Krieg beenden statt Panzer senden. Wie ein Schweizer Historiker die Redefreiheit auf den Prüfstand stellt
Wie wirken Politik und Medien zusammen? Wie geht Meinungsfreiheit? Und was geschieht, wenn wir nicht mehr frei sprechen dürfen? Wenn wir Auftritte absagen und verhindern, weil die Inhalte nicht dem aktuellen Regierungskurs entsprechen, was steht dann auf dem Spiel? Ein Blick auf die aktuelle Vortragsreihe des Historikers Daniele Ganser zum Ukrainekrieg und ein Plädoyer für die freie Rede.
Demokratie und freie Rede gehören zusammen. Schon die Philosophen des antiken Griechenlands und ihre Zuhörer wussten die Redefreiheit zu schätzen. Die Qualität der freien Rede und die Bedeutung eines freien Diskurses gehen weit über die reine Wissensvermittlung oder die Frage nach unterdrücktem Wissen auf der anderen Seite hinaus. In unserer aufgeklärten modernen Welt ist das alles natürlich eine Selbstverständlichkeit. Oder etwa nicht?
Ausverkaufte Säle, aber Druck vom Bürgermeister
Am 27. März 2023 hielt der Schweizer Historiker Daniele Ganser in Dortmund einen Vortrag zum Thema: Warum ist der Ukraine-Krieg ausgebrochen? Die 2000 Plätze der Westfalenhalle waren bereits ausverkauft, als die lokalen Grünen-Politiker in Dortmund mit Unterstützung der SPD, der CDU und einigen Medien Druck auf die Westfalenhalle GmbH im Vorfeld ausübten. Oberbürgermeister Thomas Westphal versuchte, den Vortrag zu verhindern. Die Westfalenhalle kündigte am 3. Februar 2023 den gültigen Mietvertrag. Der Veranstalter von Daniele Ganser ging mit juristischen Mitteln gegen die Kündigung des Mietvertrags vor und klagten auf vertragsgemässe Durchführung des Vortrags. Das Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen entschied am 8. März, dass der Vortag stattfinden darf. Bürgermeister Westphal wollte das nicht akzeptieren und zog zur nächsten Instanz: Er legte dort im Namen der Stadt Dortmund Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen ein. Das Oberverwaltungsgericht in Münster wies den Versuch Westphals, den Vortrag zu verhindern, am 23. März 2023 in letzter Instanz zurück. Die Begründung des Gerichts lautete: «Dass eine Gefahr strafbarer Äusserungen des Vortragenden besteht, ist dem Vorbringen der Stadt nicht zu entnehmen und auch sonst nicht ersichtlich». Damit wurde der Cancel Culture im letzten Moment ein Riegel vorgeschoben. Die Gerichtskosten werden über Steuern beglichen, nicht durch den Bürgermeister. (Quellen: Webseite Daniele Ganser, kontrafunk.radio//de/sendung-nachhoeren/talkshow/philosophieren/philosophieren-11-kaempfen ab min. 35:00 und www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/aerger-auftritt-daniele-ganser-dortmund-100.html )
Das Problem gab es nicht zum ersten Mal. Im Januar 2023 konnte Daniele Ganser seinen Vortrag nicht im Kongresshaus in Innsbruck halten und verlegte ihn in das 24 Kilometer entfernt gelegene Magic Castle in Seefeld. Immer wieder mussten neue Hallen gefunden werden, weil die örtlichen Bürgermeister dem politischen Druck nicht standhielten und sich der Cancel Culture beugten.(kontrafunk.radio//de/sendung-nachhoeren/talkshow/philosophieren/philosophieren-11-kaempfen ab min. 35:00)
Ganz offensichtlich ist unsere Redefreiheit derzeit unter Beschuss. Nur vor diesem Hintergrund lässt sich auch die Flut an inhaltslosen Hetzbeiträgen gegen Daniele Ganser und seine aktuelle Vortragsreihe überhaupt erklären, denn ohne eine zeitgleiche, massive Diffamierungskampagne in den Medien hätte die Politik nie den Versuch gewagt, derart in die Redefreiheit einzugreifen, wie es etwa in Bezug auf Daniele Gansers Vortrag in der Westfalenhalle der Fall war. Rein stilistische Methoden der subtilen Abwertung wirken zusammen mit haltlosen Behauptungen und glatten Lügen. Im Ergebnis handelt es sich um Rufmord. In Erinnerung an DDR-Zeiten ausgedrückt, enthält das Vorgehen Strategien der Zersetzung.
