Wachsende Bauernproteste in Frankreich, Belgien und Deutschland
Ganz Paris befand sich am 29.1. im «Belagerungszustand», als Landwirte mit ihren Traktoren und Heuballen die wichtigsten Zufahrtsstrassen zur Hauptstadt blockierten; viele von ihnen wollen bis zum Brüsseler EU-Gipfel am Donnerstag bleiben.
Der spektakulären Aktion waren bereits tagelange Protestaktionen im ganzen Land vorangegangen. Der neue Premierminister Gabriel Attal bot den Landwirten zwar einige Zugeständnisse an, wie bürokratische Vereinfachungen, Soforthilfen, ein Einfrieren der Agrartreibstoffpreise sowie Massnahmen gegen das Preisdumping der grossen Supermarktketten. Doch die Landwirte fordern nichts weniger als eine tiefgreifende Reform der EU-Agrarpolitik, die derzeit bewusst die Verkleinerung des Agrarsektors betreibt. Schon früh schlossen sich Fischer den Demonstrationen an, teilweise auch Taxifahrer und LKW-Fahrer.
Die Mobilisierung hat in ganz Frankreich einen Schneeballeffekt. Die Lehrergewerkschaften haben für diese Woche zu Streiks und Aktionen für höhere Gehälter und einen Kündigungsstopp aufgerufen. Die Gewerkschaft CGT des Pariser Nahverkehrsverbundes (RATP) hat für den
5. Februar einen Streik angekündigt, die Beschäftigten des Stromriesen EDF traten am 30.1. in den Ausstand.
Die von Jacques Cheminade geleitete Bewegung «Solidarité et Progrès» (S&P) beteiligt sich vielerorts an den Protesten und verteilt einen «Brief an die Bauern», in dem sie das «derzeitige Wirtschaftssystem anprangert, das unsere Landwirtschaft im Namen des finanziellen Gewinns zu einer vorsätzlichen Euthanasie verurteilt».
Über die unmittelbaren Forderungen der Bauernverbände hinaus schlägt S&P weitere notwendige Massnahmen vor, wie z.B. die Einschränkung der Macht der «Agrarholdings», ein Verbot der Spekulation mit Nahrungsmitteln, ein Moratorium für die Schulden der Landwirte und deren Umstrukturierung.
Unsere Landwirte, heisst es in dem Brief weiter, «brauchen einen fairen Paritätspreis, von dem sie anständig leben und ihre Investitionen finanzieren können, ohne von ihren Kreditgebern erstickt zu werden». Es ist auch wichtig, dass «die Landwirte der Welt sich nicht in einem von korrupten Sheriffs kontrollierten finanziellen Fernen Westen feindlich gegenüberstehen».
Im benachbarten Belgien gingen ebenfalls Tausende mit Traktoren auf die Strasse, die Hauptzufahrtstrassen nach Brüssel wurden blockiert. Die Aktionen werden voraussichtlich in einer Kundgebung gipfeln, wenn die Staats- und Regierungschefs der EU dort versammelt sind.
Auch in Deutschland gehen die Proteste in dezentraleren Formen weiter. Die Landwirte verstehen sich zunehmend als Avantgarde einer breiteren Mittelstandsrevolte, der sich immer mehr Branchen anschliessen, darunter LKW- und Taxifahrer, Bäcker und Ladenbesitzer (Deutsche Handwerkszeitung).
Bei einem Regionaltreffen im sächsischen Stollberg einigten sich Aktivisten von «Land schafft Verbindung» (LsV) mit örtlichen Bürgermeistern auf eine Petition, für die sie nun Unterschriften sammeln. Die Forderungen darin sind: Schutz des Verkehrssektors, Abschaffung der unverhältnismässigen Besteuerung aller kleinen und mittleren Unternehmen und die Würdigung der Rolle der Landwirtschaft und des produzierenden Gewerbes in den Schullehrplänen.
Der Text stammt mit Zustimmung des Verlags aus dem (kostenpflichtigen) Newsletter des Schiller-Instituts.
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