Ein Aussenseiter auf der Überholspur
Elon Musk gilt für viele als der neue Da Vinci. Doch einige sehen ihn auch als Gefahr für die Zukunft und als Inbegriff des Fortschrittswahns. Hinter Jeff Bezos, dem Amazon-Gründer und Milliardärs-Spitzenreiter, stieg Musk kürzlich zum zweitreichsten Mann der Welt auf.
Die angeblich umweltfreundlichen Flitzer der Tesla Model X Serie, die Trägerrakete Falcon 9 für die 5G-Satelliten der neuen schönen Welt, das Raumschiff Dragon für eine Mission zum Mars – alles Unternehmungen des Multimilliardärs Elon Musk. Mit der Firma Neuralink entwickelt er eine Schnittstelle zwischen Gehirn und Maschine. Sie soll Krankheiten heilen und Telepathie ermöglichen. Musk erteilt Nachhilfe in Echtzeit-Kommunikation, die er zeitgleich mit Weltenlenkern, Bürgermeistern und Betriebsräten betreibt.
Als «Fitbit im Schädel mit winzigen Drähten» bezeichnet Musk den münzgrossen Chip, der eine Symbiose zwischen dem menschlichen Geist und Computern schaffen soll. Er ist mit ultradünnen, flexiblen Drähten verbunden, die insgesamt 1024 Elektroden enthalten und sich im Gehirn auffächern. Jeder einzelne ist etwa 5 Mikrometer dick – etwa zwanzigmal dünner als ein menschliches Haar. Neuralink hat ausserdem einen Präzisionsroboter entwickelt, der den Chip chirurgisch unter dem Schädel implantiert und die Drähte in das Gehirn einführt. Der Chip soll es möglich machen, Erinnerungen zu speichern und wiederzugeben. Das Vorhaben erinnert an realitätsferne Science-Fiction Filme wie «Matrix» oder «Pacific Rim».
«Musk wurde zum Symbol einer Gesellschaft auf der Durchreise.»
Auch alles andere, was Musk erfindet, hat mit der Natur und der Schöpfung wenig zu tun. Denn er sieht sich selbst als Schöpfer in einer neoliberalen Welt, in der alles möglich ist. Einer seiner Masterpläne: Lebensräume für die Menschheit auf anderen Planeten und Monden schaffen. Er ist zum Symbol einer Gesellschaft auf der Durchreise geworden, die der Soziologe Helmut Rosa als «Beschleunigungsgesellschaft» bezeichnet.
Musk ist ein Workaholic. Gemäss eigenen Angaben arbeitet er mehr als einhundert Stunden pro Woche und verlangt auch von seinen Mitarbeitern ein Monsterpensum. Gemäss der Autorin Ashlee Vance, die sich mit der Kindheit von Musk beschäftigt und das Buch Elon Musk: Tesla, SpaceX and the Quest for a Fantastic Future geschrieben hat, war Musk als Kind ein Aussenseiter. Mit seinen Mitschülern konnte er wenig anfangen. Während die anderen Kinder miteinander spielten, habe der hochintelligente Musk pausenlos Bücher gelesen und bereits mit zwölf Jahren Spiele programmiert. Es wird vermutet, dass Musk an einer Form des Autismus leidet. Musk, der seit zwei Jahren mit der Musikerin Grimes liiert ist, wurde im Mai dieses Jahres stolzer Vater. Sein erstgeborenes Kind heisst mit Vornamen X AE A-12. Der Zusatz A-12 sei seine Idee gewesen, wobei es sich um eine Hommage an das Aufklärungsflugzeug Lockheed A-12 der CIA handle – für Musk «das coolste Flugzeug der Welt».
«Mein Vater hat jedes Verbrechen begangen, das man sich vorstellen kann.»
Begonnen hat laut Vance alles damit, dass der in der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria geborene Musk in der Schule ein Nerd und Aussenseiter war, der durch seine Andersartigkeit als willkommenes Ziel für Schulhofschläger diente. Über seine Kindheit sagte Elon Musk zu der Autorin: «Sie haben meinen verdammten besten Freund dazu gebracht, mich aus meinem Versteck zu locken, damit sie mich verprügeln konnten. Und das hat verdammt wehgetan. Aus irgendeinem Grund haben sie sich für mich entschieden und dazu, mich pausenlos zu terrorisieren. Das hat das Erwachsenwerden schwer gemacht. Für einige Jahre gab es keine Atempause. Du wirst in der Schule von Banden gejagt, die dich vermöbeln wollen, dann kommst du nach Hause und dort ist es auch schrecklich.»
Elon habe zu seinem Vater Errol seit jeher ein zerrüttetes Verhältnis. Der 72-Jährige hatte dem britischen Nachrichtenmagazin Sunday Times erklärt, er habe mit seiner Jahrzehnte jüngeren Stieftochter ein Kind gezeugt und nenne es «Gottes Plan». Elon Musk gestand in einem Interview mit dem Onlinemagazin Rolling Stone über seinen Vater: «Er war ein so schrecklicher Mensch – Du hast keine Ahnung.» Mit tränenden Augen fuhr er fort, «fast jedes Verbrechen, an das Sie denken können, hat er begangen».
Gestern zog Musk laut dem Milliardärs-Ranking des Bloomberg Billionaires Index mit einem Vermögen von 136 Milliarden Dollar an Microsoft-Gründer Bill Gates vorbei. Ob Musk und die Welt damit glücklicher geworden sind?
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