Gebührenfinanzierte Hexenjagd
Der Beitrag «Wie gefährlich ist der Schweizer Historiker Daniele Ganser?» des NDR vom 9. März 2023 ist knapp fünfeinhalb Minuten lang. 40 Sekunden lang ‚lässt‘ der NDR Ganser selbst zu Wort kommen, davon 27 Sekunden aus seinem Vortrag und 13 Sekunden Archivmaterial aus einem anderen Kontext. 20 Sekunden lang sprechen Zuschauer über seine Vorträge. Die verbleibenden vier Minuten und 23 Sekunden sprechen die Kommentatorin, eine Reporterin und drei verschiedene ‚Experten‘ zusammenhanglos darüber, warum Daniele Ganser gefährlich sei und ein schrecklicher Mensch. Man kann die diffamierende Methodik des Beitrags weiter analysieren, Benedikt Zeitner hat das treffend getan.
Der NDR-Beitrag wurde im Studio und an drei weiteren Drehorten aufgezeichnet. Insgesamt wurden fünf verschiedene Fernsehgesichter – Journalisten und Experten – beschäftigt, und all das wurde von unseren Rundfunkgebühren finanziert. Im Vortrag war der NDR offensichtlich nicht, denn hierfür nutzt er das Archivmaterial von RTV aus YouTube.
Besonders frappierend für den ahnungslosen Zuschauer ist die gelogene Aussage des bereits dritten Interviewpartners im NDR-Beitrag, der hinzugerufen wurde, um zu diffamieren.
«Ich glaube, es tut weh zu sehen, dass während ein Angriffskrieg auf, ja, meine Heimat stattfindet, (...) in Hannover tausende Leute dann zu Gast kommen, sich anzuschauen, wie jemand dann erzählt, dass die ja alles nur Agenten aus dem Ausland seien und alles nur inszeniert sei, äh was natürlich alles Quatsch ist, und auch grundsätzlich dass sehr viel Antisemitismus natürlich in seinen Vorträgen auch vorkommt. Verschwörungstheorien, - erzählungen sind immer strukturell antisemitisch, und im Zweifel auch ganz direkt antisemitisch, und dass er soviel Publikum hier findet, genau.»
Keine dieser Aussagen trifft auf Daniele Ganser und seine Arbeit zu. Die Darstellung des Kriegs entspricht nicht der in seinem Vortrag. Die Aussage über «Verschwörungstheorien» nutzt einen nicht definierbaren Kampfbegriff, dessen Ursprung und Funktionsweise ich in meinem Artikel «Der Mediendschungel» bereits erklärt habe. Die Verquickung mit Antisemitismus ist ohne Realitätsbezug und dient einzig der Diffamierung.
Wer dann weitere Hetzartikel und Gegendarstellungen studiert, findet irgendwann einen Verweis auf eine Aussage Gansers in der Internetdoku Pandamned, ein Kurzinterview mit dem Filmemacher auf einem Bahnhof. Wer möchte, findet es im Film auf YouTube, ab Minute 1:24:00. Der Historiker beschreibt darin verschiedene Szenarien von Hass und von Spaltung, ruft aber nicht dazu auf, sondern warnt davor. Vielleicht entstand das Statement mit einem gewissen Zeitdruck und wäre mit etwas mehr Ruhe dann auch strukturierter ausgefallen. Vielleicht muss es aber in unserer Welt auch einfach möglich bleiben, einen Satz zu sagen, den man nicht vorher auswendig gelernt hat. Eine antisemitische Aussage jedenfalls kann man auch mit der böswilligsten Absicht nicht nachvollziehbar hineindichten. Es bleibt bei einer leeren Behauptung.
