Chapeau! – für Suppe und Kaffee in der Offenen Kirche Bern
«Wir machen die Türe für Randständige auf statt zu», so das Credo der Offenen Kirche Bern. Sie unterstützt und begleitet seit 20 Jahren Menschen, die aus der gesellschaftlichen Norm herausfallen – «schräge Vögel», wie Pfarrer Andreas Nufer sie liebevoll nennt.
«Während Corona sind in der Stadt Bern viele Angebote für Süchtige, Randständige oder Obdachlose zugegangen», sagt Andreas Nufer, Pfarrer der Offenen Kirche Bern. «Die Pandemie-Massnahmen haben eine Situation verschärft, die ohnehin schon kritisch war.» In den letzten Jahren seien in Folge der Sozialpolitik des Kantons Bern diverse Institutionen geschlossen worden, oder das Budget für Angebote wie betreutes Wohnen gekürzt. Für Nufer ist dies bedenklich, vor allem weil er seit Jahrzehnten Menschen unterstützt, die nicht ganz ein 08/15-Leben führen.
Der Ursprung der Citykirche am Bahnhof Bern, die von den katholischen und reformierten Kirchen der Stadt Bern, der christkatholischen und der jüdischen Gemeinde Bern mitgetragen wird, gibt es seit 20 Jahren. Entstanden ist sie, weil der Bahnhofplatz damals zum Treffpunkt von Drogensüchtigen geworden war. «Die Reaktion der Stadt Bern bestand darin, eine Wassersprenkleranlage einzurichten, um die Süchtigen zu vertreiben», berichtet Nufer. «Doch der Kirchgemeinderat sagte: Wir drehen den Spiess um, machen die Türe auf statt zu, und bieten den Menschen eine warme Suppe an.»
«Die Pandemie-Massnahmen haben eine Situation verschärft, die ohnehin schon kritisch war.»
Daraus wurde im Lauf der Jahre die Cafeteria im Kirchenraum der Heiliggeistkirche. Diese wird von rund 60 Freiwilligen betrieben und ist von Dienstag bis Freitag von 11 bis 18.30 geöffnet, am Sonntag von 13 bis 17 Uhr. «Die Menschen kommen nicht nur, weil sie dort gratis Kaffee oder Saft bekommen, sondern vor allem auch, weil immer jemand zum Reden da ist», sagt Nufer. «Manche kommen jeden Tag, andere schneien herein, zum Beispiel auf dem Weg zum Einkaufen.» Es ist eine bunt gemischte Gruppe von Menschen, die sich gegenseitig unterstützen. Zum Teil sind Freundschaften daraus geworden. «Natürlich ist es manchmal anstrengend, da auch Leute dabei sind, die psychische Probleme haben. Aber dafür ist die Kirche schliesslich da.» Bei ernsthafteren Problemen verfügt die offene kirche bern auch über das Gefäss «ganz Ohr», wo man mit Seelsorgern oder Psychologen sprechen kann.
«Seit Corona kommen eindeutig mehr Leute», sagt Nufer. «Der Kaffeekonsum hat sich verdoppelt, und wir stellen auch fest, dass die Probleme komplexer werden. Es kommen auch Menschen zu uns, die eigentlich professionelle Betreuung bräuchten, doch eine solche ist zurzeit nicht immer einfach zu finden.» Die Lockdowns und andere Einschränkungen haben zum Beispiel dazu geführt, dass Menschen in unbetreuten Wohnprojekten ständig alleine zu Hause waren, was für manche extrem belastend war. Hier sprang die Offene Kirche Bern, und oft auch Andreas Nufer persönlich, ein. Ihn trifft man oft auf dem Bahnhofplatz an, im Gespräch mit Menschen – «spontane Seelsorge», wie er es nennt.
Nebst dem Café hat die Offene Kirche Bern diverse Projekte initiiert, zum Bespiel die Aktion «Beim Namen nennen», bei der Geflüchteten gedacht wird, die auf dem Weg nach Europa gestorben sind. Zur Weihnachtszeit wird nicht nur ein musikalischer Adventskalender organisiert, bei dem jeden Tag ein Überraschungsgast in der Kirche auftritt. Sondern auch eine bunte Krippe auf dem Bahnhofplatz, die mit allen Klischees bricht und sogar von lebendigen Schafen begleitet wird. Und dann natürlich die internationale Weihnachtsfeier, bei der es durchaus sein kann, dass statt einer Maria drei verschiedene auftreten, die ausserdem nicht viel Deutsch sprechen.
Doch die Kirche widmet sich nicht nur sozialen Fragen, sondern auch Nachhaltigkeitsprojekten, beispielsweise zu Themen wie Ernährung und Foodwaste. So steht etwa einer von Madame Frigos Kühlschränken in der Kirche. In diesem können abgelaufene, aber noch nicht verfallene Lebensmittel platziert oder abgeholt werden – der Zeitpunkt berichtete.
Wir ziehen den Hut vor der offene kirche bern und Pfarrer Andreas Nufer, der diese und viele weitere Projekte und Aktionen initiiert und koordiniert. Ohne dieses Engagement wäre Bern eindeutig ein kälterer Ort.
Mehr Infos zu den Projekten und zu Möglichkeiten der freiwilligen Mitarbeit: www.offene-kirche.ch
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