«Jedes System hat seinen Anfang und sein Ende»

Viele Reisen, Auslandaufenthalte und bewegende Momente: So das Leben von René Hirschi. Heute wohnt der 51-Jährige, Vater von drei Kindern, mit seiner Patchwork-Familie im Ökodorf Herzfeld Sennrüti, das er mitbegründet hat. Es liegt in Degersheim im Kanton St. Gallen. Er ist beruflich als Prozessbegleiter und Konfliktfacilitator für Einzelpersonen, Paare, Gemeinschaften und Organisationen tätig. Im Rahmen unserer Rubrik «3 Lebensfragen» erzählt uns René Hirschi mehr über die richtungsweisenden Momente in seinem Leben.

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Welcher Moment hat ihr Leben in eine andere Richtung geführt.

Mich hat so vieles geprägt: Mein Aufwachsen in Südafrika, Zimbabwe, Malawi und Zürich, meine Zeit als Weltenbummler, alle meine Lieben, die Vipassana-Schweige Retreats, Vater zu werden, eine intentionale Gemeinschaft mitzugründen, seit 2009 in Gemeinschaft zu leben und nicht zuletzt auch meine Ausbildung zum Prozessarbeiter nach Arnold Mindell.

Wenn ich mich für einen Moment entscheide: Einer der grössten Crashs war, als mein Bruder, während der Zeit der offenen Drogenszene in Zürich Letten mit der Spritze im Arm dem Sumpf der Drogen zu verfallen drohte. Dies löste aus, dass wir als Familie 1995 nochmals nach Südafrika auswanderten, zu der Zeit als Mandela Präsident wurde. Dies hat mich mit den Ungerechtigkeiten zwischen Norden und Süden sowie dem systemisch tief verankerten Rassismus in Berührung gebracht und mir wurde bewusst, dass ich mir die Welt anders erträume und erschaffen will.

Wenn Sie für einen Tag die Welt regieren könnten: Was würden Sie verändern?

Für die Welt in der wir leben, habe ich zwei verschiedene Wahrnehmungen: Einerseits erlebe ich die Welt als ein Paradies voller Wunder. Andererseits lebe ich in der uns gemeinsam bekannten Welt. Ich begegne also Leben, Freude, aber auch individuelles und kollektives Trauma. Beispielsweise sind wir – wie schon angesprochen – tief rassistisch geprägt seit dem 15. Jahrhundert. Während Systeme wie der Kapitalismus oder Kommunismus uns Menschen abhängig machen, sehe ich die Notwendigkeit uns unbedingt von dieser unheiligen Allianz zu lösen.

An dem Tag, an dem ich die Welt regiere, unterstütze ich Menschen, die regenerative Gemeinschaften, Transition Towns und sinngemässe Projekte gründen, in Städten und auf dem Land. Diesen Initiativen stelle ich Konflikt- und Prozessbegleitung sowie vereinfachte Land- und Immobilienfinanzierungen zur Verfügung.

Das heutige politische System sollte erweitert werden durch breite Partizipation. Sämtliche Bevölkerungsschichten, auch Minderheiten werden politisch eingebunden: Sie erhalten auf politischer Ebene eine Stimme, können ihre Lebensräume aktiv mitgestalten sowie zukunftsweisende Projekte mitinitiieren. Unter anderem sollte der strukturelle und der politische Macht-Einfluss des Geldes erforscht werden, transparent gemacht und verhältnismässig eingegrenzt werden.

Ihre Vision des Jahrs 2050 – und wo sehen Sie sich?

Im Jahr 2050 verblasst der graue Machtkomplex von Armee, Politik und Geld und verliert allmählich seine subtile einschüchternde Dominanz. Tag für Tag wenden sich Menschen ab von dem System, das aus dem Nichts unendlich Geld schöpft, während es auf der anderen Seite die Menschen immer mehr in die Schuld beziehungsweise in die Abhängigkeit treibt.

Die Geschichte zeigt: Jedes System hat seinen Anfang und auch sein Ende. Auch der Kapitalismus hat seine Endlichkeit, die Signale sind deutlich. Ist die Zeit reif, werden die Menschen in ihrem direkten Umfeld verbindende Gemeinschafts- und Kooperations-Kreise bilden. In den Städten und auf dem Land. Sie werden sich eine sorgende Stütze sein, in unsicheren Zeiten füreinander da sein. Sie werden sich selber organisieren, Sicherheit in der Nahrungs- und Produktkette schaffen. Regionale Tauschmittel werden sich bilden. Die Menschen werden dadurch wieder frei und unabhängig, sie spüren ihre eigene und gemeinsame Kraft. Sie stehen vereinter zusammen.