Das Vorgehen gegen Daniele Ganser kann auch als eine Form von institutioneller Diskriminierung bezeichnet werden. Es ist eine Methode, die seit drei Jahren leider gehäuft eingesetzt wird. «Normopathen finden das normal», beschreibt der Journalist Anselm Lenz die Stimmung, in der sich diese moderne Hexenjagd abspielt. Die Menschen haben selbst nicht erlebt, was sie damit anderen antun, und es fehle ihnen an Empathie. Ich hoffe sehr, dass wir uns künftig mehr an Empathie und an Menschlichkeit orientieren. Denn wenn wir auf die mediale Hetzjagd hereinfallen, traut sich irgendwann niemand mehr etwas zu sagen, und wir verlieren als Gesellschaft unser kreatives Potential.
Worum geht es eigentlich?
Am 20. November 2022 besuchte ich den Vortrag «Warum ist Krieg in der Ukraine?» von Daniele Ganser in Berlin Falkensee. Die wohl zentralste Aussage in seinem Vortrag ist, dass Waffenlieferungen in die Ukraine falsch sind, weil sie keinen Frieden bringen.
«Wir brauchen Deeskalation, kein Wettrüsten», sagt er selbst dazu (Daniele Ganser, Facebook, 22. Februar 23). Ganser verurteilt im Vortrag die völkerrechtswidrige Invasion Putins in die Ukraine 2022, benennt aber auch klar und ausführlich die jeweiligen Akteure während der komplexen Vorgeschichte und damit die Mitverantwortung der USA und der Nato. In dem Zusammenhang geht es auch um den Putsch in der Ukraine 2014 und das abgehörte Telefonat der damaligen US-Vizeaussenministerin Victoria Nuland, um die Einladung der Ukraine in die Nato 2008 und um die Nato-Osterweiterung entgegen des Versprechens von US-Aussenminister James Baker an Michail Gorbatschow im Jahr 1990.
Im gesamten Vortrag gab es nicht den leisesten Anstrich von Hass, Hetze oder Diskriminierung. Wer sich mit der Arbeit, den Büchern und Vorträgen von Daniele Ganser beschäftigt hat, wird darin auch nichts derartiges finden. Im Gegenteil: Stets erinnert der Friedensforscher daran, dass wir eine «Menschheitsfamilie» sind. In Vorträgen sprach er auch davon, «in sich selbst den Punkt zu finden, in welchem wir alle miteinander verbunden sind».
Die Position Gansers ist eine durchwegs friedliche, und so ist auch die Stimmung vor, während und nach dem Vortrag. Er spricht mit echter Anteilnahme für das Thema, mit spürbarem Kontakt zum Publikum und bringt insgesamt eine optimistische und friedfertige Energie in die Thematik hinein. Lebendige Vorträge, generell Veranstaltungen dieser Art, bedeuten zugleich auch eine Gelegenheit, zusammenzukommen und sich auszutauschen. So besteht die Möglichkeit, bei einem Getränk noch miteinander ins Gespräch zu kommen.
Diffamierung! Wozu?
Immer gab und gibt es Fürsprecher für Krieg, für immer mehr Waffen und Eskalation. Leider. Immer gibt es auch Akteure oder Kräfte, die strategisch oder finanziell grossen Nutzen aus der Eskalation eines Krieges ziehen. Der grossen Mehrheit sowie der Bevölkerung im Kriegsgebiet nützt das nie. Um in die Thematik weiter einzusteigen, besteht die Möglichkeit, sich mit den Prinzipien von Stellvertreterkriegen zu beschäftigen, mit der planmässigen Schwächung von Grossmächten, verdeckter Kriegsführung und Regime Changes. Beispielhaft hierfür etwa äusserte der Geostratege und Stratfor-Gründer George Friedman 2015 auf einer Konferenz der Chicago Council on Global Affairs:
«Die Urangst der USA ist, dass deutsches Kapital und deutsche Technologien sich mit russischen Rohstoffen und russischer Arbeitskraft verbinden. Eine einzigartige Kombination, vor der die USA seit Jahrhunderten eine Höllenangst haben.»
