Was ist uns unsere Kultur-Landwirtschaft wert?

Mit den aktuellen Argumenten reden die Gegner der Trinkwasserinitiative an der Kernaufgabe der Landwirtschaft vorbei. Im Zentrum der Diskussion muss immer die Gesundheit von Natur, Tier und Mensch stehen.

© Mia Leu

Die Kernaufgabe der Landwirtschaft beinhaltet nicht nur die Erzeugung von gesunden Nahrungsmitteln und die artgerechte Haltung unserer Haustiere, sondern insbesondere auch die Erhaltung der Fruchtbarkeit und Reinheit von Erde, Wasser und Luft. Doch diese umfassende Kulturleistung des Bio-Bauern muss durch kostendeckende Preise für die Erzeugnisse seiner Urproduktion – sprich Feldfrüchte, Obst, Saatgut, Textilrohstoffe, Holz, tierische Produkte etc. – ermöglicht werden. Nur so können die Bäuerinnen und Bauern eine Produktionsweise umsetzen, welche die Naturräume umfassend schützt und belebt: Landwirtschaft + Naturschutz + verantwortungsvolles Konsumverhalten = Kultur-Landwirtschaft.

Vergessen wir nicht, dass Bäuerinnen, Bauern und Erntehelfer nur zwei Prozent unserer Gesellschaft ausmachen und diese Leistung für sehr viele Konsumenten, nämlich die restlichen 98 Prozent, erbringen.

Die eidgenössische Volksinitiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung» beinhaltet mit ihren Forderungen richtungweisende Gesichtspunkte, welche zu dieser modernen Form einer Kultur-Landwirtschaft führen können. Ein flächendeckender Bio-Landbau in diesem Sinne wäre in der Schweiz als Zielsetzung absolut möglich.

Das aktuelle Subventionssystem mit den Direktzahlungen für die Schweizer Landwirtschaft fördern jedoch nach wie vor ein Agrarsystem, welches unsere Umwelt stark und langfristig belastet. Im Moment wird der Schweizer Bürger dreimal zur Kasse gebeten: Er bezahlt Steuergelder für eine umweltbelastende Agrarwirtschaft, die Kosten für die Behebung von Umweltschäden, die diese Agrarwirtschaft verursacht, und die Kosten für einen völlig unsinnigen Energieaufwand, welcher diese Branche in ihrer Gesamtheit verursacht. Dieser besteht einerseits im direkten Energieverbrauch, zum Beispiel auf Grund des hohen Verbrauchs von Treibstoffen (Diesel, Benzin, Öl) und Brennstoffen (Heizöl, Gas) sowie Elektrizität. Dazu kommt der indirekte Energieverbrauch, unter anderem durch Dünger-, Pestizid- und Futtermittelimporte sowie die Maschinen- und Technikherstellung.

Die Argumente gegen die Trinkwasserinitiative beruhen auf inzwischen vielfach widerlegten Narrativen. Die Nahrungsmittelsicherheit des Landes zum Beispiel wird immer wieder herangezogen, um weiterhin eine umweltbelastende Agrarwirtschaft zu rechtfertigen. Von autonomer Nahrungsmittelproduktion mit gleichzeitig vertretbarer Energiebilanz kann zurzeit in keiner Weise gesprochen werden.

Doch nicht nur die Politik und die Agrarlobby müssen Verantwortung übernehmen, sondern im Grunde wir alle: Mit unserem heutigen Konsumverhalten unterstützen wir die aktuelle Form der Agrarwirtschaft. Auch die Bio-Käuferinnen und -Käufer zeigen in ihrem Konsumverhalten noch sehr kuriose Irrungen: Erdbeeren und Tomaten im Winter, Spargel aus Übersee im Januar, zum Beispiel aus Mexiko und Peru – das ist «birnenweich».

Solche Kaufgewohnheiten haben verheerende Folgen für die Landwirtschaft in allen Regionen der Welt. Sie sind unsozial und sowohl ökologisch als auch ökonomisch völlig verantwortungslos. Aber es kann den Leuten nicht billig genug sein: Die Lebensmittelausgaben des Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten machen heute durchschnittlich ca. 6.4% der Lebenshaltungskosten aus. Allein in der landwirtschaftlichen Produktion werden rund 500 tausend Tonnen Lebensmittel pro Jahr verschwendet, weil sie weggeworfen werden, nicht der Industrienorm entsprechen, auf dem Transport und in Lagern verderben, auf dem Feld liegen bleiben oder nicht mehr für die menschliche Ernährung verwendet werden. Insgesamt weist die Schweizer Lebensmittelproduktion über alle Stufen der Herstellung hinweg rund 2.8 Millionen Tonnen vermeidbare Lebensmittelverluste auf.

Ein bewusster Wandel unseres Konsumverhaltens ist notwendig. Das heisst: durch konkretes Handeln Verantwortung leben. Dies ermöglicht, dass gesellschaftliche Forderungen und politische Zielsetzungen im Sinne einer Kultur-Landwirtschaft für alle fruchtbar werden können – und diese hat eben ihren Preis!

Ausführlichere Überlegungen zu diesem Thema finden Sie in Andreas Beers’ Broschüre «Kultur-Landwirtschaft und was sie uns wert ist».

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Andreas Beers aus Bern ist Landwirt, Arbeitsagoge und Lehrer. Er kultiviert die Erde, sät, pflanzt und erntet, er denkt, spricht und schreibt über: Mensch, Erde und Himmel, oder was wir zum Leben brauchen.

«Man kann sich auf zwei Arten irren: Man kann glauben was nicht wahr ist, oder man kann sich weigern, zu glauben was wahr ist.» (Soren Kierkegaard)