3 Fragen an Pfarrerin Esther Gisler Fischer
Seit ihrem Studium der Theologie, Ethnologie und Religionswissenschaften beschäftigt sich die 53-Jährige mit Theologien aus Frauensicht und mit der Rolle von Frauen in religiösen und kulturellen Traditionen. Esther Gisler Fischer arbeitet seit elf Jahren als Pfarrerin in Zürich und bedauert, dass Religionsfreiheit höher gewichtet wird als das Diskriminierungsverbot.
Zeitpunkt: Sie halten Gottesdienste, arbeiten also seit Jahren in einer männerdominierten Welt. Wie erleben Sie das als Pfarrerin?
Esther Gisler Fischer: Von schwierig bis fast nicht mehr zum Aushalten. Ich war ursprünglich mal römisch-katholisch, und da waren die Fronten noch klarer. In der evangelisch-reformierten Kirche sind die Frauen immerhin auf dem Papier den Männern gleichgestellt. Dennoch: Die Strukturen und die Kultur der Zusammenarbeit sind auch hier auf männliche Kommunikationsstrukturen und Lebensentwürfe ausgelegt. Es bleibt das Gefühl, dass ich als Frau ein «Alien» in der Kirchenlandschaft bin. Gerade mit meinem Engagement in Gerechtigkeitsfragen, etwa wenn es um Geschlechterverhältnisse geht, mache ich mich zur Exotin und dadurch halt angreifbar: Denn über Machtverhältnisse spricht Mann nicht so gerne.
Als feministische Theologin, die ich bin, stosse ich mit meinen Inhalten immer wieder auf Interesse, wurde deswegen jedoch auch schon angefeindet, und das von Frauen. Da erst merkte ich, wie wenig die Errungenschaften der feministischen Bibelwissenschaft es überhaupt an die kirchliche Basis geschafft haben. Kein Wunder jedoch, dieses Thema wird an den theologischen Fakultäten – notabene an den staatlichen – immer noch marginalisiert.
Was tun gegen das Ungleichgewicht? Wie gehen Sie damit um?
Ich lasse Erkenntnisse der feministischen Bibelexegese in meine Predigten einfliessen und versuche, einen Fuss in der Frauenbildung zu haben. Die hebräische Bibel, die ausserkanonischen Schriften und die rabbinische Literatur lassen etwa die Möglichkeit zu, eine weiblich definierte Dimension Gottes wiederzuentdecken. Besonders im 20. Jahrhundert geschah dies folgenreich: In der jüdischen, christlichen sowie muslimischen feministischen Theologie erhielten weibliche Gottesbilder wieder ihren gebührenden Platz. Starke Frauenfiguren finden sich ebenso in der Bibel wie die Prophetinnen Hanna oder Judith, Ruth und Esther, die je einem eigenen Buch ihren Namen gegeben haben.
Man möchte keinem Club angehören, wo man nicht erwünscht ist. Wieso also sollten wir Frauen überhaupt Teil von Religionen sein?
Die Teilnahme an institutionalisierten Religionen ist ja zum Glück freiwillig! Es lohnt sich, wie oben beschrieben, sich auf die Spur von alternativen Weisheitstraditionen zu begeben. Ausserdem braucht es in den Kirchen nach wie vor «Safe Spaces» für Frauen, wo sie ihren eigenen Zugang zum Göttlichen entdecken und feiern können. Die ökumenische kirchliche Frauenbewegung ist ein solcher Ort. Und die «IG Feministische Theologinnen» ist ebenso ein Netzwerk, wo Frauen sich gegenseitig stärken und ihre Bedürfnisse ins Zentrum stellen. Sie feiert heuer ihr 30-jähriges Bestehen mit einer Reihe an Begegnungen mit Theologinnen aus der ganzen Welt: https://feministische-theologinnen.ch/.
Wofür ich je länger je mehr zu haben wäre: dass wir Frauen unsere eigene Religion ins Leben rufen. In den monotheistischen Religionen hatten und haben wir es besonders schwer, einen gleichgestellten Platz im Kult und in den Entscheidungsebenen einzunehmen. Leider wird bis jetzt auch bei uns die Religionsfreiheit höher gewichtet als das Diskriminierungsverbot. Strömungen wie die ökofeministischen Theologien halten den Zusammenhang zwischen der Ausbeutung der Natur und der Frauen fest. Diese Theorien können uns für eine Neugestaltung des Zusammenleben zwischen uns Menschen und mit unserer Mitwelt dienen.
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