Einige Minuten zuvor erklärte er: «Der Weg, den die Briten gegangen sind, um sicherzustellen, dass keine europäische Macht die Flotte bauen konnte, ist, dass die Europäer einander bekämpften. Die Politik, die ich empfehlen würde, ist die, die Ronald Reagan angewendet hat, in Bezug auf den Iran und den Irak. Er finanzierte beide Seiten, sodass sie gegeneinander kämpften und nicht gegen uns. Das war zynisch, bestimmt nicht moralisch, aber es funktionierte. Und das ist der Punkt: Die Vereinigten Staaten sind nicht in der Lage, ganz Eurasien zu okkupieren. In dem Moment, wo wir mit dem Stiefel den Boden berühren, ist der demografische Unterschied, dass wir zahlenmässig völlig unterlegen sind. Wir können eine Armee besiegen. Wir können den Irak nicht besetzen. Die Vorstellung, dass 130.000 Männer ein Land mit 25 Millionen Einwohnern besetzen könnten, ist eine Illusion.»
George Friedman nennt hier einige sehr alte und auch bekannte geostrategische Mechanismen, die bis heute von Bedeutung sind. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sagte am 25. April 2022, die USA wollten Russland schwächen, damit es keine weitere Invasion durchführen könne. «Wir wollen, dass Russland so weit geschwächt wird, dass es die Dinge, die es beim Einmarsch in die Ukraine getan hat, nicht mehr tun kann. (…) Wir wollen, dass die internationale Gemeinschaft geeinter ist, insbesondere die NATO.»
Wer heutzutage klar gegen Waffenlieferungen ist und die Position vertritt, dass der Krieg deeskaliert werden und verhandelt werden muss, gegen den wird medial gehetzt. Prominente Beispiele dafür sind auch Sahra Wagenknecht, Ulrike Guerot, die ehemalige ARD-Auslandskorrespondentin Gabriele Krone-Schmalz und sogar der Ex-Brigadegeneral Erich Vad. Wichtig ist, hier zu erkennen, worum es bei den medialen Hetzjagden wirklich geht. Die Argumentationsweise der Prominenten sowie auf der anderen Seite die Beleidigungen und Diffamierungen durch konzernabhängige Medien variieren. Das mag für Menschen, die noch unerfahren sind im laufenden Informationskrieg, insgesamt irritierend sein.
Die Gemeinsamkeit ist eine andere: Ihre Auftritte sind dazu geeignet, den Regierungskurs zu überdenken, zu hinterfragen und kritisch zu diskutieren. Sie stellen jene Fragen, die ein bestimmtes Narrativ oder der Regierungskurs beständig ausklammert. Immer geht es um eine zentrale Frage, die gestellt, oder eine zentrale Position, die ergriffen wird, etwa: Keine Waffen in Kriegsgebiete! Auch heute nicht!
Deutschland auf Kriegskurs?
Gabriele Krone-Schmalz, unsere ehemalige ARD-Auslandskorrespondentin in Moskau, hielt im Oktober 2022 in aller Bescheidenheit einen sehr diplomatischen und besonnenen Vortrag zum Ukrainekrieg in der Volkshochschule Reutlingen. Seit Jahren legt sie auch in ihren Interviews ein möglichst vollständiges Bild der westlichen Beziehungen zu Russland dar, um friedliche Lösungen zu finden. Ihre Veröffentlichungen werden in einem Artikel von t-online als «inakzeptabel», «umstritten», «schräg», «bedenklich» und vieles mehr abgewertet, was in einem diffamierenden Zitat eines Osteuropa-Experten gipfelt: «Der Leiter der VHS Reutlingen sollte sich lieber Gedanken darüber machen, welche Gefahren von Gabriele Krone-Schmalz' Narrativen für unsere Demokratie und besonders für die Ukraine ausgehen». Ist es ein inhärenter Bestandteil von Demokratien, Waffen in Kriegsgebiete zu liefern?
Ulrike Guerot wagte es, sich bei Markus Lanz für einen Waffenstillstand und Verhandlungen zu positionieren und wurde dafür sowohl in der Sendung als auch in den Medien massiv angegriffen. Zudem verlor sie ihre Stellung als Professorin an der Universität Bonn: «Die @unibonn hat mir wegen Plagiat in einem nicht-wissenschaftl. Buch von 2016 zum 31.3. gekündigt», twitterte die Dozentin. Ihr werde vorgeworfen, «die Übernahme von Zitaten anderer Autoren nicht durchgängig korrekt ausgewiesen zu haben», berichtet die Zeit. Eine Kündigung der Universität aufgrund von fehlenden Quellenangaben in einem nichtwissenschaftlichen Buch?
