Jahrelang muss sich unser Kolumnist die Provokation des Mannes mit dem Aktenkoffer gefallen lassen. Bis er ihm eines Tages die Meinung sagt.

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Wie fast alle erwachsenen Menschen muss auch ich jeden Morgen arbeiten gehen. Ich stehe deshalb werktags immer um 6 Uhr 20 auf dem Bahnsteig in Tägertschi, wo ich auf meinen Zug warte. Und genau dort kommt seit Jahren ein Typ mit einer Aktentasche daher, der es scheinbar nötig findet, mir die Tageszeiten zu erklären. Er ruft mir nämlich immer laut «Morgen» zu. Glaubt dieser Vollpfosten wirklich, dass ich nicht weiss, dass um 6 Uhr 20 Morgen ist? Wie verpeilt muss jemand sein, dass er einem Mitmenschen jeden Morgen erklären will, dass es Morgen ist?

Zuerst dachte ich, dass er irgendwie behindert ist, doch dann habe ich ihn mal im Zug belauscht und bemerkt, dass er völlig normal mit einem Fahrgast geplaudert hat. Es ist offensichtlich: Der Typ will mich mit seinem «Morgen» einfach provozieren. Doch da ich seit Jahren Yoga mache, konnte ich die Provokation bisher einfach herunterschlucken. Einmal kreuzte ich ihn zufällig an ­einem Nachmittag in Bern. Um mich zu rächen und ihn auch mal zu provozieren, rief ich ihm laut «Nachmittag» zu. Aber er reagierte überhaupt nicht auf die Provokation. Ich vermute ­deshalb, dass er Buddhist ist.  

Doch letzten Dienstag, als ich wieder auf den Zug wartete, ging es mir gar nicht gut. Ich muss zugeben, ich war voll geladen: Am Vorabend hatte meine langjährige Frau verkündet, dass sie sich scheiden lassen will und den Hund – den ich ehrlicherweise mehr mag als sie – mitnehmen will. Ich hatte also fast nicht geschlafen und mich von Wodka «ernährt». In diesem Zustand stand ich also auf dem Bahnsteig, als ich ihn schon von weitem kommen sah. Und es kam natürlich wie es kommen musste: Er kam auf mich zu und rief laut «Morgen». Da explodierte ich! «Halt die Fresse», schrie ich ihn an.

Es kam zu einem wüsten Handgemenge. Ein Mann, der einige Meter entfernt stand, kam auf uns zu und wollte wahrscheinlich vermitteln. Er fragte mich: «Was ist denn da los?» Ich erklärte ihm, dass mich der Typ seit Jahren jeden Morgen provoziert, indem er mich wie ein Volldeppen behandelt und mir jeden Morgen mit einem lauten «Morgen» erklären will, dass Morgen ist, obwohl doch jedem normal intelligenten Menschen klar ist, dass um 6 Uhr 20 Morgen ist. Der Mann schien die Sachlage sehr schnell zu begreifen. Er wurde fast noch wütender auf den Mann als ich. Er riss ihm den Aktenkoffer aus der Hand und schlug ihm diesen ans Knie. Ich fand das schon brutal, aber ich muss auch sagen, dass es sich gut anfühlte, dass der Morgen-Mensch für seine jahrelangen Provokationen mal den Strafzettel bekam. Man muss sich echt nicht alles bieten lassen!

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Kommentare

Satire oder was?

von juerg.wyss
Ich begreife diesen Artikel nicht. Wie kann es sein, dass jemand der gegrüsst wird, sich durch diesen Gruss provoziert fühlt. Wenn das Satire sein soll, möchte ich Euch bitten, diese auch als solche zum erkennen zu geben. Oder ist das ein Versuch, die Menschen noch mehr in die Isolation zu treiben? Jedenfalls muss ich mich wundern über diesen Artikel.

traurig

von Schwarzbub
Genau ein derartiges Verhalten, wie es der Autor an den Tag legt, ist letztlich symptomatisch für die zunehmende Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft. Oder falls das als Satire gemeint ist, so ist sie weder lustig noch witzig. Einfach nur bedauernswertes Mitleid auslösend für die darin zum Ausdruck kommende innere Aggressivität. Der Text macht mich bloss traurig.