Pestizide sind überall. Und es werden immer mehr. Dies zeigt der Pestizid-Atlas 2022. Die Heinrich-Böll-Stiftung, die dieses umfassende Dokument veröffentlicht hat, fordert mit Nachdruck eine Wende in der Landwirtschaft.

© Heinrich-Böll-Stiftung

Nach der Ablehnung der Pestizid-Initiative im Juni 2021 wurde es still ums Thema. Nun ist der neue Pestizid-Atlas der Heinrich-Böll-Stiftung erschienen. Dieser zeigt in 19 Kapiteln Daten und Fakten rund um die Folgen des weltweiten Einsatzes von Pestiziden in der Landwirtschaft auf.

Das Ergebnis ist alles andere als erhebend: Insgesamt werden weltweit 80 Prozent mehr Pestizide eingesetzt als vor 30 Jahren. Rund die Hälfte davon sind Herbizide, die für die Vernichtung von Unkraut eingesetzt werden. Eine Reduktion der Giftstoffe ist laut dem Atlas nicht zu erwarten. Dabei sind auch Pestizide im Einsatz, die als gefährlich für Mensch und Umwelt gelten – sie können zum Beispiel Krebs oder Fortpflanzungsstörungen zur Folge haben oder Insekten töten, die für die Bestäubung von Nutzpflanzen lebenswichtig sind.  

Die besonders giftigen Stoffe werden vor allem im Globalen Süden eingesetzt, unter anderem in Lateinamerika. Dort sind Menschen, die in der Landwirtschaft tätig sind, den Pestiziden teilweise schutzlos ausgeliefert (der Zeitpunkt berichtete). Weltweit erkranken laut dem Pestizid-Atlas jedes Jahr 385 Millionen Menschen an Pestizidvergiftungen, Tendenz steigend.

Die Produzenten dagegen sitzen meist im Norden. Zum Beispiel in der Schweiz: Der Agro-Multi Syngenta mit Hauptsitz in Basel ist einer der führenden Pestizid-Hersteller. Weltweit sind es nur eine Handvoll Konzerne, die diese Sparte kontrollieren. 1994 betrug der Marktanteil der vier grössten Unternehmen insgesamt noch 29 Prozent, 2018 waren es 70 Prozent.

Verschiedene Studien haben gezeigt, wie belastet Lebensmittel auch in Europa sind. In Deutschland werden zum Beispiel Äpfel 20 bis 30 Mal mit Pestiziden behandelt, bevor sie auf im Frühstücksmüsli oder in der Lunchbox landen.

Die Heinrich-Böll-Stiftung zeigt sich über diese Entwicklungen besorgt und fordert eine Pestizid-Wende in der Landwirtschaft. Zu Recht, denn die Pestizide sind überall – sogar auf Spielwiesen. Im Südtirol wurden gemäss dem Atlas Grasproben von Spielplätzen und Schulhöfen untersucht. Ergebnis: In 96 Prozent der Proben wurde ein Pestizid oder ein ganzer Pestizid-Cocktail nachgewiesen. Darunter befanden sich überwiegend hormonaktive Stoffe, die bereits in geringen Dosen die Gesundheit von Menschen und Tieren beeinträchtigen können.

Seit heute ist auch der Schweizer Pestzid-Atlas erhältlich, der die Heinrich-Böll-Stiftung gemeinsam mit der Schweizer NGO Public Eye publiziert hat. Darin wird unter anderem die Rolle von Syngenta genauer analysiert.

Der Atlas kann hier bestellt werden.