Ganser, Guerot und Krone-Schmalz beschäftigen nun die ARD, statt anders herum. Damit wir alle das Richtige denken und nicht das Falsche, entscheidet nun die Tagesschau für uns, welche Experten die Deutungshoheit haben, und wessen Arbeit dagegen als «fragwürdig», «abwegig» oder «ganz falsch» zu beurteilen ist. Die Tagesschau aber hat darüber aber keine Deutungshoheit! Wir brauchen einen Diskurs, das bedeutet eine inhaltliche, nicht eine auf Titel und Universitätskarrieren begrenzte Debatte, sowie eine unabhängige Berichterstattung dazu. Statt dessen werden wir seit der gelungenen Berliner Friedenskundgebung am 25. Februar 23 auch noch mit absurden Behauptungen gegenüber Sahra Wagenknecht geflutet.
Der mediale Pranger macht indessen auch vor den konservativsten Stimmen der Vernunft nicht Halt. «‘Merkels General’ will nicht mehr», behauptet die NZZ im März 2023 und berichtet von einem Interview mit Erich Vad, ehemals militärpolitischer Berater von Kanzlerin Angela Merkel. Auffallend ist hier die beständige Interpretation von Vads Äusserungen oder Auftreten durch den Journalisten. Der Artikel stellt Vad auf unfaire Art in ein negatives Licht: Seine Entscheidungen habe Vad getroffen, weil etwas ihm «schmeichelt», und seine klare Aussage, «dass Waffenlieferungen falsch sind, wenn es kein politisches Konzept für einen Frieden gibt», sei in Wahrheit Ausdruck einer «Eitelkeitsfalle», aus der er «nicht mehr heraus» käme. Wieso masst der Journalist sich derartige Abwertungen an?
«Ich sehe keinen Sinn mehr, mir diesen Hass, diese Häme anzutun», wird Vad eingangs zitiert. «Das ist mein letztes Interview. Es ist vorbei.» Woher dieser Hass und diese Häme kommen, kann die NZZ im Artikel nicht reflektieren, da sie selbst Teil des Problems ist.
Der Chef der Deutschen Marine, Kay-Achim Schönbach, musste bereits im Januar 2022 seinen Posten räumen. Der Vizeadmiral fiel «mit unabgesprochenen Aussagen zu Russland auf, die so gar nicht ins offizielle Bild passen» berichtet das ZDF, und beklagt, dass diese «Deutschland abermals als unzuverlässigen Nato-Partner erscheinen lassen».
Der Marine Inspekteur sprach im Januar 2022 bei der Veranstaltung eines indischen Think Tanks in Neu-Delhi, also noch vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine.
«Was Putin wirklich will, ist Respekt auf Augenhöhe. Und - mein Gott - jemandem Respekt entgegenzubringen, kostet fast nichts, kostet nichts. Also würde man mich fragen: Es ist leicht, ihm den Respekt zu geben, den er fordert - und den er vermutlich auch verdient.»
Gibt es eine funktionierende Geopolitik ohne Respekt der Grossmächte untereinander? Welche Position vertritt hier das ZDF? «Meine sicherheitspolitischen Äusserungen in einer Talkrunde eines Think Tanks in Indien gaben meine persönliche Meinung für diesen Moment vor Ort wieder», erklärte Schönbach auf Twitter. «Sie entsprechen in keinster Weise der offiziellen Position des @BMVg_Bundeswehr. #deutschemarine.»
Leider nicht. Wohin eine jahrzehntelang anhaltende Respektlosigkeit dann führen kann, das sehen wir jetzt. Aber das ist nur meine Meinung.
