Wohl ein altes Trauma?
Lebensgemeinschaften als Laboratorien für Friedenskultur. Es fühlt sich eng an, aber wenn man es ausprobiert, ist es anders. Auch in der Schweiz gibt es «Gemeinschaften». Kolumne.
Wenn ein Konflikt so tief ist, dass sich zwei feindselige Menschen oder Nationen gegenüberstehen, ist es meist schon zu spät. Was es braucht, ist eine tiefgehende Transformation unserer Kultur, die unter anderem zur Abkehr von der kapitalistisch-imperialistischen Denkweise führt. Dieser Kulturwandel passiert in «Gemeinschaften».
Die Strukturen der Gewalt sind tief in uns selbst verwurzelt.
Tamera ist eine bekannte, portugiesische Lebensgemeinschaft, die seit den 70er Jahren versucht neue, zukunftsweisende Wege zu gehen. Dabei haben die Gründer und Gründerinnen erkannt, wie wichtig es ist, Traumen unserer Gesellschaft zu heilen, damit innere Konflikte nicht in äusseren Kriegen enden. Anfang Juni sprach der in Tamera lebende Martin Winiecki in einem Online-Anlass über den Krieg in der Ukraine. Eine seiner zentralen Aussagen war, dass es nicht hilft, zu sehr in den Konflikt der zwei Parteien zu verfallen, sondern dass es zu begreifen gilt, dass die Strukturen der Gewalt tief in uns selbst verwurzelt sind.
Zurück zu «Gemeinschaft»: Wenn ich dieses Wort höre oder lese, wird es mir nach wie vor seltsam. Ich fühle Widerstand und Enge, Beklemmnis. Wohl ein altes Trauma?
Das englische Wort «Community» fühlt sich freier an. Trotz meiner instinktiv ablehnenden Reaktion weiss ich heute, dass Gemeinschaften meist nicht eng sind. Sondern es sind Orte, in denen die nachhaltige Zukunftsvisionen bereits gelebt werden. Sie tun dies undogmatisch und sozialverträglich.
In der Schweiz gibt es bereits viele solcher Projekte. Der Zusammenschluss der Gemeinschaften weltweit ist das «Global Ecovillage Network», genannt GEN. Als mir eine Freundin zum ersten Mal davon erzählte, dachte ich, es sei bloss ein weiterer Nachhaltigkeitsverein. Als sie jedoch vom alljährlichen Summercamp zurückkam, strahlte sie dermassen, dass ich das nächste Mal mitging.
Ich wurde nicht enttäuscht. Ich lernte eine neue, lebendige Kultur kennen. Die Technologien nennen sich «Forum», «Fishbowl», «Kreiskultur» oder «Open Space». Und sie erzeugen ein Feld, in dem sich Menschen wahrhaftig begegnen können. Das GEN ist kein weiterer Nachhaltigkeitsverein, sondern ein aktives Forschen an einer lebendigen und friedvollen Kultur. Wer mehr über GEN wissen möchte, sollte an seinen Veranstaltungen teilnehmen. Denn um Kultur zu lernen, muss man sie erfahren.
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