Eine bittere Schokoladengeschichte
Halbherzige Abkommen, verschleppte Fristen und Lobbyismus beim Abkommen gegen Kinderarbeit und Menschenhandel im Kakaoanbau – das beklagt Public Eye nach umfangreicher Recherche. Die Schweiz als «Schokoladenland» steht besonders in der Pflicht.
Im Jahr 2001 berichteten grosse US-Medien ausführlich über Kinderarbeit und Menschenhandel in westafrikanischen Kakaoplantagen. Die politische Reaktion liess nicht lange auf sich warten. Der demokratische Abgeordnete Eliot Engel reichte im US-Kongress einen Gesetzesantrag für ein «slave-free-label» ein. Gemäss der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gilt Kinderarbeit als Sklaverei. Die ILO, einige NGOs und acht Kakaokonzerne, darunter auch Barry Callebaut, einer der grössten Produzenten der Welt mit Sitz in Zürich, sowie Nestlè und die von Genf aus operierende Handelsgesellschaft ADM, einigten sich schliesslich mit dem sogenannten Harkins-Engel-Protokoll auf konkrete Massnahmen gegen Kinderarbeit und auf ein Zertifizierungssystem mit unabhängiger Überwachung.
Mit diesem Protokoll konnte tatsächlich das Schlimmste abgewendet werden – allerdings nicht für die Kinder, sondern für die Geschäfte der Schokoladenkonzerne. Da der Deal auf reiner Freiwilligkeit beruhte, wurden die Produktionsbedingungen durch die US-Behörden nicht überwacht. Die Frist zur Umsetzung bis 2005 verstrich ohne öffentliches Aufsehen. Vielmehr wurde ein Aufschub bis 2008 erwirkt und auf der revidieren Liste war nur noch die Hälfte der kakaoproduzierenden Gebiete zu finden. Doch auch diese Frist wurde bis ins Jahr 2010 verschoben, bis kurzerhand ein neuer Vorschlag auf den Tisch kam. In der neuen Vereinbarung war nur noch von einer 70-prozentigen Reduktion der Kinderarbeit die Rede – mit Frist bis 2020. Doch selbst dieses halbherzige Ziel wurde nicht erreicht. 2021 jährt sich die Unterzeichnung des Harkin-Engel-Protokolls zum zwanzigsten Mal.
Zahlreiche Recherchen der letzten Jahre zeigten in erschreckender Regelmässigkeit noch immer missbräuchliche Kinderarbeit im Kakaoanbau. In Ghana und Côte d'Ivoire sind zwei Millionen Kinder von missbräuchlicher Plantagenarbeit betroffen. Das wirkliche Übel liegt nicht in der dortigen Armut, so als würde es sich um ein Naturgesetz handeln, sondern im Fehlen eines existenzsichernden Einkommens. Demgegenüber zeigen aktuelle Zahlen, wie locker sich die Kakaolobby faire Abnahmepreise für Kakaobauern leisten könnte. 2019 erhielten die Aktionäre von Barry Callebaut 2019 eine im Vergleich zum Vorjahr 8,3 Prozent höhere Dividende, während Lindt & Sprüngli seine Kapitalgeber gar mit einer um 75 Prozent höheren Dividendenzahlung beglücken konnte. Dass ihr Konzernchef im vergangenen Jahr knapp 3,5 Millionen Franken verdiente, ist da nur noch eine Randnotiz.
Ein existenzsicherndes Einkommen ist also kein Luxus, sondern ein grundlegendes Menschenrecht.
Der Schweizer Verband «Chocosuisse» setzt allerdings weiterhin auf freiwillige Selbstverpflichtung. Dabei stünde die Schweiz mit ihren zahlreichen Schokoladeunternehmen, aber auch als globaler Handelsplatz besonders in der Pflicht.
Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, wie wichtig ein JA zur kommenden Konzernverantwortungs-Initiative am 29. November wird.
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