wir verstehen sie als Brücke von der inneren zur äusseren Welt.
 

«Willkommen im Zeitalter des Fühlens», steht auf dem grossen Banner über dem Hauseingang. Hat dieses Zeitalter schon begonnen?

Manuel Brändli: Ich glaube, wir stehen gerade an der Schwelle zu diesem Zeitalter. Eine Zeit, in der wir uns weder ausschliesslich an Mystik und Religion, noch allein an den rationalen Idealen der Aufklärung orientieren. Stattdessen werden wir ganz neue Wege finden und unsere Orientierung in der Welt durch das Fühlen erlangen.

Rayén Oberholzer: Für mich persönlich bedeutet «Zeitalter des Fühlens», einen gesunden Zugang zur Intuition und Lebendigkeit wiederzuerlangen. Andere Menschen dazu ermuntern, diesem inneren Kern wieder zuhören und vertrauen zu können, ist mir wichtig.
 

Was erwartet BesucherInnen im «House of Transformation»?

Rayén Oberholzer: Geplant ist den Eingangsbereich als Ausstellungsraum zu gestalten, der die Menschen auf der kognitiven Ebene abholt. Sie sollen sich damit auseinandersetzen können, was wir mit Gefühlsarbeit meinen. Es soll ihnen einen Einblick geben, was es im Haus alles zu entdecken gibt. Wir erklären dort Methoden, die wir anwenden, erläutern zum Beispiel Körper- und Atemarbeit und wie wir diese Techniken für unsere Emotionsverarbeitung nutzen können. Nachdem die BesucherInnen sich auf der informativen Ebene mit dem Angebot auseinandergesetzt haben, können sie entscheiden, ob sie sich auf die praktische Prozessarbeit einlassen möchten.
 

 

Das Projekt «House of Transformation» ist gerade in der Aufbauphase. Was wird sich in den nächsten Monaten verändern?

Manuel Brändli: Zur Zeit verändert sich täglich die Gestaltung, das ist ein sehr spannender Prozess. Verschiedene Künstler- und Künstlerinnen sind aktiv, bemalen Wandflächen, gestalten Mosaike und kreieren plastische Installationen mit thematischem Bezug zu den einzelnen Räumen. Diese Verwandlung wird über die nächsten Wochen und Monate noch weitergeführt. Wir wollen den Aussenbereich ebenfalls einbeziehen und haben vor Kurzem mit einer ersten Graffitti-Aktion begonnen. Im Hinblick auf die aktuelle Corona-Situation ist momentan unklar, wann die ersten öffentlichen Events stattfinden können. Viele Menschen sind durch die aktuelle Situation in Zusammenhang mit Covid-19 massiv mit existenziellen Problemen konfrontiert. Angst und Unsicherheit sind häufig die Folge.
 

Welche konkrete Unterstützung kann hier das «House of Transformation» bieten ?

Rayén Oberholzer: Das «House of Transformation» ist ein Ort, an dem wir sowohl Wissen vermitteln als auch bestimmte Methoden und Techniken als Wegweiser für einen gesunden Umgang mit unserer Gefühlswelt anbieten. Der Ausstellungsraum und unsere Prozessarbeit, die BesucherInnen am «Day of Transformation» kennenlernen können, sind so konzipiert, dass emotionale Vorgänge sichtbar und verständlich werden. Wir müssen uns im Leben immer wieder mit Existenzängsten und dem Verlust von bekannten Strukturen auseinandersetzen. Deshalb liegt es in unserer Verantwortung, den Umgang mit Angst, Wut und Trauer genauso zu lernen, wie die Wertschätzung gegenüber Gefühlen, die wir als schön bezeichnen.

Rayén, du bist eigentlich Juristin und du Manuel hast unter anderem Publizistik und Ethnologie studiert. Inzwischen seid ihr Projektentwickler, Coaches, Künstler. Welcher persönliche Weg hat euch dorthin geführt?

