Amnesty International kritisiert Einschränkung des Demonstrationsrechts in Bern
Das Weihnachtsgeschenk der Stadt Bern: Grossdemonstrationen werden bis am 24. Dezember verboten. Dies nachdem der Berner Sicherheitsdirektor zum Verzicht auf propalästinensische Demonstrationen aufgerufen hatte.
Bis Weihnachten werden in der Berner Innenstadt keine politischen Grossdemonstrationen mehr erlaubt sein. Das gab der Gemeinderat heute bekannt – nachdem Sicherheitsdirektor Philippe Müller in den Medien zum Verzicht auf propalästinensische Demonstrationen aufgerufen hatte. Der Entscheid wurde auch mit «sicherheitsrelevanten Überlegungen» begründet, da in der Adventszeit Weihnachtsmärkte und andere Veranstaltungen eine grosse Anzahl von Besucher anziehen würden.
Amnesty International brachte in einer Medienmitteilung ihre Besorgnis über die Leichtfertigkeit zum Ausdruck, mit der die Berner Behörden die Demonstrationsfreiheit einschränken. «Die Behörden verfügen über zahlreiche Instrumente, um auf reale Bedrohungen zu reagieren. Die Behinderung friedlicher Demonstrationen – auch im Zusammenhang mit dem Konflikt im Nahen Osten – mit dem Argument, die Agenda für die Aufrechterhaltung der Sicherheit sei voll, verstösst gegen Menschenrechte», sagt Alicia Giraudel, Juristin bei Amnesty International Schweiz.
«Grosse politische Demonstrationen für mehrere Wochen nicht mehr zuzulassen, ist ein schwerer Eingriff in das Demonstrationsrecht. Jede Einschränkung, die von Menschenrechtsverpflichtungen abweicht, muss gerechtfertigt sein. Sie muss auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, notwendig und verhältnismässig sein und ein legitimes Ziel verfolgen», erklärt die Juristin.
Die Behörden sollten friedliche Demonstrationen grundsätzlich zulassen und dann eingreifen, wenn es während der Veranstaltung tatsächlich zu Straftaten kommt, so der Standpunkt von Amnesty. «Die Behörden müssen sich an die Verpflichtung halten, nicht ungerechtfertigt in das Demonstrationsrecht einzugreifen.»
Politische Meinungen geniessen als Ausdrucksform einen besonderen Schutz. Daher sollten laut Amntesty verstärkte Anstrengungen unternommen werden, um Demonstrationen zu ermöglichen, die eine politische Botschaft zum Ausdruck bringen. Gründe wie die Behinderung des Verkehrs und die Störung des täglichen Lebens der Bürger erfüllen nicht die Kriterien, die in den völkerrechtlichen Standards für die Rechtfertigung von Einschränkungen der Versammlungsfreiheit festgelegt sind.
«Amnesty International fordert die Berner Behörden auf, den Menschen zu erlauben, ihre Sorgen friedlich zu äussern, gerade angesichts der Situation im Nahen Osten – denn das ist Ausdruck einer freien und gerechten Gesellschaft.»
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