3 Fragen an Sprachwissenschaftlerin Susanne Olschewski

Sie ist Feministin, systemische Coachin und Sprachwissenschaftlerin. Ausserdem arbeitet sie als Lehrerin an einer Grundschule in Berlin und engagiert sich im ältesten Frauenverband von Deutschland. Die 43-jährige sieht Dringlichkeit, alte Strukturen aufzuzeigen und aufzubrechen. Gerade auch in der Sprache, sie präge unser Verständnis von Stereotypen, so Susanne Olschewski.

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Zeitpunkt: Braucht die deutsche Sprache eine Veränderung für die Gleichstellung von Mann und Frau?

Susanne Olschewski: Klares Ja, und das nicht nur für die Gleichstellung von Mann und Frau. Sondern auch um Menschen anzusprechen, die sich nicht als Mann oder Frau einordnen. Sprache schafft Realitäten. Und sie hat einen Einfluss darauf, was wir uns vorstellen können und was wir für normal halten. Sie prägt in diesem Sinne auch unser Verständnis von Rollenbildern und Stereotypen. Leider behandelt unser jetziger Sprachgebrauch die Geschlechter nicht gleich und beeinflusst damit unser Denken und folglich ebenso unser Handeln. Das kann zu ungleichen Chancen führen, etwa in der Arbeitswelt, oder zu Problemen bei der Identitätsfindung – sowohl bei Frauen als auch bei Männern.

Ein erster Schritt wurde Anfang dieses Jahres von der Duden-Redaktion umgesetzt, zumindest im Online-Bereich. Dort wurde das generische Maskulinum für Personen- und Berufsbezeichnungen abgeschafft. Das heisst, bei der Form «Politiker» sind männliche Personen gemeint. Handelt es sich um Frauen, steht die korrekte Form «Politikerinnen». Menschen, die sich nicht in der binären Einteilung in Mann und Frau wiederfinden, können durch den Gender-Doppelpunkt – «Politiker:in» – dargestellt werden.

Sie sind Grundschullehrerin, was stellen Sie bei der Sprache ihrer Schüler fest?

Geschlechtsstereotypen werden bereits im frühesten Kindesalter verinnerlicht und gelebt. Gleiches Verhalten wird unterschiedlich bewertet: Mädchen, die klar ihre Meinung vertreten, werden öfter als bestimmend befunden, Jungs dagegen als durchsetzungsfähig. Auffällig ist auch die negative Konnotation vom Mädchenhaften, die schon bei Kindern vorherrscht. Mädchen gelten als schwach, unsportlich und weinerlich. Dies drückt sich dann in Beleidigungen gegen nicht der männlichen Norm entsprechende Jungs aus. Sätze wie «Heul doch, du Mädchen» oder «Du wirfst wie ein Mädchen!» Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen bleiben somit auf der Strecke.

Geschlechtergerechte Sprache sollte sowohl zu Hause als auch in Kita und Schule nicht nur selbstverständlich sein, sondern auch thematisiert und in den Unterricht eingebunden werden. Dafür müssen ebenso Eltern, Erzieher:innen und Lehrer:innen sich mit diesem Thema beschäftigen, Rollen und Verhalten hinterfragen und Denkmuster ändern. Ein guter Anfang ist, stereotype Aussagen zu vermeiden, zu thematisieren, sogar zu kritisieren.

Sie sind Feministin und verbinden dies mit ihrer Arbeit als Coachin: Wie stelle ich mir das vor?

Ich möchte Menschen helfen, Ungerechtigkeiten und Ungleichheit wahrzunehmen und zu hinterfragen. Und sich bewusst mit dem eigenen Verhalten und dem des Umfeldes auseinanderzusetzen. Dazu gehört es auch, den Finger in die Wunde zu legen. Sich gegenseitig zuzuhören und ein Verständnis für die Empfindungen und Gefühle der Anderen zu entwickeln, ist dabei ein wichtiger Punkt. In der Folge sollen eigene Verhaltensmuster geändert werden, um ein gerechteres und wertschätzenderes Miteinander zu schaffen. Weg vom sogenannten «Doing Gender» – fixe Rollenbilder kreieren – und Stereotypen. Und ja, man darf Fehler machen. Wichtig ist es, offen zu bleiben und respektvoll miteinander umzugehen.
 

Kommentare

Geschlechtsbezogene Berufsbezeichnungen

von dabaspa
Nachdem ich jahrzehntelang für geschlechtsspezifische Bezeichnungen eingetreten bin, denke ich seit einiger Zeit darüber nach, warum z.B. eine Berufsbezeichnung überhaupt über die Geschlechtszugehörigkeit der Person Auskunft geben soll. Im Grunde kann und sollte es mir doch vollkommen egal sein, ob ein Artikel von einem Journalisten oder einer Journalistin geschrieben wurde, ob meine Grundrechte von einem Politiker oder einer Politikerin abgeschafft werden, ob mir ein Fahrlehrer oder eine Lehrerin das Autofahren beibringt oder meine Gartenmauer von einem Maurer oder einer Maurerin gemauert wird. Weshalb sollte bei einer Stellenbewerbung (aber auch z.B. beim Buchen einen Swiss-Fluges oder beim Kauf in einem Onlineshop) überhaupt das Geschlecht angegeben werden? Warum wollen und sollen es alle wissen? Wen, ausser eventuelle Sexualpartner, geht mein Geschlecht überhaupt irgend etwas an? Ich bin noch zu keinem Schluss gekommen, aber ich frage mich immer mehr, wozu geschlechtsspezifische Bezeichnungen eigentlich dienen, ausser es geht eben wirklich um etwas, wo das Geschlecht tatsächlich eine Rolle spielt.