Für Boris Reitschuster gab es in Deutschland bereits eine Zwei-Klassen-Medizin, aber diese wird in seinen Augen jetzt durch eine neue Regelung noch zementiert. Wer gesetzlich versichert ist, soll künftig nicht mehr selbst entscheiden dürfen, zu welchem Facharzt er geht. Der erste Gang muss zum Hausarzt zu führen, der dann zum Facharzt überweist. Umgehen könne man dies nur, wenn man privat versichert sei oder zahle. Somit verschärfe sich die Ungleichbehandlung im deutschen Gesundheitssystem.
Dabei würden Privatversicherte – darunter die Beamten - sowieso schon bevorzugt behandelt und bekommen schneller Termine. Das Gesundheitssystem leide nicht nur unter Ressourcenknappheit, sondern massiv unter Missbrauch. Patienten kämen wöchentlich mit hohen Ansprüchen, obwohl keine Befunde vorlägen und holten sich obendrein mehrere Meinungen ein. Häufig seien das Patienten mit Migrationshintergrund, sagen die Ärzte hinter vorgehaltener Hand. Aber nicht diese Ausnutzung werde gestoppt, sondern das ganze Kollektiv reglementiert. Es fehle an Differenzierung.
Ein Arzt dazu: «Wir strafen die Falschen. Wer früher das System überfordert hat, der wird auch jetzt weitermachen – und wer sich früher zurückgehalten hat, steht jetzt im bürokratischen Abseits.» Die geplante Hausarztpflicht sei deshalb ein Symptom einer Gesellschaft, in der das Verantwortungsgefühl verdunste, so Reitschuster.
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