Rayén Oberholzer: Ich habe mich schon immer dafür interessiert, wie ich Systemstrukturen beeinflussen kann und wollte dafür unser geltendes Rechtssystem genau kennen. Es war mir wichtig zu lernen, was unsere Rechte sind, wie ich mich dafür einsetzen und sie verteidigen kann. Zugleich habe ich viele Jahre eigene, fundamentale Krisen durchlebt. Irgendwann fiel mir auf, dass auch meine inneren Glaubenssätze und emotionalen Muster von einer einschränkenden Art zu Denken und zu Fühlen bestimmt wurden. Als Konsequenz darauf habe ich begonnen, einen Perspektivenwechsel von Aussen nach Innen zu vollziehen. Wenn wir unsere äussere Welt verändern wollen, müssen wir zuerst im Inneren aufräumen.

Manuel Brändli: Für mich ist in allem, was ich tue, immer die zentrale Frage: Um was geht es eigentlich wirklich? Wir haben viele Schichten an Fassaden und sozialer Verkleidung. Den verletzbaren und doch unzerstörbaren Kern unter all diesen Verkleidungen zu erkennen und ihn als Ressource zu nutzen, das ist, was mich fasziniert. Diese Selbstermächtigung auch weiterzugeben, ist eines meiner Herzensanliegen.

Aus welchen Bereichen der Persönlichkeitsentwicklung kommen eure Methoden?

Manuel Brändli: Innerhalb des «House of Transformation» und auch bei den «inneren Reisen» fliessen verschiedene Ansätze zusammen. Wir nutzen Atem, Yoga- und Körperarbeit und sind beeinflusst von verschiedenen Methoden, zum Beispiel der Urschreitherapie, Bioenergetik, Yoga und systemischer Arbeit. Durch unsere eigene Praxiserfahrung entwickeln wir diese Methoden ständig weiter.

Welchen Platz hat darin die bildende und darstellende Kunst?

Rayén Oberholzer: Wir haben mit dem «Day of Transformation» einen prozess- und erlebnisorientierten Workshop kreiert, in dem die BesucherInnen eingeladen sind, ihre äusseren Rollen abzulegen, um sich ganz ihrem Inneren zuwenden zu können. Wir verbinden dabei Atem- und Körperarbeit mit spielerischen Elementen, nutzen gezielt eine künstlerisch gestaltete Umgebung und begleiten den Prozess mit Musik- und Klangelementen. Das Haus wirkt dabei als Gesamtkunstwerk, das innere Bilder und Assoziationen hervorruft, die bereits zur Prozessarbeit gehören. Das Eintreten soll durch künstlerische Symbole der Umgebung ganz bewusst als Eintreten in eine andere Ebene der Realität empfunden werden. Der Begrüssungsdesk im Eingangsbereich ist unsere «Inner Travel Agency». Hier beginnt der Workshoptag und die BesucherInnen erhalten alle wichtigen Informationen zum Abenteuer der inneren Reise. Für die Zukunft ist geplant, dass der «Day of Transformation», neben uns als professionellen Coaches, auch von ein- oder zwei SchauspielerInnen begleitet wird. Sie werden uns gewissermassen als ReisebegleiterInnen bei den Abläufen des Workshops unterstützen.

Ihr schreibt auf eurer Website: «Jetzt mitwirken und Revolution bewirken!» Mutige Aussage! Was bedeutet für euch Revolution?

Manuel Brändli: Ich liebe das Wort Revolution! Für mich ist das etwas total Positives. Ich denke dabei nicht an die russische oder die französische Revolution, wenn ich diese Aussage mache. Revolution ist für mich ein Umschwung und ein Wandel zu einer lebensdienlichen und freien Welt, wie ich sie mir wünsche. Mein ganzes Sein für diesen tiefen Wunsch in Aktion bringen, das bedeutet für mich Revolution!

Rayén Oberholzer: Revolution bedeutet auf persönlicher Ebene für mich, die volle Verantwortung für alle Lebensumstände zu mir zu nehmen, damit ich aufhören kann, sie an Drittinstanzen abzugeben. Wenn ich in jedem meiner Lebensbereiche meine Verantwortung wahrnehme, leiste ich damit den grösstmöglichen Dienst für das Leben. Davon bin ich überzeugt!