«Meine O'Deline in strahlendem Weiss»

Harald Reichenbach ist endlich wieder bei seinem Segelschiff, das er wegen Corona in der Karibik zurücklassen musste. Wider Erwarten hat er die O'Deline nach zwei Jahren «gut in Form» vorgefunden. Schon bald geht sie ins Wasser. Der Berner Künstler wird in der Zeitpunkt-Serie «Harry geht wieder auf See» regelmässig aus Übersee berichten, aber auch Nachrichten funken, wenn er auf hoher See Richtung Europa schaukelt.

Die O'Deline trägt die Landesfahnen aller Länder, die G-Cubes besucht hat / © Harald Reichenbach

Alles schien fast wieder normal, als ich am 13. April zurück nach Grenada in die Karibik kam. Vor zwei Jahren sass ich hier vier Monate fest: Lockdown, Ausgangssperre, Maskenpflicht, Stillstand. Heute ist auf der Werft, wo mein Schiff noch jetzt an Land steht, der Alltag wieder eingekehrt. Grenada war die letzte Insel der kleinen Antillen, die alle Corona-Auflagen aufgehoben hatte.

Ich war gespannt, wie ich O'Deline vorfinden würde. Eine so lange Zeit an Land, in der sengenden Sonne, und grosser Luftfeuchtigkeit ausgesetzt, das kann einem Schiff viel Schaden zufügen. Zum Glück hatte ich Martin, einen Freelancer, der sich angeboten hatte alle zehn bis vierzehnTage nach dem Rechten zu schauen und durchzulüften. Nach dem Vulkanausbruch auf St.Vincent, knapp 80 nautische Meilen von Grenada entfernt, war ein schwerer Aschenregen niedergegangen und bedeckte die ganze Insel. Ich war darauf vorbereitet, erst mal viel putzen zu müssen, bevor ich mich dem Unterhalt widmen konnte. So war ich denn sehr positiv überrascht, O'Deline in strahlendem Weiss und vor allem trocken vorzufinden. Martin sei Dank!

Meine letzten zwei Wochen waren primär den sicherheitsrelevanten Arbeiten gewidmet: Ausbau des Ruders und Erneuerung der Lager, grosser Motorservice, neue Batterien und Kontrolle von Rettungsinsel, Rettungswesten, Mann-über-Bord (MOB)-Boje und den persönlichen AIS-Sendern. Und noch vieles mehr. Ein Schiff ist ein fahrbares Haus (mit Küche, Schlafzimmern und Toilette). Es ist ein Fahrzeug mit zwei Motoren (Segel und Diesel). Und es ist eine hochtechnisierte Navigationszentrale mit GPS und zwei Funkstationen (VHF und SSB). Auf dem weiten Ozean gibt es keine Tankstellen, Kioske und Garagen. Dementsprechend ist die Sicherheit und die Autonomie des Schiffes das höchste Gut für eine lange Reise.
 

Drucklufttest des Sicherheitsmaterials.
 

Auch G-Cubes nimmt wieder Fahrt auf. Myrna von «Solid Waste Management Grenada», welche mir vor zwei Jahren eine Präsentation des Projektes vor Funktionären und Regierungsmitgliedern ermöglichte, gibt Vollgas. So organisierte sie zwei Termine mit lokalen Fernsehstationen und zwei Schulen, an welchen ich in der zweiten Maiwoche G-Cubes-Events durchführen werde. Es ist wunderbar zu merken, dass der Pandemie-Winterschlaf allmählich zu einem Ende kommt.

Ich hoffe, O'Deline nächste Woche einwassern zu können. Ich bin im Zeitplan und wie es aussieht, sollte dem Start für die Rückreise ins Mittelmeer nichts im Wege stehen.

 


Aus der Serie «Harry geht wieder auf See», Mitte April war Harry noch in der Schweiz und berichtete, kurz bevor er ins Flugzeug stieg: hier lesen.

Und die Vorgeschichte sowie das Kunstprojekt G-Cubes: hier.

Auf Grenada kam Harry ins Fernsehen: hier (schauen ab 24:35 Minuten)