3 Fragen an Konzeptkünstler Roger Fischer

Die Kunstaktion «Transit» findet zeitgleich wie die «Documenta fifteen» (D15) statt, sogar in der Nähe: im Kulturbahnhof Kassel. Initiiert hat Transit der Zürcher Roger Fischer. Mitgestaltet wird die Aktion von einer Gruppe Kunstschaffender aus der Schweiz, die sich Circulantis nennt. Was erwartet die Besucher und Besucherinnen in den 100 Tage zwischen dem 18. Juni und 25. September in Deutschland?

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Zeitpunkt: Transit, Circulantis… was verbirgt sich hinter den rätselhaften Namen?

Roger Fischer: Das Projekt Transit ist spontan entstanden aus meiner langjährigen Beschäftigung mit gesellschaftlich konditionierten Komplementär-Währungen. Es behandelt das Thema Geld und Wirtschaft in einem künstlerischen Rahmen. Im Lauf der thematischen Auseinandersetzung entstand in der Künstlergruppe der Namen Circulantis mit Bezug auf die Kreislauf-Wirtschaft. Das Projekt soll zuerst im Kulturbahnhof Kassel starten und dann weitere Kreise ziehen. Sein Herzstück ist unser «Lichtraum», in dem ein kommunikativer Austausch mit den Besucher und Besucherinnen stattfinden kann. Damit nehmen wir Bezug auf einen wenig beachteten Charakter von Geld, auf den als wichtiges Kommunikationsmittel und als zukünftige Basis einer echten Kreislaufwirtschaft, die über Recycling und Elektrofahrzeuge hinausgeht und soziale Wohlfahrt in globalem Umfang zu verwirklichen vermag.

Nur wer Geld hat, ist zufrieden oder wird als Kapitalist bezeichnet. Wer hingegen nur wenig oder kein Geld besitzt, hat nur einen beschränkten Zugang zur Gesellschaft.

Durch die Mittel der Kunst versuchen wir, diese komplexe Materie von Kreislaufwirtschaft und gesellschaftlich konditionierten Währungsmodellen möglichst undogmatisch zu vermitteln. Das «Mysterium Geld» wurde kaum je umfassend beleuchtet und ist ideologisch stark aufgeladen. Nur wer Geld hat, ist zufrieden oder wird als Kapitalist bezeichnet. Wer hingegen nur wenig oder kein Geld besitzt, hat nur einen beschränkten Zugang zur Gesellschaft. So polarisiert Geld unsere Gesellschaften einerseits in «unternehmerische Täter im globalen Wettbewerb», Habende oder Gebildete, und andererseits in Konsumenten, Opfer und Ohnmächtige. Das führt zu immer mehr «Positionsgütern» (Marken- und Luxusgütern) und zu Frustrationen und Elend bei den Ohnmächtigen. Ersatzhandlungen und -güter treiben die Expansionswirtschaft an. Das spaltet die Gesellschaften, schafft verzerrte Wertbilder und schliesst wertvolle menschliche Ressourcen aus, für die Gesellschaften, die Lebenswelt und spirituellen Entwicklungen. Wenn ich dies mit Worten erläutere, befinde ich mich schon bald auf dem Minenfeld der Ideologie. Durch die Kunst wollen wir hingegen offen und zugänglich bleiben.

Wer sind die Mitwirkenden in der Kerngruppe? Lauter Revolutionäre, Träumer, Spinner?

Wir sind als Künstler und Künstlerinnen gewissermassen moderne «Hofnarren, die den Zeitgeist der Zukunft auf positive und schöpferische Weise aufzeigen», wie mal die deutsche Künstlerin Mary Bauermeister sagt. Wir verpflichten uns der zeitbezogenen Wahrhaftigkeit, der Ästhetik und der Ethik in der Auseinandersetzung mit den Themen «Frieden durch Gerechtigkeit», «sorgsame Beziehung zur Lebenswelt» und «Gesellschaften ohne Ideologie».
Die Kerngruppe Circulantis hat sich sehr spontan und kurzfristig zusammengefunden. Das Fehlen eines ideologischen Hintergrundes und sichtbarer Strukturen, bedingt  einen prozesshaften Austausch. Das ist sehr anspruchsvoll, bietet aber genau diese wertvollen Chancen, sich ohne viele Worte menschlich und künstlerisch auszutauschen und sich mit Kunstschaffenden aus anderen Regionen, Kulturen und Kreisen zusammenzufinden. Um wirksam tätig zu sein, braucht es Wohlwollen sowie geschlossene Themen- und ökonomische Kreise. Wir verstehen uns als die RealistInnen von morgen, und dieses Morgen einer neuen Austausch- und Lebensweise will erst einmal künstlerisch erforscht und erprobt sein.

Die Spuren von Transit führen von der Schweiz nach Kassel. Wo steht die Schweiz selbst im ganzen Themenkreis?

In der Schweiz profitieren wir alle vor allem durch unsere enorm starke Währung und die profitablen Anlagen unserer Nationalbank. Damit schöpfen wir bedeutende Werte aus der Weltwirtschaft ab, die anderen Nationen mit schwachen Währungen systemisch entzogen werden. Wir sind da in der Schweiz alle mit drin in diesem System, ob wir wollen oder nicht. Doch die «Swissness», die zu diesem System geführt hat, kann auch dazu dienen, ein kooperatives, zukunftsfähiges Währungs- und Wirtschaftssystem aufzubauen. Die überschaubare Grösse, die umgängliche Zuverlässigkeit und die gesetzlichen Sicherheiten in der Schweiz sind weltweit einzigartig. Statt präziser Uhren und bester Schokolade, wollen wir ein vertrauenswürdiges und klug aufgebautes Währungssystem, das ich zusammen mit dem Währungsforscher Jens Martignoni entwickelt habe, beliebt machen. Es soll eine echte und für alle Menschen gute Kreislaufwirtschaft ermöglichen. Zwischen Kassel und der Schweiz möchten wir den ersten Faden legen, für ein weltweit funktionierendes Wirtschaftsnetz auf völlig neuen Grundlagen.

Ich wünsche mir, dass wir als Künstler-Kollektiv neue Formen von Gemeinsamkeit erarbeiten und die Qualität, die daraus entsteht, als Blaupause für «soziale Skulpturen» herausarbeiten können. Diese Blaupause soll nun, zuerst in Kassel mit den dortigen KünstlerInnen, eine Wirkung finden und sich dann an andere Orte ausdehnen. So würden wir zu BotschafterInnen für neue Formen von Beziehung, Co-Kreativität und einer kooperativen Kreislaufwirtschaft mit ihrer spezifischen Währung.

 

Mehr Infos: www.transit-circular.ch

Die Künstergruppe besteht aus: Esther Reinhart, Andrea Pfister, Senso, Andres Stirnemann, Mathias Gentinetta, Sofie Honig, Mirjam Rigamonti, Roger Fischer

Damit der gesäte Samen weiter gedeihen kann, wünschen sich die Künstlergruppe für dieses und weitere Projekte Gönner und Sponsorinnen aus den Wirtschafts-und Interessenkreisen von Kreislaufwirtschaft und kooperativ organisierter Nachhaltigkeit.