Weggeschickt und ferngeblieben: Der Gastronomie fehlt das Personal
Das Gastgewerbe leidet unter dem ausgetrockneten Arbeitsmarkt. Während des Corona-Lockdowns wurde Personal im grossen Stil entlassen. Eine Rückkehr in die Branche ist für viele Fachkräfte keine Option mehr. Einige Restaurants, Bars und Cafés schliessen nun ihre Türen. Ungewollt.
Zuerst der Lockdown, dann die Zertifikatspflicht. Die Coronajahre haben der Gastroszene stark zugesetzt. Mitarbeitende wurden entlassen, einige davon kehrten der Branche den Rücken und haben sich neu orientiert. Seit Ausbruch der Krise gingen bereits zehntausende Jobs verloren, wie Gastrosuisse im Januar verkündete.
Nun schlägt das Pendel zurück: Der Arbeitsmarkt ist stark ausgetrocknet. Die Personalnot erreicht derzeit eine Rekordhöhe. Restaurants und Cafés müssen ungewollt schliessen. Die Lage hat sich nicht nur im Gastrobereich zugespitzt; überall herrscht ein Fachkräftemangel. Auch in die IT-Branche wird händeringend nach IT-Spezialisten gesucht. Die Coronakrise hat die Digitalisierung noch stärker vorangetrieben. Für deren Umsetzung fehlt jedoch das Personal.
Die Corona-Massnahmen haben dazu geführt, dass die gastgewerblichen Betriebe knapp 700 Tage mit massiven Einschränkungen leben mussten. Die Zertifikatspflicht war für viele Gäste ein Grund, Restaurantbetriebe aus ideologischen Gründen zu meiden. Zudem wurde das Mittagsgeschäft durch die Homeoffice-Pflicht geschwächt. Die Umsätze brachen gemäss Daten von Gastrosuisse und der Konjunkturforschungsstelle KOF um rund 40 Prozent ein. Das entspricht einem wirtschaftlichen Schaden von über 20 Milliarden Franken. Dieser Umsatzeinbruch, bei gleichbleibenden Fixkosten, bringt die Betriebe finanziell in Bedrängnis.
Seit ein paar Monaten sind die Massnahmen gefallen. Doch der Kellner oder Koch hat mittlerweile die Branche gewechselt. Quereinsteiger sind momentan vielerorts gefragt. Dazu kommt, dass die Arbeitsbedingungen nicht die besten sind: tiefe Löhne und unattraktive Arbeitszeiten. Die Beizen reissen sich nun um die dünn gesäten Arbeitskräfte. Die Erhöhung des Mindestlohns ab 2023 hat sich zwar durchgesetzt, doch fällt diese mickrig aus: Neben dem Teuerungsausgleich erhält das Gastropersonal 10 bis 40 Franken mehr Lohn pro Monat. Gastrosuisse würde die Öffnung des Arbeitsmarkts für Arbeitnehmende aus Drittstaaten begrüssen.
Man wäre jetzt versucht, süffisant lächelnd zu behaupten: selbst schuld! Eine etwas eindimensionale Betrachtungsweise. Auch wenn die Zertifikatspflicht zu verurteilen ist, wäre es falsch zu sagen, die Gastrobetriebe hätten sich ihre Misere selbst zuzuschreiben. Behalten wir im Auge, dass hinter den Beizern womöglich eine Familie steht, die es zu versorgen gilt. Nicht jeder hat ein zweites Standbein oder ist in der komfortablen Lage eines Doppelverdieners. Auch eine Neuorientierung erfordert Mut. Hut ab vor jenen, die sich trotz genannter Umstände dem Regime nicht beugten; eine allgemeine Verunglimpfung wäre jedoch falsch. Der Bund und die Gastroverbände sollten dafür in die Pflicht genommen werden.
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