Felix Küchler hat als Arzt jahrelang in Afrika gearbeitet und war in der Gesundheitsförderung tätig. Für die Zukunft wünscht er sich, dass alle Waffenfabriken zu Permakultur-Gärten umfunktioniert werden.

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Zeitpunkt: Welcher Moment hat Ihr Leben in eine andere Richtung geführt?

Felix Küchler: Nach zwei Jahren Medizinstudium hatte ich die viele Theorie satt. Ich wollte etwas Praktisches, Nützliches machen, zum Beispiel in einem Bergdorf als Primarlehrer-Aushilfe arbeiten. Zufällig stiess ich auf ein Inserat: «Personal für Gesundheitsstation in Flüchtlingslager im Sudan gesucht.» Drei Wochen später sass ich im Flugzeug. Nach einem Jahr Arbeit in Afrika wusste ich, warum ich Arzt werden wollte, und setzte das Studium voll motiviert fort. Es folgten Praktika in Kamerun und Côte d'Ivoire.  Nach dem Studienabschluss habe ich 15 Jahre lang in Afrika gelebt und gearbeitet. Die Warnungen, ich würde den Anschluss in der Schweiz verlieren, haben sich nicht bewahrheitet. Auf Grund meiner Erfahrung erhielt ich nach meiner Rückkehr eine gute Stelle am Tropeninstitut in Basel. Heute noch leite ich ein Pionier-Projekt zu natürlicher Geburtenregelung im Benin.

Wenn Sie für einen Tag die Welt regieren könnten: Was würden Sie verändern?

Ich würde alle Waffenfabriken zu Permakultur-Gärten umfunktionieren. Das Personal könnte selbstbestimmt die eigenen Lebensmittel anpflanzen. In den Werkstätten fände die Verarbeitung und Veredlung zu Säften oder getrockneten Produkten statt. Die Hallen würden Platz bieten für Begegnung, Einkehr, Kultur und gemeinschaftliches Wohnen. In den Büros und Sitzungszimmern würde gewaltfreie Kommunikation und Soziokratie geübt. Die kollektive Intelligenz würde erwachen. Schluss mit Konkurrenzdenken. Die Panzer-Versuchsfelder würden zu Spiel- und Sport-Plätzen. An Stelle der Rüstungsindustrie würde Vielfalt, Austausch und Frieden blühen.

Ihre Vision des Jahrs 2050 – und wo sehen Sie sich?

Nach Jahrhunderten des Zentralismus stellen wir fest: Von Macht- und Geld-Konzentration profitieren nur wenige, und sie kann gefährlich sein. Die Schweiz mit ihrer dezentralen Tradition hat gute Voraussetzungen für eine Renaissance der regionalen Selbstständigkeit. Lebensmittel, Energie aus Sonne oder Holz, Alltagsverbrauchsartikel und vieles mehr können lokal hergestellt werden. Transport und Verpackungen fallen weg. Der Bezug zu den Konsumgütern wird direkter. Dies führt zu mehr Achtsamkeit im Umgang mit Ressourcen, und es gibt weniger Abfälle und Verschmutzung. Die verstärkte Autarkie bezieht sich auch auf Soziales, Gesundheitliches und den Bildungssektor. Statt globalisierte Medien oder Filme zu konsumieren, produzieren wir Spiel, Spass und Kultur weitgehend selbst.

Ich bin 1953 geboren. Bei meiner Geburt war meine Lebenserwartung 80 Jahre. Da ich nicht in jüngeren Jahren gestorben bin, weissagt mir die Statistik, dass ich ein Alter von 85 Jahren erreichen werde. Ich müsste Glück haben, das Jahr 2050 zu erleben. Dann wäre ich 97-jährig. Darauf bin ich nicht unbedingt erpicht. Überhaupt finde ich, dass die hohe Lebenserwartung nur ein Indikator für den Fortschritt ist. Ein kürzeres Leben kann sehr erfüllt und abgerundet sein. So wünsche ich mir, dass meine Frau und ich unser Mehrgenerationen-Öko-Permakultur-Projekt in Albinen (VS) auf einen guten Weg bringen können, bevor die Lebenskräfte nachlassen.