Chapeau! – für die Grundacher Schule

Die Grundacher Schule in Sarnen macht so ziemlich alles anders. Praktisch ohne Frontalunterricht wird die Selbständigkeit sowie das kritische Denken der Lernenden gefördert. Hier werden Bücher geschrieben, Filme produziert und wissenschaftliche Experimente durchgeführt. Doch am Ende der Primarschule ist der Bildungsstand mindestens genauso hoch wie der von Schülern aus dem herkömmlichen System. Im Dezember wurde die «Grundi» für ihre «innovative Formen der Exzellenzförderung» zum zweiten Mal mit dem Lissa-Preis ausgezeichnet.

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Ein Schüler liegt bäuchlings auf dem Boden. Seine Stirn ist vor Konzentration gerunzelt, während er kleine Würfelchen, Stäbe und Blöcke ordnet und dann die die Zahl 587 in sein Rechenheft schreibt. «Die Würfel stehen für die Einer, die Stäbe für die Zehner und die Platten für die Hunderter», erklärt der Achtjährige. «So können wir ganz einfach bis tausend rechnen.» Im Nebenzimmer übt ein neunjährige Mitschüler mit einer Waage und verschiedenen Gewichten die Masseinheiten. «Was wiegt hier wohl zweihundert Gramm?», überlegt er laut. Er hat die Aufgabe gezogen, einen solchen Gegenstand zu finden. Der Lehrer rät ihm: «Nimm doch das Zweihundert-Gramm-Gewicht in die eine Hand und einen Gegenstand in die andere, und versuche zu spüren, ob er gleich schwer ist.»

Einen Stock weiter oben arbeiten die älteren Schülerinnen und Schüler. Eine übt mit einem Computerprogramm Maschinenschreiben, eine andere hat Kopfhörer aufgesetzt und repetiert Englischvokabeln. Und zwei Elfjährige lesen ihrem Lehrer die Endfassung ihres Krimis vor. «Der gruselige Abschied ist schon das zweite Abenteuer von Anna und Chloe», sagen sie stolz. «Daran haben wir nun drei Monate lang geschrieben. Wir wollen ein ganzes Buch machen!»

Ein ganz normaler Tag an der Grundacher Schule in Sarnen. Denn dort ist alles Erdenkliche möglich – Bücher zu schreiben, Filme zu produzieren, Musik-CDs aufzunehmen, Hörspiele zu machen und vieles anderes. Nur eines gibt es (fast) nicht: Frontalunterricht. Die Schülerinnen und Schüler lernen selbstständig mit dem vielfältigen Lernmaterial, das ihnen zur freien Verfügung steht. Sie teilen sich die Zeit selber ein und entscheiden auch, ob sie alleine oder in Gruppen arbeiten möchten. Und am Ende der Primarschule können sie trotzdem mindestens genauso viel wie Schülerinnen und Schüler aus herkömmlichen Schulsystemen. Die Quote derjenigen, die im Anschluss die Sekundarschule A und das Gymnasium meistern, bestätigt dies. «Nicht obwohl, sondern genau weil wir eine komplett andere Lernmethode haben, lernen sie und bleiben motiviert!», betont Schulleiterin Karin Anderhalden.

Lernen bedeutet an der «Grundi», wie die Schule liebevoll genannt wird, dass die Kinder sich Fähigkeiten und Kompetenzen aneignen, die nachhaltig wirken, das heisst in späteren Situationen angewandt, neu verknüpft und weiterentwickelt werden können. Dies geschieht in erster Linie durch Projektarbeit und einem handlungsorientierten Ansatz, bei dem die Lernenden sich auf ihre Bedürfnisse und Talente fokussieren dürfen. Besonders gefördert werden die vier Ks: Kreativität, Kollaboration, Kommunikation & kritisches Denken.

Im Dezember wurde die «Grundi» bereits zum zweiten Mal mit dem Lissa-Preis ausgezeichnet. Dieser wird an Schulen vergeben, die innovative Formen der Exzellenzförderung umsetzen. Das heisst: Bildungsinstitute, die besondere Talente erkennen, individuellen Potenziale herausfordern, diese kreativ fördern und gemeinschaftlich integrieren. 

Wir ziehen den Hut vor der «Grundi», ihren Lernpersonen und ihren Schülerinnen und Schülern. Für den Mut, anders zu sein, aus dem klassischen System auszubrechen – und zu beweisen, dass es so auch geht. Oder: dass es so noch viel besser geht.

www.grundacherschule.ch

Kommentare

Herzliche Gratulation zum Lissa-Preis!

von meineMeinung
Ein schönes Schulprojekt, individuelle Talente und Potenziale kreativ zu fördern und gemeinschftlich zu integrieren. Englischvokabeln zu repetieren, finde ich allerdings nicht sehr kreativ, ist ein veraltetes Lernkonzept. Aus meiner Sicht wäre es auch wichtig, die Verbundenheit der Kinder zur Natur zu fördern, damit sie die Natur wert schätzen und respektieren lernen. Kleine Wanderungen im Wald machen, Tiere beobachten, aus herumliegenden Ästen etwas basteln, Vogelhäuser bauen... Ich habe gehört, es gibt auch in der Schweiz Waldschulen, in denen Kinder bei jedem Wetter eine gewisse Anzahl Stunden pro Woche im Wald verbringen, das finde ich super. Das sollte man meiner Meinung nach auch in öffentlichen Schulen einführen.   

Eine Neue Schule

von meineMeinung
Zum Thema Schule fällt mir noch ein, was mir eine Schulpädagogin von ihrer Vision einer modernen Schule erzählte. In dieser Schule lernen alle Kinder zuerst lesen, schreiben und rechnen, das man im praktischen Leben braucht. Danach wählen sie je nach Interesse und Begabung Fächer, die sie lernen wollen. Kein Zwangslernen also von Fächern, die sie nicht interessieren. Sollte sich ein Kind später für andere Fächer interessieren oder für den gewählten Beruf brauchen, wäre das kein Problem, es könnte das Wissen in altersgemischten, nach Fächern und Themen gestalteten Klassen, jede Zeit nachholen. Ich finde, es ist eine schöne Vision. Das Interesse an etwas kann man Kindern (oder auch Erwachsenen) nicht aufzwingen, es muss von innen kommen. Auch manche Lernkonzepte, vor allem in öffentlichen Schulen, sind wohl nicht mehr zeitgemäss.              

In der Neuen Schule gibt es…

von meineMeinung
In der Neuen Schule gibt es keine Noten mehr, es gibt nur bestanden/nicht bestanden, und irgendwann braucht es auch das nicht mehr...