Man gebe mir eine Waffe! Schneckenkrieg einer Pazifistin

Falls du auch schon mit Mordfantasien im Garten gestanden bist, deine Gefühle zwischen Verzweiflung und mittelalterlichen Rachegelüsten geschwankt sind, dann hast auch du vermutlich ein Problem mit Schnecken und wirst dich in dieser Kolumne wiedererkennen.

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Im Grunde war ich schon immer Pazifistin und total tierliebend. Doch wenns um Schnecken, Stechmücken oder Ameiseninvasionen geht, kommen mir ernstzunehmende Zweifel auf.

In meinem Psychologiestudium befassten wir uns mit den sozialen Experimenten von Milgram oder Standford, die in erschreckender Weise aufzeigten, wie weit, selbst unauffällige Menschen gehen würden, wenn Autoritäten zu Gewalthandlungen auffordern. Damals war ich überzeugt, dass mir so etwas nie geschehen würde! Doch ist dem wirklich so?

Als Hobbygärtnerin mit nicht sehr grünem Daumen freute ich mich immer über jedes gelungene essbare und pestizidfreie Pflänzchen. Diese seltenen und daher wertvollen Erfolge wollte ich natürlich nicht mit gefrässigen Schnecken teilen, die erbarmungslos zuschlugen und einen Akt der Zerstörung zurückliessen. Denn leider begnügten sie sich nicht mit einem einzigen Pflänzchen, sondern hinterliessen überall ihre Fressspuren. So stand ich bestürzt, deprimiert und wütend im verwüsteten Garten und sann über Lösungen nach.

Ich versuchte vieles: Erst gewaltlos, mit Schneckenablesen. Schön und gut, doch wohin mit der Beute? Ob Hühner wohl auch Schnecken fressen? Der Bauer gegenüber wusste es nicht, riet mir aber, es einfach zu versuchen. Also leerte ich meine Kilo-Konservenbüchse Schnecken mitten auf dem Boden des Hühnerhofs aus und wartete ab, was geschehen würde. Die Hühner kamen dann auch, begutachteten neugierig  den Schneckenberg, um sich dann jedoch degoutiert abzuwenden.

Zerknirscht  liessen der Bauer und ich am Abend die vorwurfsvolle Schimpf- und Lachtirade der Bäuerin über uns ergehen. Meine nächsten Fänge setzte ich dann irgendwo in der Wildnis aus. Welche Sisyphusarbeit! Mir schien, als würden sich die Schnecken schneller vermehren, als ich sie ablesen konnte.

Dann versuchte ich es halt auf die gemeine Art, mit Bierfallen. Es klappte wunderbar und die Schnecken starben, wie ich hoffte, narkotisiert und heiter gestimmt.  Allerdings waren die stinkenden Überreste derart abstossend, dass ich das Experiment schnell wieder verwarf. 

Auch meine Versuche mit Lockpflanzen oder Barrieren aus Kaffeesatz, Eierschalen oder Schneckenzäunen brachten leider keinen Erfolg. Vermutlich handelt es sich bei meinen Schnecken um ausgehungerte, sportliche Renn- und Kletterschnecken, die durch nichts aufzuhalten sind.

Resigniert, wütend und voller Widerwillen griff ich schliesslich zu chemischen Waffen und streute Schneckenkörner. Auf der Packung stand zwar etwas von ökologisch und für Igel unbedenklich, doch die lange Schleimspuren zu den Schneckenleichen liessen mich einen qualvollen, stummen Tod vermuten. Dies und mein Mitwirken an einer zusätzlichen Umweltvergiftung liessen sich definitiv nicht mit meiner Ethik vereinbaren. Der Preis war mir zu hoch.

Ich gestehe, ich habe mich demütig ergeben und lese die Schnecken wieder ab. Dann setze ich sie möglichst weit hinter dem Haus aus und stelle mir vor, wie sie lachend einen Rundlauf mit mir veranstalten und die Nächte genüsslich in meinem Gemüse verbringen. Da es auch für mich entspannter ist, habe ich mich entschieden, mein Essen mit ihnen zu teilen und mich an dem zu freuen, was sie mir zurücklassen, statt mich über Abgefressenes zu ärgern.

Ich empfinde sogar Dankbarkeit für die Schnecken, die meinen Garten zu einem Übungsplatz für Gelassenheit, Geduld und friedliches Verhalten machen. Ich bin bescheiden geworden und habe erkannt, dass ich nicht über die Natur gewinnen kann, ohne selber negativ betroffen zu sein, indem ich die Natur oder meine Psyche vergifte. Ich lerne, Probleme mit Phantasie und Humor anzugehen und alles was ich bekomme, als Geschenk wertzuschätzen. Und ich mache die Erfahrung, dass ich noch genug für mich selber habe, auch wenn ich meinen Besitz teile. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge verneige mich vor der Weisheit der Schnecken…

Kommentare

Schneckenkrieg

von marcus6869
Hahaha... Ich finde es schön mich im Text wieder zu finden. Auch ich musste mich von den hartnäckigen Weichlingen belehren lassen. Wir hatten sogar zwischenzeitlich, obwohl bereits vorhanden, mit der biologischen Waffe Tigerschnecke aufgerüstet. Sie war allerdings nicht Blutrünstig genug, um einen Schneckenkrieg mit verheerenden ausmassen zu erzeugen. Ist halt eine Schnecke und kein Mensch. Wir teilen nun auch, da auch Hochbeete nichts nutzten. Wenn man Erde in die Hochbeete bringt, bringt man die Schnecke gleich mit hinein.  Nur die Mäuse konnten wir fern halten, das war uns gelungen. Danke für diesen amüsanten und lehrreichen Text. Liebe Grüsse Marcus Thiel

schneckenzaun!!!

von martina pahr
da stecken wir gärtner:innen doch alle drin, in dem schleimigen grabenkrieg gegen die schnecken. ich gebe zu: friedliche koexistenz gelingt mir nicht! aber es gibt tatsächlich hoffnung: verzinkte schneckenzäune aus stahlblech, mit zwei überkopf-winkeln, die JEDER schnecke den einstieg verwehren. sollten eier in der erde sein, dann die viecher abklauben und jenseits des zauns aussetzen. aber von außen über die barriere kommen die mistdinger nicht mehr rein. :-)))