Ein Sachbuch, das zur Sache kommt
Ferienlektüre soll möglichst entspannend und idealerweise auch bereichernd sein. Dass dies auch mit einem Sachbuch möglich ist, beweist die heutige Bücherperle: «Wer sich verändert, verändert die Welt» von Christophe André, Jon Kabat-Zinn, Pierre Rabhi, Matthieu Ricard, Ilios Kotsou und Caroline Lesire, die ihre verschiedenen Fachbereiche zu einer Gesamtschau verweben. Aus der Reihe «Besondere Bücherperlen».
Viele Sachbücher lassen einen nach dem Lesen genauso ratlos zurück, wie man zu Beginn war. Treffend hat der nordamerikanische Indianer Manitonquat geschrieben: «Wissen gehört der Vergangenheit, Weisheit gehört der Zukunft.»
Es gibt eine enorme Wissensflut, deren Menge viele überfordert, doch es fehlt oft an Klarheit, Überblick und Hinweisen zur praktischen Umsetzung. Diese Lücke schliesst die heutige Bücherperle «Wer sich verändert, verändert die Welt». Sie zeigt die Probleme unserer Gesellschaft klar und nicht beschönigend auf, ohne in der Hoffnungslosigkeit stecken zu bleiben und weist auf konkrete Lösungsmöglichkeiten hin, die jede und jeder Einzelne von uns eigenverantwortlich leben kann. Da die Veränderung des Aussen in uns selber beginnt, können wir uns so aus der Opferrolle befreien und werden zu aktiven, co-kreativen Mitschöpfern unserer Welt.
Das Buch ist eine gelungene Mischung zwischen Theorien und Erfahrungswissen der AutorInnen, gleichnishaften Geschichten und praktischen Anleitungen zur Umsetzung. Ergänzend werden Projekte vorgestellt, die konkret an gesellschaftlichen Veränderungen arbeiten. Es ist in einer einfachen Sprache geschrieben, die nicht mit Wissen bluffen will, sondern die Lesenden in ihrer Ganzheit von Denken und Fühlen erreichen möchte.
Dabei haben mich drei Gleichnisse nachhaltig beeindruckt:
«Der Fischer und der Geschäftsmann: Ein amerikanischer Geschäftsmann geht am Strand spazieren und sieht nicht weit entfernt einen Fischer, der sich ausruht, während seine Netze trocknen. Der Geschäftsmann spricht ihn an: «Mein Guter, wenn Sie rausführen und fischten, statt hier einen faulen Lenz zu schieben, könnten Sie sich ein grösseres Boot leisten.» «Und dann?», antwortet der Fischer. «Nun, mit diesem grösseren Boot könnten Sie Leute einstellen, Arbeitsplätze schaffen und dann weitere Fischerboote kaufen.» «Und dann?», fragt der Fischer wieder. «Und dann könnten Sie sich ausruhen», meint der Amerikaner. «Aber das kann ich doch jetzt schon…». Diese Geschichte zeigt in schlichter Klarheit die Irrmeinung unserer Marktwirtschaft mit ihrem Zwang zu unendlichem Wachstum und Konsumwahn auf, und ermutigt uns in witziger Weise, diese zu hinterfragen und uns auf die wesentlichen Werte unseres Lebens zu besinnen. Rabhi gibt zu bedenken: «Wir vergessen gerne, dass es nicht die Zeit ist, die vorübergeht, sondern wir.»
«Mit deinen paar Tropfen Wasser wirst du das Feuer niemals löschen!»
Immer dann, wenn wir uns verzweifelt fragen «Was kann ich denn schon gross bewirken...?», ermutigt uns die folgende Geschichte dazu, uns von uns blockierenden Gefühlen zu befreien: «Eines Tages, so eine indianische Legende, brach ein riesiger Waldbrand aus. Bestürzt und ohnmächtig sahen die Tiere dem Wüten des Feuers zu. Allein der kleine Kolibri flog immer wieder um ein paar Tropfen Wasser, die er aus seinem Schnabel auf die Flammen fallen liess. Nachdem das Gürteltier seinem Treiben einige Zeit zugesehen hatte, rief es ihm zornig zu: «He, Kolibri, bist du eigentlich noch bei Trost? Mit deinen paar Tropfen Wasser wirst du das Feuer niemals löschen!» Der Kolibri sah ihm geradewegs in die Augen uns sagte: «Kann sein. Aber ich tue, was ich tun kann.» Wenn jede und jeder tut, was er kann, werden wir aus dem Dornröschenschlaf der uns depressiv machenden Hilflosigkeit und Untätigkeit aufwachen und unseren Teil zum Ganzen beitragen.
Matthieu Ricard ist überzeugt, dass Werte wie Mitgefühl, Altruismus, Verbundenheit und Zusammenarbeit, mit der Zeit egoistische Strömungen, die sich ständig bekämpfen, ablösen werden. Laut einer Studie von Helen Weg mit Vorschulkindern aus sozial benachteiligten Familien, haben einfache Achtsamkeitsmeditationen eine bedeutende Zunahme an prosozialen Verhaltensweisen ermöglicht. Entgegen vieler Auffassungen dient Meditation so nicht einer egoistischen Selbstverwirklichung, sondern vermag uns, laut Kabat-Zinn, von problematischen Konditionierungen zu lösen, uns mit einem grösseren Ganzen zu verbinden, so dass wir unser Handeln zum Wohle der gesamten Menschheit verändern können.
Lesire und Kotsou zitieren ein afrikanisches Sprichwort: «Ein Baum, der fällt, macht mehr Lärm als ein Wald, der wächst.» Sie erinnern uns daran, dass wir mit unserer Wahrnehmung oft eher das Negative als das Positive fokussieren. Von klein auf werden wir so geschult, dass unsere Fehler stärker gewichtet werden und notenbestimmender sind, als unsere Stärken. Auch bei den meisten Medien dominieren negative Sensationsmeldungen, da sie anscheinend mehr Umsatz generieren, als positive Meldungen. Wenn wir uns dieser Steuerung bewusst werden, können wir ein Gegengewicht schaffen, indem wir aufbauende Meldungen bevorzugen und so das Angebot schlussendlich durch unser Konsumverhalten steuern.
Laut André sind wir nicht nur materiellen, sondern auch psychischen und sozialen Schadstoffen ausgesetzt. Achtsamkeit hilft uns zu erkennen, was unser Innenleben zu heilen vermag. Wenn wir die Veränderung im Kleinen leben, uns unseren Mitmenschen und unserer Welt gegenüber so verhalten, wie wir selber auch behandelt werden möchten, wenn wir Zu-FRIEDEN-heit, Humor und Leichtigkeit ausstrahlen, so werden wir eine Energie hinaustragen, die zunächst unsere nähere Umwelt ansteckt, und später grössere Kreise ziehen wird.
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