Von der Bedeutung der freien Rede
Wir brauchen einen Bewusstseinswandel. Frieden wird dann möglich, wenn wir auch lernen, friedlich zu kommunizieren, das bedeutet, die gewaltvolle Kommunikation zu überwinden. Es bedeutet auch, einen Konflikt oder Sachverhalt aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Schwarzweissdenken deutet auch darauf hin, dass wir in dem Moment nicht mit uns selbst in Kontakt sind, sondern uns in einem traumabeeinflussten Zustand befinden, der uns empfänglich macht für Manipulation und Kriegspropaganda. Wir dürfen diese Formen der Kommunikation nicht unbemerkt mitmachen und benötigen dafür eine grössere Sensibilität.
Wir sind Menschen! Wir sind mehr als künstliche Intelligenz, welche Informationen sammelt oder weitergibt. Einen Standpunkt zu entwickeln, bedeutet immer auch einen Weg zu gehen. Eine komplexe Fragestellung zu bearbeiten, bedeutet zugleich eine intensive Auseinandersetzung mit einer Thematik und eine innere Weiterentwicklung. Heutzutage ist es sehr wichtig geworden, sich neben der reinen Faktenlage auch mit der Frage zu beschäftigen: Wer sagt was warum? Was bewegt einen Menschen, der spricht, wirklich? Welchen Weg ist er oder sie vielleicht gegangen? Welche Erfahrung spricht aus ihn oder ihr? Was fühlt jemand, der spricht? Ein gelungener Vortrag beinhaltet diese Lebendigkeit und motiviert die Zuhörer, miteinander in Kontakt zu treten, das Gehörte selbst weiterzudenken sowie eigene Standpunkte zu entwickeln. Demokratie ist ein lebendiger Prozess! Sie will gelebt und trainiert werden.
«Bildung des Geistes ohne Bildung des Herzens ist keine Bildung», wusste schon Aristoteles. «Ich kann niemandem etwas beibringen. Ich kann sie nur zum Nachdenken bringen», sagte einst Sokrates, und dazu passend auch: «Bildung ist das Entzünden einer Flamme, nicht das Füllen eines Gefässes.» (Sokrates von Athen, 470-399 v. Chr. )
Wer von seiner Redefreiheit Gebrauch macht, wird zugleich kreativ. Wer selbst Frieden und Optimismus ausstrahlt, der bringt auch genau diese Energien in die Welt, und kann andere damit inspirieren. Die freie Rede ermöglicht es einer Kultur, sich aktiv nach ihren Werten und ihrer Orientierung zu fragen, und sich in Frieden weiterzuentwickeln. Wenn uns an der Redefreiheit gelegen ist, dann sind wir alle es, die die Räume dafür finden und bewahren müssen, ganz real um uns herum, aber zuallererst auch in uns. Nicht unsere Intellektuellen oder Politiker können uns oder diese Welt retten, sondern nur wir selbst, wir alle, wir zusammen.
Angela Mahr: Ich bin Journalistin und arbeite zu den Themen Frieden, Interkulturelle Kommunikation und Völkerrecht. Damit verbunden betrachte ich auch das Spannungsfeld von Propaganda und Gesellschaft. Als Filmemacherin reiste ich nach China, Tibet und Indien und veröffentliche auf konzernunabhängigen Wegen. Ich studierte Ethnologie, Nordamerikastudien und Literaturwissenschaft (M.A.) in Berlin.
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Angela Mahr
Über mich: Ich bin Journalistin und arbeite zu den Themen Frieden, Interkulturelle Kommunikation und Völkerrecht. Damit verbunden betrachte ich auch das Spannungsfeld von Propaganda und Gesellschaft. Als Filmemacherin reiste ich nach China, Tibet und Indien und veröffentliche auf konzernunabhängigen Wegen. Ich studierte Ethnologie, Nordamerikastudien und Literaturwissenschaft (M.A.) in Berlin.
Jede Krise ist auch eine Chance. Deshalb geht es in meiner Arbeit und in meiner Musik zugleich auch um den Mut zum Neubeginn. Wenn wir unsere Liebe zum Leben mit unserer Kreativität verbinden, entstehen neue Lösungen, und echter Friede wird möglich.
Mein neues Buch: Frieden für die Ukraine - wie kann der Krieg beendet werden?
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Freie Rede ergibt Demokratie
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